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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Kämpfe unserer Lehrerschaft

Die Behörden haben ihre Stellungnahme zu Scharrelmanns Ansichten
kundgetan, jetzt hat die deutsche Lehrerschaft das Wort.


Oberlehrer Friedrich Rommel i
Zulassung der Volksschullehrer zum Universitätsstudium

Das an sich berechtigte und höchst erfreuliche Streben der Volksschullehrer
nach einer vertieften, mehr wissenschaftlichen Bildung hat neuerdings mehrfach
Wünsche hervortreten lassen, die dahin zielen, daß die Ausbildung für den Beruf
des Volksschullehrers durch die Universität gehen und erst dort ihren Abschluß
erhalten solle. Besonders wirksamen Ausdruck hat dieser Gedanke auf der
Deutschen Lehrerversammlung gefunden, die im Jahre 1904 in Königsberg i. Pr.
tagte. Dort hielt Karl Muthestus. Erster Seminarlehrer (jetzt Schulrat) in
Weimar, einen Vortrag über "Universität und Volksschullehrerbildung", in
welchem er für das allgemeine Verlangen nach Anteil an den höchsten Bildungs¬
anstalten des Staates in erster Linie die "Überzeugung von der trotz aller
ständischen Gliederung des Volkskörpers bestehenden Gleichheit der Menschen¬
rechte" geltend machte, dann aber mit genauerer Begründung auf die Sache
einging und zuletzt scharf unterschied zwischen dem Vollkommenen, das von Rechts
wegen gefordert werden müsse, und dem Geringeren, womit man sich einstweilen
begnügen wolle. "Das Streben auf die beiden ersten Stationen beschränken,"
so erklärte er, "heißt nicht, große Prinzipien verleugnen, um kleine Erfolge zu
erreichen; denn diese Stationen liegen in gerader Richtung nach dem Ideal,
und unsere Hauptsorge muß in dieser Zeit des Überganges, da alles noch in¬
einanderfließt, darin bestehen, mit klarem Blick diese Richtung festzuhalten." In
diesem Sinne waren auch die Leitsätze gehalten, die von der Versammlung
angenommen wurden. Sie lauten:

1. Die Universitäten als Zentralstellen wissenschaftlicher Arbeit sind die
geeignetste, durch keine andere Einrichtung vollwertig zu ersetzende Stätte für
die VolksschuNehrerbildung.

2. Für die Zukunft erstreben wir daher die Hochschulbildung für alle
Lehrer.

3. Für die Jetztzeit dagegen fordern wir, daß jedem Volksschullehrer auf
Grund seines Abgangszeugnisses vom Seminar die Berechtigung zum Univer¬
sitätsstudium erteilt werde.

Neun Jahre ist es her, daß dieser Beschluß gefaßt wurde; und man kann
wohl nicht sagen, daß die Ansprüche, die der Deutsche Lehrerverein damit
erhoben hat, seitdem aufgegeben oder herabgesetzt worden seien. Neuerdings
wieder hat sie Generalsekretär Johannes Teos nachdrücklich vertreten in einem
Vortrage, den er auf der Versammlung des Goethebundes in Berlin am 3. De¬
zember 1911 über "die deutsche Volksschule" hielt*). Da ging er von den,



*) Abgedruckt in der Sammlung "Die Schule der Zukunft", Buchverlag der Hilfe,
Berlin-Schöneberg 1912 (vgl. die Besprechung in den Grenzboten 1913, Heft 5 Seite 213).
Kämpfe unserer Lehrerschaft

Die Behörden haben ihre Stellungnahme zu Scharrelmanns Ansichten
kundgetan, jetzt hat die deutsche Lehrerschaft das Wort.


Oberlehrer Friedrich Rommel i
Zulassung der Volksschullehrer zum Universitätsstudium

Das an sich berechtigte und höchst erfreuliche Streben der Volksschullehrer
nach einer vertieften, mehr wissenschaftlichen Bildung hat neuerdings mehrfach
Wünsche hervortreten lassen, die dahin zielen, daß die Ausbildung für den Beruf
des Volksschullehrers durch die Universität gehen und erst dort ihren Abschluß
erhalten solle. Besonders wirksamen Ausdruck hat dieser Gedanke auf der
Deutschen Lehrerversammlung gefunden, die im Jahre 1904 in Königsberg i. Pr.
tagte. Dort hielt Karl Muthestus. Erster Seminarlehrer (jetzt Schulrat) in
Weimar, einen Vortrag über „Universität und Volksschullehrerbildung", in
welchem er für das allgemeine Verlangen nach Anteil an den höchsten Bildungs¬
anstalten des Staates in erster Linie die „Überzeugung von der trotz aller
ständischen Gliederung des Volkskörpers bestehenden Gleichheit der Menschen¬
rechte" geltend machte, dann aber mit genauerer Begründung auf die Sache
einging und zuletzt scharf unterschied zwischen dem Vollkommenen, das von Rechts
wegen gefordert werden müsse, und dem Geringeren, womit man sich einstweilen
begnügen wolle. „Das Streben auf die beiden ersten Stationen beschränken,"
so erklärte er, „heißt nicht, große Prinzipien verleugnen, um kleine Erfolge zu
erreichen; denn diese Stationen liegen in gerader Richtung nach dem Ideal,
und unsere Hauptsorge muß in dieser Zeit des Überganges, da alles noch in¬
einanderfließt, darin bestehen, mit klarem Blick diese Richtung festzuhalten." In
diesem Sinne waren auch die Leitsätze gehalten, die von der Versammlung
angenommen wurden. Sie lauten:

1. Die Universitäten als Zentralstellen wissenschaftlicher Arbeit sind die
geeignetste, durch keine andere Einrichtung vollwertig zu ersetzende Stätte für
die VolksschuNehrerbildung.

