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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Fürstliche Gegner Vismarcks
im Aampf um den Arieg l.866
an der Hand von teilweise unveröffentlichten politischen Korrespondenzen dargestellt v Dr. Heinrich Glaser on

n der nationalen Entrüstung, die anläßlich der Marokkover-
handlungcn im Sommer 1911 ausgelöst wurde, tauchten
historische Parallelen auf: die Zeit vor Olmütz im Jahre 1850
und vor dem Ausbruch des Krieges 1870. In beiden Fällen
anmaßende auswärtige Minister; dort der Österreicher
Schwarzenberg, der mit Krieg drohte, wenn Preußen nicht auf feine Unions¬
bestrebungen in Deutschland verzichte. Hier Gramont mit seinem Auftreten
gegen die Hohenzollernkandidatur und mit der Forderung, daß sie nie wieder
aufleben dürfe. Aber wie verschieden die Wirkung. Dort schwächliches Nach¬
geben, der Gang nach Olmütz und Verzicht auf die preußische Vorherrschaft in
Norddeutschland. Hier die rücksichtslose Entfachung des kuror teutonicu8
und Krieg.

Die Schlußfolgerung liegt nahe; aber sie ist übereilt, weil bei dem Vergleich
vergessen ist, daß derselbe Bismarck, der auf Gramonts Unverschämtheiten mit
der gepanzerten Faust antwortete, den Gang nach Olmütz und damit die Unter¬
werfung unter die diktatorische Bevormundung Österreichs gebilligt hat.

Gerade der Stimmung gegenüber, die durch den Abschluß des Marokko¬
handels ausgelöst wurde, ist es nicht ohne Interesse auf die Gedanken hinzu¬
weisen, die Bismarck in einer am 3. Dezember 1850 gehaltenen Rede aus¬
gesprochen hat: "die einzige gesunde Grundlage eines großen Staates, und
dadurch unterscheidet er sich wesentlich von einem kleinen Staate, ist der staatliche
Egoismus und nicht die Romantik, und es ist eines großen Staates nicht
würdig, für eine Sache zu streiten, die nicht seinem eigenen Interesse angehört.
Zeigen Sie mir also, meine Herren, ein des Krieges würdiges Ziel, und ich
will Ihnen beistimmen. Es ist leicht für einen Staatsmann, sei es in dem
Kabinette oder in der Kammer, mit dem populären Winde in die Kriegs¬
trompete zu stoßen und sich dabei an seinem Kaminfeuer zu wärmen oder von
dieser Tribüne donnernde Reden zu halten und es dem Musketier, der auf




Fürstliche Gegner Vismarcks
im Aampf um den Arieg l.866
an der Hand von teilweise unveröffentlichten politischen Korrespondenzen dargestellt v Dr. Heinrich Glaser on

n der nationalen Entrüstung, die anläßlich der Marokkover-
handlungcn im Sommer 1911 ausgelöst wurde, tauchten
historische Parallelen auf: die Zeit vor Olmütz im Jahre 1850
und vor dem Ausbruch des Krieges 1870. In beiden Fällen
anmaßende auswärtige Minister; dort der Österreicher
Schwarzenberg, der mit Krieg drohte, wenn Preußen nicht auf feine Unions¬
bestrebungen in Deutschland verzichte. Hier Gramont mit seinem Auftreten
gegen die Hohenzollernkandidatur und mit der Forderung, daß sie nie wieder
aufleben dürfe. Aber wie verschieden die Wirkung. Dort schwächliches Nach¬
geben, der Gang nach Olmütz und Verzicht auf die preußische Vorherrschaft in
Norddeutschland. Hier die rücksichtslose Entfachung des kuror teutonicu8
und Krieg.

Die Schlußfolgerung liegt nahe; aber sie ist übereilt, weil bei dem Vergleich
vergessen ist, daß derselbe Bismarck, der auf Gramonts Unverschämtheiten mit
der gepanzerten Faust antwortete, den Gang nach Olmütz und damit die Unter¬
werfung unter die diktatorische Bevormundung Österreichs gebilligt hat.

Gerade der Stimmung gegenüber, die durch den Abschluß des Marokko¬
handels ausgelöst wurde, ist es nicht ohne Interesse auf die Gedanken hinzu¬
weisen, die Bismarck in einer am 3. Dezember 1850 gehaltenen Rede aus¬
gesprochen hat: „die einzige gesunde Grundlage eines großen Staates, und
dadurch unterscheidet er sich wesentlich von einem kleinen Staate, ist der staatliche
Egoismus und nicht die Romantik, und es ist eines großen Staates nicht
würdig, für eine Sache zu streiten, die nicht seinem eigenen Interesse angehört.
Zeigen Sie mir also, meine Herren, ein des Krieges würdiges Ziel, und ich
will Ihnen beistimmen. Es ist leicht für einen Staatsmann, sei es in dem
Kabinette oder in der Kammer, mit dem populären Winde in die Kriegs¬
trompete zu stoßen und sich dabei an seinem Kaminfeuer zu wärmen oder von
dieser Tribüne donnernde Reden zu halten und es dem Musketier, der auf


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[0019] [Abbildung] Fürstliche Gegner Vismarcks im Aampf um den Arieg l.866 an der Hand von teilweise unveröffentlichten politischen Korrespondenzen dargestellt v Dr. Heinrich Glaser on n der nationalen Entrüstung, die anläßlich der Marokkover- handlungcn im Sommer 1911 ausgelöst wurde, tauchten historische Parallelen auf: die Zeit vor Olmütz im Jahre 1850 und vor dem Ausbruch des Krieges 1870. In beiden Fällen anmaßende auswärtige Minister; dort der Österreicher Schwarzenberg, der mit Krieg drohte, wenn Preußen nicht auf feine Unions¬ bestrebungen in Deutschland verzichte. Hier Gramont mit seinem Auftreten gegen die Hohenzollernkandidatur und mit der Forderung, daß sie nie wieder aufleben dürfe. Aber wie verschieden die Wirkung. Dort schwächliches Nach¬ geben, der Gang nach Olmütz und Verzicht auf die preußische Vorherrschaft in Norddeutschland. Hier die rücksichtslose Entfachung des kuror teutonicu8 und Krieg. Die Schlußfolgerung liegt nahe; aber sie ist übereilt, weil bei dem Vergleich vergessen ist, daß derselbe Bismarck, der auf Gramonts Unverschämtheiten mit der gepanzerten Faust antwortete, den Gang nach Olmütz und damit die Unter¬ werfung unter die diktatorische Bevormundung Österreichs gebilligt hat. Gerade der Stimmung gegenüber, die durch den Abschluß des Marokko¬ handels ausgelöst wurde, ist es nicht ohne Interesse auf die Gedanken hinzu¬ weisen, die Bismarck in einer am 3. Dezember 1850 gehaltenen Rede aus¬ gesprochen hat: „die einzige gesunde Grundlage eines großen Staates, und dadurch unterscheidet er sich wesentlich von einem kleinen Staate, ist der staatliche Egoismus und nicht die Romantik, und es ist eines großen Staates nicht würdig, für eine Sache zu streiten, die nicht seinem eigenen Interesse angehört. Zeigen Sie mir also, meine Herren, ein des Krieges würdiges Ziel, und ich will Ihnen beistimmen. Es ist leicht für einen Staatsmann, sei es in dem Kabinette oder in der Kammer, mit dem populären Winde in die Kriegs¬ trompete zu stoßen und sich dabei an seinem Kaminfeuer zu wärmen oder von dieser Tribüne donnernde Reden zu halten und es dem Musketier, der auf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/19>, abgerufen am 27.07.2024.