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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Kämpfe unserer Lehrerschaft

nicht entbehren; wie groß das Bedürfnis danach ist, beweist die geplante Grün¬
dung eines Instituts für Jugendkunde in Hamburg (vgl. Heft 10 der Grenzboten
dieses Jahrganges), das eine wissenschaftliche Zentralstelle der psychologischen,
anthropologischen, ethischen und pädagogischen, der geisteshygienischen und sozial¬
pädagogischen Arbeit an der Jugend sein will und in erster Reihe auf die
Mitarbeit der Volksschullehrer rechnet. Die großen Ziele, die die moderne
Jugendforschung sich in der Beantwortung praktischer pädagogischer Fragen
steckt, sind nur mit Hilfe von Arbeitsgemeinschaften unter der zuverlässigen
Führung von wissenschaftlichen Autoritäten zu erreichen und der Erfolg
aller dieser Bestrebungen hängt von der Durchdringung von Theorie und Praxis
ab. Nun will es uns scheinen, daß Lehrer aller Volksschichten diesen nötigen
Austausch von Problemen und Problemlösungen bewerkstelligen müssen, und
wenn wir auch durchaus nicht behaupten wollen, daß die in den erwähnten
Arbeitsgemeinschaften zu leistende Arbeit bei allen Mitgliedern akademische Bil¬
dung vorausgesetzt und im Hinblick auf jene oder auf sonstige wissenschaft¬
liche Bestrebungen von Volksschullehrern das allgemeine Universitätsstudium
gefordert werden dürfe, so muß doch anerkannt werden, daß wir durch
die Zulassung einzelner besonders Tüchtiger, die erwünschte Verbindung
und wechselseitige Befruchtung von reiner Wissenschaft und Praxis der Volks¬
schule gewinnen könnten und deshalb erstreben müssen. Denn es liegt auf
der Hand, daß die Lehrer, die wir uns als Bindeglieder denken, nicht etwa
bloß die Technik der psychologischen und pädagogischen empirischen Forschung
beherrschen sollen, sondern in der Lage sein müssen, die großen Probleme der
Erziehung und Schule von hoher Warte zu überschauen. Ethik, Psychologie,
Kinderpsychologie, Psychopathologie, Ästhetik, Geschichte der Pädagogik, Schul¬
hygiene, sind von den Lehrern als diejenigen Fächer bezeichnet worden, in die
sie sich vertiefen müssen, wenn sie ihrem Beruf wahrhaft dienen wollen und
mit Recht hat auch P. Oldendorff in dieser Zeitschrift auf die notwendige
Durchdringung der jugendkundlichen Bestrebungen mit philosophischem Geiste hin¬
gewiesen. Die führenden Persönlichkeiten unter den Volksschullehrern sollten
an der Quelle der Forschung der ihnen naheliegenden Gebiete schöpfen dürfen.
Das sächsische System ist infolgedessen als Prinzip nicht von der Hand zu weisen,
wenn auch ohne Zweifel die Gefahr damit verbunden ist, daß ein Teil der
Volksschullehrer verleitet werden kann, sich von seinen Hauptaufgaben abzu¬
wenden. Jedenfalls sollte der wirklich Tüchtige durch Schuld enger Schranken
einer Organisation nicht mit Gewalt von seinem gesunden Streben abgehalten
Die Schriftleitung werden.


Philologenvorbildung

Es wird an unseren Schulen unbeschreiblich viel herumgenörgelt und herum¬
gedoktert. Und es ist wohl dort wirklich nicht alles in bester Ordnung. Aber
in den allermeisten Fällen setzen die theoretischen ebenso wie die praktischen


Kämpfe unserer Lehrerschaft

nicht entbehren; wie groß das Bedürfnis danach ist, beweist die geplante Grün¬
dung eines Instituts für Jugendkunde in Hamburg (vgl. Heft 10 der Grenzboten
dieses Jahrganges), das eine wissenschaftliche Zentralstelle der psychologischen,
anthropologischen, ethischen und pädagogischen, der geisteshygienischen und sozial¬
pädagogischen Arbeit an der Jugend sein will und in erster Reihe auf die
Mitarbeit der Volksschullehrer rechnet. Die großen Ziele, die die moderne
Jugendforschung sich in der Beantwortung praktischer pädagogischer Fragen
steckt, sind nur mit Hilfe von Arbeitsgemeinschaften unter der zuverlässigen
Führung von wissenschaftlichen Autoritäten zu erreichen und der Erfolg
aller dieser Bestrebungen hängt von der Durchdringung von Theorie und Praxis
ab. Nun will es uns scheinen, daß Lehrer aller Volksschichten diesen nötigen
Austausch von Problemen und Problemlösungen bewerkstelligen müssen, und
wenn wir auch durchaus nicht behaupten wollen, daß die in den erwähnten
Arbeitsgemeinschaften zu leistende Arbeit bei allen Mitgliedern akademische Bil¬
dung vorausgesetzt und im Hinblick auf jene oder auf sonstige wissenschaft¬
liche Bestrebungen von Volksschullehrern das allgemeine Universitätsstudium
gefordert werden dürfe, so muß doch anerkannt werden, daß wir durch
die Zulassung einzelner besonders Tüchtiger, die erwünschte Verbindung
und wechselseitige Befruchtung von reiner Wissenschaft und Praxis der Volks¬
schule gewinnen könnten und deshalb erstreben müssen. Denn es liegt auf
der Hand, daß die Lehrer, die wir uns als Bindeglieder denken, nicht etwa
bloß die Technik der psychologischen und pädagogischen empirischen Forschung
beherrschen sollen, sondern in der Lage sein müssen, die großen Probleme der
Erziehung und Schule von hoher Warte zu überschauen. Ethik, Psychologie,
Kinderpsychologie, Psychopathologie, Ästhetik, Geschichte der Pädagogik, Schul¬
hygiene, sind von den Lehrern als diejenigen Fächer bezeichnet worden, in die
sie sich vertiefen müssen, wenn sie ihrem Beruf wahrhaft dienen wollen und
mit Recht hat auch P. Oldendorff in dieser Zeitschrift auf die notwendige
Durchdringung der jugendkundlichen Bestrebungen mit philosophischem Geiste hin¬
gewiesen. Die führenden Persönlichkeiten unter den Volksschullehrern sollten
an der Quelle der Forschung der ihnen naheliegenden Gebiete schöpfen dürfen.
Das sächsische System ist infolgedessen als Prinzip nicht von der Hand zu weisen,
wenn auch ohne Zweifel die Gefahr damit verbunden ist, daß ein Teil der
Volksschullehrer verleitet werden kann, sich von seinen Hauptaufgaben abzu¬
wenden. Jedenfalls sollte der wirklich Tüchtige durch Schuld enger Schranken
einer Organisation nicht mit Gewalt von seinem gesunden Streben abgehalten
Die Schriftleitung werden.


