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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Aämpfe unserer Lehrerschaft

!er Zufall hat es gefügt, daß uns im Verlaufe von wenigen
Tagen eine Anzahl von Beiträgen zugegangen ist, die in ihrer
Gesamtheit ein treffendes, wenn auch skizzenhaftes Bild von den
Kämpfen entwerfen, die unsere Lehrerschaft gegenwärtig ausficht,
l Die einzelnen Artikel sind wohl geeignet, einander zu ergänzen
und auch zu beleuchten. Wir hoffen daher den Wünschen unserer Leser entgegenzu¬
kommen, wenn wir, ohne selbst zu allen einzelnen Fragen Stellung zu nehmen,
unsere geschätzten Mitarbeiter im folgenden nacheinander zu Worte kommen
lassen. Uns scheint der Ertrag der Gesamtpublilation für den aufmerksamen
Leser größer zu sein als die Summe der Einzelbetrachtungen. Unbeabsichtigt
hat sich unter unseren Händen eine schöpferische Synthese vollzogen.


Die Schriftleitung.
Die Schule des Lebens

Erich Schlaikjer veröffentlichte jüngst in einer Berliner Tageszeitung einen
Aufsatz unter dem Titel "Die Schule und die nationale Wiedergeburt". Diese
machte er abhängig von einer Reform der Schule, und zwar nannte er die
bestehende die Schule des Todes und die kommende die Schule des Lebens.
Wer von dieser Schule des Lebens etwas zu erfahren wünsche, möge, so riet
er, die vortrefflichen Schriften des Bremer Schulreformers Heinrich Scharrel¬
mann lesen.

Interessant ist es nun zu lesen, auf welchem Wege dieser Reformer zu
einer nationalen Wiedergeburt gelangen will, über den sein jüngstes Buch
"Erlebte Pädagogik" Aufschluß gibt. Seine Ansichten wären bedeutungslos für
das große Publikum, wenn nicht ein großer Teil der Volksschullehrerschaft
wie auf einen pädagogischen Messias auf ihn blickte und auch schon in
mehreren Leserversammlungen, zum ersten Male anläßlich seiner Disziplinierung
in Bremen, Kundgebungen ihm zu Ehren veranstaltet worden wären. So ist
zu befürchten, daß seine Gedanken, auch die, die unserer deutschen Schule und
damit der deutschen Kultur schweren Gefahren entgegentreiben, auf fruchtbaren
Boden fallen und zum Schaden unserer Heimat in die Tat umgesetzt werden.

Scharrelmann, dem niemand Intelligenz, psychologisches Verständnis und
literarische Fähigkeiten absprechen wird, geht in seiner Bekämpfung der alten
Schule so weit, daß er die bisher geübte bewußte Förderung der Vaterlands-




Aämpfe unserer Lehrerschaft

!er Zufall hat es gefügt, daß uns im Verlaufe von wenigen
Tagen eine Anzahl von Beiträgen zugegangen ist, die in ihrer
Gesamtheit ein treffendes, wenn auch skizzenhaftes Bild von den
Kämpfen entwerfen, die unsere Lehrerschaft gegenwärtig ausficht,
l Die einzelnen Artikel sind wohl geeignet, einander zu ergänzen
und auch zu beleuchten. Wir hoffen daher den Wünschen unserer Leser entgegenzu¬
kommen, wenn wir, ohne selbst zu allen einzelnen Fragen Stellung zu nehmen,
unsere geschätzten Mitarbeiter im folgenden nacheinander zu Worte kommen
lassen. Uns scheint der Ertrag der Gesamtpublilation für den aufmerksamen
Leser größer zu sein als die Summe der Einzelbetrachtungen. Unbeabsichtigt
hat sich unter unseren Händen eine schöpferische Synthese vollzogen.


Die Schriftleitung.
Die Schule des Lebens

Erich Schlaikjer veröffentlichte jüngst in einer Berliner Tageszeitung einen
Aufsatz unter dem Titel „Die Schule und die nationale Wiedergeburt". Diese
machte er abhängig von einer Reform der Schule, und zwar nannte er die
bestehende die Schule des Todes und die kommende die Schule des Lebens.
Wer von dieser Schule des Lebens etwas zu erfahren wünsche, möge, so riet
er, die vortrefflichen Schriften des Bremer Schulreformers Heinrich Scharrel¬
mann lesen.