2. Für die Zukunft erstreben wir daher die Hochschulbildung für alle
Lehrer.

3. Für die Jetztzeit dagegen fordern wir, daß jedem Volksschullehrer auf
Grund seines Abgangszeugnisses vom Seminar die Berechtigung zum Univer¬
sitätsstudium erteilt werde.

Neun Jahre ist es her, daß dieser Beschluß gefaßt wurde; und man kann
wohl nicht sagen, daß die Ansprüche, die der Deutsche Lehrerverein damit
erhoben hat, seitdem aufgegeben oder herabgesetzt worden seien. Neuerdings
wieder hat sie Generalsekretär Johannes Teos nachdrücklich vertreten in einem
Vortrage, den er auf der Versammlung des Goethebundes in Berlin am 3. De¬
zember 1911 über „die deutsche Volksschule" hielt*). Da ging er von den,



*) Abgedruckt in der Sammlung „Die Schule der Zukunft", Buchverlag der Hilfe,
Berlin-Schöneberg 1912 (vgl. die Besprechung in den Grenzboten 1913, Heft 5 Seite 213).
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[0621] Kämpfe unserer Lehrerschaft Die Behörden haben ihre Stellungnahme zu Scharrelmanns Ansichten kundgetan, jetzt hat die deutsche Lehrerschaft das Wort. Oberlehrer Friedrich Rommel i Zulassung der Volksschullehrer zum Universitätsstudium Das an sich berechtigte und höchst erfreuliche Streben der Volksschullehrer nach einer vertieften, mehr wissenschaftlichen Bildung hat neuerdings mehrfach Wünsche hervortreten lassen, die dahin zielen, daß die Ausbildung für den Beruf des Volksschullehrers durch die Universität gehen und erst dort ihren Abschluß erhalten solle. Besonders wirksamen Ausdruck hat dieser Gedanke auf der Deutschen Lehrerversammlung gefunden, die im Jahre 1904 in Königsberg i. Pr. tagte. Dort hielt Karl Muthestus. Erster Seminarlehrer (jetzt Schulrat) in Weimar, einen Vortrag über „Universität und Volksschullehrerbildung", in welchem er für das allgemeine Verlangen nach Anteil an den höchsten Bildungs¬ anstalten des Staates in erster Linie die „Überzeugung von der trotz aller ständischen Gliederung des Volkskörpers bestehenden Gleichheit der Menschen¬ rechte" geltend machte, dann aber mit genauerer Begründung auf die Sache einging und zuletzt scharf unterschied zwischen dem Vollkommenen, das von Rechts wegen gefordert werden müsse, und dem Geringeren, womit man sich einstweilen begnügen wolle. „Das Streben auf die beiden ersten Stationen beschränken," so erklärte er, „heißt nicht, große Prinzipien verleugnen, um kleine Erfolge zu erreichen; denn diese Stationen liegen in gerader Richtung nach dem Ideal, und unsere Hauptsorge muß in dieser Zeit des Überganges, da alles noch in¬ einanderfließt, darin bestehen, mit klarem Blick diese Richtung festzuhalten." In diesem Sinne waren auch die Leitsätze gehalten, die von der Versammlung angenommen wurden. Sie lauten: 1. Die Universitäten als Zentralstellen wissenschaftlicher Arbeit sind die geeignetste, durch keine andere Einrichtung vollwertig zu ersetzende Stätte für die VolksschuNehrerbildung. 2. Für die Zukunft erstreben wir daher die Hochschulbildung für alle Lehrer. 3. Für die Jetztzeit dagegen fordern wir, daß jedem Volksschullehrer auf Grund seines Abgangszeugnisses vom Seminar die Berechtigung zum Univer¬ sitätsstudium erteilt werde. Neun Jahre ist es her, daß dieser Beschluß gefaßt wurde; und man kann wohl nicht sagen, daß die Ansprüche, die der Deutsche Lehrerverein damit erhoben hat, seitdem aufgegeben oder herabgesetzt worden seien. Neuerdings wieder hat sie Generalsekretär Johannes Teos nachdrücklich vertreten in einem Vortrage, den er auf der Versammlung des Goethebundes in Berlin am 3. De¬ zember 1911 über „die deutsche Volksschule" hielt*). Da ging er von den, *) Abgedruckt in der Sammlung „Die Schule der Zukunft", Buchverlag der Hilfe, Berlin-Schöneberg 1912 (vgl. die Besprechung in den Grenzboten 1913, Heft 5 Seite 213).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/621>, abgerufen am 22.07.2024.