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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Die Rodia
Lrzählung aus Ceylon
Aonrad Guenther von

es hatte den Pflanzer in Colombo kennen gelernt und war seiner
freundlichen Einladung auf seine Pflanzung -- Estate, wie man
auf Ceylon sagt -- gern gefolgt. Sein "Bangalo", ein weißes,
einstöckiges Haus mit weit vorspringendem Ziegeldach, erhob sich
reizend auf grünem Rasen, von Kokospalmen überschattet. Die
Landschaft umgab den anmutigen Platz wie ein großer Park, in dem Palmen
und indische Obstbäume die Baumgruppen darstellten, während als Rasenflächen
zwischen den Bergen lichtgrüne Reisfelderterrassen herabstiegen. Den Hinter¬
grund bildeten ringsum hohe Berge, deren sanftgewölbte Kuppen, von einzelnen
steileren Spitzen unterbrochen, duftig in den blauen Tropenhimmel hineinragten.
Der Pflanzer, ein schlanker Engländer von ritterlicher Art, hatte mich herzlich
empfangen, wir hatten beim gemütlichen Schein einer großen Hängelampe zu
Abend gegessen, und saßen nun auf den bequemen Stühlen der Veranda, Es
war unterdessen dunkel geworden, doch draußen auf den Rasenflächen flutete
Mondschein, in ihm erglitzerten die leise schwankenden Fiederkronen der Palmen,
und die Säulen der Veranda umzogen silberne Ränder, die sie plastisch hervor¬
treten ließen. Wir hatten uns in ein Gespräch über die Völker Ceylons vertieft,
die braunen, zartgebauten Singhalesen und die dunkelhäutigen, kräftigen Tannen,
welch letztere in Südindien zu Hause sind und in immer wachsender Zahl auf
die Insel kommen, wo sie als Pflanzungsarbeiter Verwendung finden. Ich
sagte meinem Gastfreund, daß mir beide Völker sehr gefielen, daß ich mich aber
zu den alteingesessenen Singhalesen mehr hingezogen fühlte. Die Erklärung
gäbe da wohl die alte Blutsverwandtschaft, die uns Europäer mit diesem arischen
Volke verbände, das ja auf Ceylon schon sogar prächtige Städte und Tempel
erbaut hätte, als unsere Vorfahren noch in Hütten wohnten. Den Pflanzer
schien meine Sympathie für die Singhalesen zu freuen, wir wurden wärmer,
kamen auf das Gebiet der großen Völkerfragen, sprachen von Rassenstolz und
Rassenvorurteil, und endlich sagte er mir, er hätte eine Geschichte auf dem
Herzen, die er erlebt hätte, und die er gerade mir gern erzählen würde, um
mein Urteil zu hören. Ich stimmte freudig zu, er lehnte sich in seinen Stuhl




