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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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An der Wiege des Aönigreichs Rumänien
Berichte des preußischen Svezialgesandten Freiherrn von Richthofen
an König Friedrich Wilhelm den vierten
(Schluß aus Heft 17) L. Standpunkt der Kommissäre

Diese Verhältnisse, wie ich die Ehre gehabt dieselben soeben in tiefster
Ehrfurcht vorzutragen, sind natürlich der Aufmerksamkeit meiner Kollegen in
der Kommission nicht entgangen und nach den verschiedenen Interessen, welche
sie vertreten, auch näher ausgebeutet worden.

Was zunächst den türkischen Kommissär betrifft, so hat derselbe den
Charakter einer gewissen Unparteilichkeit, die er in der Wallachei wenigstens
nach außen hin zu zeigen gesucht hat, hier nicht festgehalten. Die Verhältnisse
sind, wenn man sich auf seinen Standpunkt versetzt, für ihn hier auch weit
schwieriger als in der Wallachei. Es ist jedenfalls hier, und nicht in der
Wallachei, wo man nach einem von der Pforte unstreitig mit Österreich und
Lord Stratford, ich will nicht sagen mit England, konzertiertem Plane, die
Intentionen für die Union mit dem fremden Fürsten zuschanden machen will.
Dazu hatte man den Vogorides ausersehen, der ein willenloses Instrument in
der Hand der Pforte ist. Safret Effendi konnte in der Wallachei sehr wohl
den Unparteiischen spielen, um desto parteiischer hier aufzutreten. Die plumpe
Weise, in der Vogorides seine Rolle hier gespielt, hat indes Safret Effendi in
die unangenehme Alternative gebracht, entweder jenen zu desavouieren oder,
indem er ihn soutenierte. in denselben Fehler zu fallen. Er hat die letztere
Alternative gewählt. Als ich ihm merken ließ, daß ich wüßte, wie er hier
überall gedroht, die Erklärung für die Union mit ihren Konsequenzen werde
eine fremde Okkupation herbeiführen, da sie die Suzeränitätsrechte der Pforte
verletze, von welcher sie demnächst als Kolonie angesehen werden könnte, ent¬
schuldigte er sich in sehr naiver Weise damit, daß er sich nur gegen den Klerus,
insonderheit die Bischöfe, so ausgesprochen habe; diesen gegenüber aber könne
die von ihni bemerkte Eventualität nicht als eine Drohung ausgelegt werden,
da der Klerus, möge eine Okkupation stattfinden oder nicht, seine Einkünfte
doch ungeschmälert fortbeziehen würde. Eine Drohung wäre es aber nur ge¬
wesen, wenn er sich in ähnlicher Weise gegen die Grundbesitzer geäußert hätte.
Meinen Versuch, ihn auf die christliche Beurteilung der Sache hinzulenken,
wonach den Führer der Herde jedes Unglück der Herde antrifft, und es mit¬
empfindet, beantwortete er mit den Worten: mon euer coIIöMe, vous ne




An der Wiege des Aönigreichs Rumänien
Berichte des preußischen Svezialgesandten Freiherrn von Richthofen
an König Friedrich Wilhelm den vierten
(Schluß aus Heft 17) L. Standpunkt der Kommissäre

Diese Verhältnisse, wie ich die Ehre gehabt dieselben soeben in tiefster
Ehrfurcht vorzutragen, sind natürlich der Aufmerksamkeit meiner Kollegen in
der Kommission nicht entgangen und nach den verschiedenen Interessen, welche
sie vertreten, auch näher ausgebeutet worden.