Philologenvorbildung

Es wird an unseren Schulen unbeschreiblich viel herumgenörgelt und herum¬
gedoktert. Und es ist wohl dort wirklich nicht alles in bester Ordnung. Aber
in den allermeisten Fällen setzen die theoretischen ebenso wie die praktischen


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[0626] Kämpfe unserer Lehrerschaft nicht entbehren; wie groß das Bedürfnis danach ist, beweist die geplante Grün¬ dung eines Instituts für Jugendkunde in Hamburg (vgl. Heft 10 der Grenzboten dieses Jahrganges), das eine wissenschaftliche Zentralstelle der psychologischen, anthropologischen, ethischen und pädagogischen, der geisteshygienischen und sozial¬ pädagogischen Arbeit an der Jugend sein will und in erster Reihe auf die Mitarbeit der Volksschullehrer rechnet. Die großen Ziele, die die moderne Jugendforschung sich in der Beantwortung praktischer pädagogischer Fragen steckt, sind nur mit Hilfe von Arbeitsgemeinschaften unter der zuverlässigen Führung von wissenschaftlichen Autoritäten zu erreichen und der Erfolg aller dieser Bestrebungen hängt von der Durchdringung von Theorie und Praxis ab. Nun will es uns scheinen, daß Lehrer aller Volksschichten diesen nötigen Austausch von Problemen und Problemlösungen bewerkstelligen müssen, und wenn wir auch durchaus nicht behaupten wollen, daß die in den erwähnten Arbeitsgemeinschaften zu leistende Arbeit bei allen Mitgliedern akademische Bil¬ dung vorausgesetzt und im Hinblick auf jene oder auf sonstige wissenschaft¬ liche Bestrebungen von Volksschullehrern das allgemeine Universitätsstudium gefordert werden dürfe, so muß doch anerkannt werden, daß wir durch die Zulassung einzelner besonders Tüchtiger, die erwünschte Verbindung und wechselseitige Befruchtung von reiner Wissenschaft und Praxis der Volks¬ schule gewinnen könnten und deshalb erstreben müssen. Denn es liegt auf der Hand, daß die Lehrer, die wir uns als Bindeglieder denken, nicht etwa bloß die Technik der psychologischen und pädagogischen empirischen Forschung beherrschen sollen, sondern in der Lage sein müssen, die großen Probleme der Erziehung und Schule von hoher Warte zu überschauen. Ethik, Psychologie, Kinderpsychologie, Psychopathologie, Ästhetik, Geschichte der Pädagogik, Schul¬ hygiene, sind von den Lehrern als diejenigen Fächer bezeichnet worden, in die sie sich vertiefen müssen, wenn sie ihrem Beruf wahrhaft dienen wollen und mit Recht hat auch P. Oldendorff in dieser Zeitschrift auf die notwendige Durchdringung der jugendkundlichen Bestrebungen mit philosophischem Geiste hin¬ gewiesen. Die führenden Persönlichkeiten unter den Volksschullehrern sollten an der Quelle der Forschung der ihnen naheliegenden Gebiete schöpfen dürfen. Das sächsische System ist infolgedessen als Prinzip nicht von der Hand zu weisen, wenn auch ohne Zweifel die Gefahr damit verbunden ist, daß ein Teil der Volksschullehrer verleitet werden kann, sich von seinen Hauptaufgaben abzu¬ wenden. Jedenfalls sollte der wirklich Tüchtige durch Schuld enger Schranken einer Organisation nicht mit Gewalt von seinem gesunden Streben abgehalten Die Schriftleitung werden. Philologenvorbildung Es wird an unseren Schulen unbeschreiblich viel herumgenörgelt und herum¬ gedoktert. Und es ist wohl dort wirklich nicht alles in bester Ordnung. Aber in den allermeisten Fällen setzen die theoretischen ebenso wie die praktischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/626>, abgerufen am 27.06.2024.