Die Rodia
Lrzählung aus Ceylon
Aonrad Guenther von

es hatte den Pflanzer in Colombo kennen gelernt und war seiner
freundlichen Einladung auf seine Pflanzung — Estate, wie man
auf Ceylon sagt — gern gefolgt. Sein „Bangalo", ein weißes,
einstöckiges Haus mit weit vorspringendem Ziegeldach, erhob sich
reizend auf grünem Rasen, von Kokospalmen überschattet. Die
Landschaft umgab den anmutigen Platz wie ein großer Park, in dem Palmen
und indische Obstbäume die Baumgruppen darstellten, während als Rasenflächen
zwischen den Bergen lichtgrüne Reisfelderterrassen herabstiegen. Den Hinter¬
grund bildeten ringsum hohe Berge, deren sanftgewölbte Kuppen, von einzelnen
steileren Spitzen unterbrochen, duftig in den blauen Tropenhimmel hineinragten.
Der Pflanzer, ein schlanker Engländer von ritterlicher Art, hatte mich herzlich
empfangen, wir hatten beim gemütlichen Schein einer großen Hängelampe zu
Abend gegessen, und saßen nun auf den bequemen Stühlen der Veranda, Es
war unterdessen dunkel geworden, doch draußen auf den Rasenflächen flutete
Mondschein, in ihm erglitzerten die leise schwankenden Fiederkronen der Palmen,
und die Säulen der Veranda umzogen silberne Ränder, die sie plastisch hervor¬
treten ließen. Wir hatten uns in ein Gespräch über die Völker Ceylons vertieft,
die braunen, zartgebauten Singhalesen und die dunkelhäutigen, kräftigen Tannen,
welch letztere in Südindien zu Hause sind und in immer wachsender Zahl auf
die Insel kommen, wo sie als Pflanzungsarbeiter Verwendung finden. Ich
sagte meinem Gastfreund, daß mir beide Völker sehr gefielen, daß ich mich aber
zu den alteingesessenen Singhalesen mehr hingezogen fühlte. Die Erklärung
gäbe da wohl die alte Blutsverwandtschaft, die uns Europäer mit diesem arischen
Volke verbände, das ja auf Ceylon schon sogar prächtige Städte und Tempel
erbaut hätte, als unsere Vorfahren noch in Hütten wohnten. Den Pflanzer
schien meine Sympathie für die Singhalesen zu freuen, wir wurden wärmer,
kamen auf das Gebiet der großen Völkerfragen, sprachen von Rassenstolz und
Rassenvorurteil, und endlich sagte er mir, er hätte eine Geschichte auf dem
Herzen, die er erlebt hätte, und die er gerade mir gern erzählen würde, um
mein Urteil zu hören. Ich stimmte freudig zu, er lehnte sich in seinen Stuhl


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[0091] [Abbildung] Die Rodia Lrzählung aus Ceylon Aonrad Guenther von es hatte den Pflanzer in Colombo kennen gelernt und war seiner freundlichen Einladung auf seine Pflanzung — Estate, wie man auf Ceylon sagt — gern gefolgt. Sein „Bangalo", ein weißes, einstöckiges Haus mit weit vorspringendem Ziegeldach, erhob sich reizend auf grünem Rasen, von Kokospalmen überschattet. Die Landschaft umgab den anmutigen Platz wie ein großer Park, in dem Palmen und indische Obstbäume die Baumgruppen darstellten, während als Rasenflächen zwischen den Bergen lichtgrüne Reisfelderterrassen herabstiegen. Den Hinter¬ grund bildeten ringsum hohe Berge, deren sanftgewölbte Kuppen, von einzelnen steileren Spitzen unterbrochen, duftig in den blauen Tropenhimmel hineinragten. Der Pflanzer, ein schlanker Engländer von ritterlicher Art, hatte mich herzlich empfangen, wir hatten beim gemütlichen Schein einer großen Hängelampe zu Abend gegessen, und saßen nun auf den bequemen Stühlen der Veranda, Es war unterdessen dunkel geworden, doch draußen auf den Rasenflächen flutete Mondschein, in ihm erglitzerten die leise schwankenden Fiederkronen der Palmen, und die Säulen der Veranda umzogen silberne Ränder, die sie plastisch hervor¬ treten ließen. Wir hatten uns in ein Gespräch über die Völker Ceylons vertieft, die braunen, zartgebauten Singhalesen und die dunkelhäutigen, kräftigen Tannen, welch letztere in Südindien zu Hause sind und in immer wachsender Zahl auf die Insel kommen, wo sie als Pflanzungsarbeiter Verwendung finden. Ich sagte meinem Gastfreund, daß mir beide Völker sehr gefielen, daß ich mich aber zu den alteingesessenen Singhalesen mehr hingezogen fühlte. Die Erklärung gäbe da wohl die alte Blutsverwandtschaft, die uns Europäer mit diesem arischen Volke verbände, das ja auf Ceylon schon sogar prächtige Städte und Tempel erbaut hätte, als unsere Vorfahren noch in Hütten wohnten. Den Pflanzer schien meine Sympathie für die Singhalesen zu freuen, wir wurden wärmer, kamen auf das Gebiet der großen Völkerfragen, sprachen von Rassenstolz und Rassenvorurteil, und endlich sagte er mir, er hätte eine Geschichte auf dem Herzen, die er erlebt hätte, und die er gerade mir gern erzählen würde, um mein Urteil zu hören. Ich stimmte freudig zu, er lehnte sich in seinen Stuhl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/91>, abgerufen am 27.07.2024.