Interessant ist es nun zu lesen, auf welchem Wege dieser Reformer zu
einer nationalen Wiedergeburt gelangen will, über den sein jüngstes Buch
„Erlebte Pädagogik" Aufschluß gibt. Seine Ansichten wären bedeutungslos für
das große Publikum, wenn nicht ein großer Teil der Volksschullehrerschaft
wie auf einen pädagogischen Messias auf ihn blickte und auch schon in
mehreren Leserversammlungen, zum ersten Male anläßlich seiner Disziplinierung
in Bremen, Kundgebungen ihm zu Ehren veranstaltet worden wären. So ist
zu befürchten, daß seine Gedanken, auch die, die unserer deutschen Schule und
damit der deutschen Kultur schweren Gefahren entgegentreiben, auf fruchtbaren
Boden fallen und zum Schaden unserer Heimat in die Tat umgesetzt werden.

Scharrelmann, dem niemand Intelligenz, psychologisches Verständnis und
literarische Fähigkeiten absprechen wird, geht in seiner Bekämpfung der alten
Schule so weit, daß er die bisher geübte bewußte Förderung der Vaterlands-


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[0618] [Abbildung] Aämpfe unserer Lehrerschaft !er Zufall hat es gefügt, daß uns im Verlaufe von wenigen Tagen eine Anzahl von Beiträgen zugegangen ist, die in ihrer Gesamtheit ein treffendes, wenn auch skizzenhaftes Bild von den Kämpfen entwerfen, die unsere Lehrerschaft gegenwärtig ausficht, l Die einzelnen Artikel sind wohl geeignet, einander zu ergänzen und auch zu beleuchten. Wir hoffen daher den Wünschen unserer Leser entgegenzu¬ kommen, wenn wir, ohne selbst zu allen einzelnen Fragen Stellung zu nehmen, unsere geschätzten Mitarbeiter im folgenden nacheinander zu Worte kommen lassen. Uns scheint der Ertrag der Gesamtpublilation für den aufmerksamen Leser größer zu sein als die Summe der Einzelbetrachtungen. Unbeabsichtigt hat sich unter unseren Händen eine schöpferische Synthese vollzogen. Die Schriftleitung. Die Schule des Lebens Erich Schlaikjer veröffentlichte jüngst in einer Berliner Tageszeitung einen Aufsatz unter dem Titel „Die Schule und die nationale Wiedergeburt". Diese machte er abhängig von einer Reform der Schule, und zwar nannte er die bestehende die Schule des Todes und die kommende die Schule des Lebens. Wer von dieser Schule des Lebens etwas zu erfahren wünsche, möge, so riet er, die vortrefflichen Schriften des Bremer Schulreformers Heinrich Scharrel¬ mann lesen. Interessant ist es nun zu lesen, auf welchem Wege dieser Reformer zu einer nationalen Wiedergeburt gelangen will, über den sein jüngstes Buch „Erlebte Pädagogik" Aufschluß gibt. Seine Ansichten wären bedeutungslos für das große Publikum, wenn nicht ein großer Teil der Volksschullehrerschaft wie auf einen pädagogischen Messias auf ihn blickte und auch schon in mehreren Leserversammlungen, zum ersten Male anläßlich seiner Disziplinierung in Bremen, Kundgebungen ihm zu Ehren veranstaltet worden wären. So ist zu befürchten, daß seine Gedanken, auch die, die unserer deutschen Schule und damit der deutschen Kultur schweren Gefahren entgegentreiben, auf fruchtbaren Boden fallen und zum Schaden unserer Heimat in die Tat umgesetzt werden. Scharrelmann, dem niemand Intelligenz, psychologisches Verständnis und literarische Fähigkeiten absprechen wird, geht in seiner Bekämpfung der alten Schule so weit, daß er die bisher geübte bewußte Förderung der Vaterlands-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/618>, abgerufen am 03.07.2024.