Was zunächst den türkischen Kommissär betrifft, so hat derselbe den
Charakter einer gewissen Unparteilichkeit, die er in der Wallachei wenigstens
nach außen hin zu zeigen gesucht hat, hier nicht festgehalten. Die Verhältnisse
sind, wenn man sich auf seinen Standpunkt versetzt, für ihn hier auch weit
schwieriger als in der Wallachei. Es ist jedenfalls hier, und nicht in der
Wallachei, wo man nach einem von der Pforte unstreitig mit Österreich und
Lord Stratford, ich will nicht sagen mit England, konzertiertem Plane, die
Intentionen für die Union mit dem fremden Fürsten zuschanden machen will.
Dazu hatte man den Vogorides ausersehen, der ein willenloses Instrument in
der Hand der Pforte ist. Safret Effendi konnte in der Wallachei sehr wohl
den Unparteiischen spielen, um desto parteiischer hier aufzutreten. Die plumpe
Weise, in der Vogorides seine Rolle hier gespielt, hat indes Safret Effendi in
die unangenehme Alternative gebracht, entweder jenen zu desavouieren oder,
indem er ihn soutenierte. in denselben Fehler zu fallen. Er hat die letztere
Alternative gewählt. Als ich ihm merken ließ, daß ich wüßte, wie er hier
überall gedroht, die Erklärung für die Union mit ihren Konsequenzen werde
eine fremde Okkupation herbeiführen, da sie die Suzeränitätsrechte der Pforte
verletze, von welcher sie demnächst als Kolonie angesehen werden könnte, ent¬
schuldigte er sich in sehr naiver Weise damit, daß er sich nur gegen den Klerus,
insonderheit die Bischöfe, so ausgesprochen habe; diesen gegenüber aber könne
die von ihni bemerkte Eventualität nicht als eine Drohung ausgelegt werden,
da der Klerus, möge eine Okkupation stattfinden oder nicht, seine Einkünfte
doch ungeschmälert fortbeziehen würde. Eine Drohung wäre es aber nur ge¬
wesen, wenn er sich in ähnlicher Weise gegen die Grundbesitzer geäußert hätte.
Meinen Versuch, ihn auf die christliche Beurteilung der Sache hinzulenken,
wonach den Führer der Herde jedes Unglück der Herde antrifft, und es mit¬
empfindet, beantwortete er mit den Worten: mon euer coIIöMe, vous ne


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[0234] [Abbildung] An der Wiege des Aönigreichs Rumänien Berichte des preußischen Svezialgesandten Freiherrn von Richthofen an König Friedrich Wilhelm den vierten (Schluß aus Heft 17) L. Standpunkt der Kommissäre Diese Verhältnisse, wie ich die Ehre gehabt dieselben soeben in tiefster Ehrfurcht vorzutragen, sind natürlich der Aufmerksamkeit meiner Kollegen in der Kommission nicht entgangen und nach den verschiedenen Interessen, welche sie vertreten, auch näher ausgebeutet worden. Was zunächst den türkischen Kommissär betrifft, so hat derselbe den Charakter einer gewissen Unparteilichkeit, die er in der Wallachei wenigstens nach außen hin zu zeigen gesucht hat, hier nicht festgehalten. Die Verhältnisse sind, wenn man sich auf seinen Standpunkt versetzt, für ihn hier auch weit schwieriger als in der Wallachei. Es ist jedenfalls hier, und nicht in der Wallachei, wo man nach einem von der Pforte unstreitig mit Österreich und Lord Stratford, ich will nicht sagen mit England, konzertiertem Plane, die Intentionen für die Union mit dem fremden Fürsten zuschanden machen will. Dazu hatte man den Vogorides ausersehen, der ein willenloses Instrument in der Hand der Pforte ist. Safret Effendi konnte in der Wallachei sehr wohl den Unparteiischen spielen, um desto parteiischer hier aufzutreten. Die plumpe Weise, in der Vogorides seine Rolle hier gespielt, hat indes Safret Effendi in die unangenehme Alternative gebracht, entweder jenen zu desavouieren oder, indem er ihn soutenierte. in denselben Fehler zu fallen. Er hat die letztere Alternative gewählt. Als ich ihm merken ließ, daß ich wüßte, wie er hier überall gedroht, die Erklärung für die Union mit ihren Konsequenzen werde eine fremde Okkupation herbeiführen, da sie die Suzeränitätsrechte der Pforte verletze, von welcher sie demnächst als Kolonie angesehen werden könnte, ent¬ schuldigte er sich in sehr naiver Weise damit, daß er sich nur gegen den Klerus, insonderheit die Bischöfe, so ausgesprochen habe; diesen gegenüber aber könne die von ihni bemerkte Eventualität nicht als eine Drohung ausgelegt werden, da der Klerus, möge eine Okkupation stattfinden oder nicht, seine Einkünfte doch ungeschmälert fortbeziehen würde. Eine Drohung wäre es aber nur ge¬ wesen, wenn er sich in ähnlicher Weise gegen die Grundbesitzer geäußert hätte. Meinen Versuch, ihn auf die christliche Beurteilung der Sache hinzulenken, wonach den Führer der Herde jedes Unglück der Herde antrifft, und es mit¬ empfindet, beantwortete er mit den Worten: mon euer coIIöMe, vous ne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/234>, abgerufen am 21.12.2024.