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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Friedrich Hebbel als Politiker

Zwecke frei, die berufsmäßige wie die nichtberufsmäßige Börsenspekulation
würde dadurch beseitigt, es käme eine große Ruhe in den gesamten Kapital-
betrieb und da das Gesetz von Werden und Vergehen auch für industrielle
Unternehmungen gilt, so würde dieser unmittelbar wahrzunehmende glückliche
Zustand mit der Zeit fühlbar werden. Aber die Psyche des in der Industrie
arbeitenden Kapitals ist doch eine andere als die des in Grundstücken angelegten
Geldes. Das Expansionsbedürfnis der modernen Industrie mit ihren Riesen¬
aufgaben, ihr Kapitalbedürfnis, ihr Antrieb, ihre Stoßkraft im Konkurrenz¬
kampf, würden solche Fesseln nicht ertragen und da eine übereinstimmende
internationale Regelung ausgeschlossen wäre, so würde das bewegliche Kapital
ins Ausland gehen, das heimische Aufwärtsstreben würde unterbunden sein.
Im Gegensatz dazu ist das Streben des Grundbesitzers örtlich gebunden, der
Expansion nicht fähig, auf die Steigerung des Ertrages der abgegrenzten
Scholle gerichtet und nur darin ist er gesetzlich zu fördern und zu schützen.
Seine Unfähigkeit, Angriffen beweglich auszuweichen, darf nur niemals dazu
führen, diese Schwäche gesetzlich zu Belastungen auszunutzen. Wer eine Be¬
lastung der Bodenwirtschaft würde eben die Bodennormaltaxe nicht
mit sich bringen, vielmehr eine Förderung der Ertragswirtschaft,
eine Erleichterung und Verbilligung der gesamten Gütererzeugung
wie des Umsatzes der Produkte, eine Vermehrung der Umlaufs¬
mittel, eine wesentliche Abnahme der Teuerung, das Ende der
Bodenspekulation.




Friedrich Hebbel als Politiker
Ivalther Lions-Wunschmann von in

chreckensnächte in Hamburg im Mai 1842. Furchtbar lodern
die Flammen der brennenden Stadt gen Himmel. Blutrot ist
alles gefärbt, die Sturmglocken heulen wehklagend durch die
Nacht. Schreiend durchirren obdachlose Menschen, die Hab und
Gut verloren haben, die Stadt. Haus an Haus bricht krachend
zusammen. Wie eine drohende Feuerhand ragt aus den Flammen der alte
Kirchturm hervor, rings umzüngelt von der gierigen Glut, bis zuletzt auch er
mit entsetzlichem Getöse im Feuermeer verschwindet. Ein ganzer Stadtteil ist
zerstört.

Den? furchtbaren Schauspiel folgt ein blasser, schmaler Jüngling. Das
Feuer wütet unweit seiner Wohnung. Er aber sieht mit seinem inneren


Friedrich Hebbel als Politiker

Zwecke frei, die berufsmäßige wie die nichtberufsmäßige Börsenspekulation
würde dadurch beseitigt, es käme eine große Ruhe in den gesamten Kapital-
betrieb und da das Gesetz von Werden und Vergehen auch für industrielle
Unternehmungen gilt, so würde dieser unmittelbar wahrzunehmende glückliche
Zustand mit der Zeit fühlbar werden. Aber die Psyche des in der Industrie
arbeitenden Kapitals ist doch eine andere als die des in Grundstücken angelegten
Geldes. Das Expansionsbedürfnis der modernen Industrie mit ihren Riesen¬
aufgaben, ihr Kapitalbedürfnis, ihr Antrieb, ihre Stoßkraft im Konkurrenz¬
kampf, würden solche Fesseln nicht ertragen und da eine übereinstimmende
internationale Regelung ausgeschlossen wäre, so würde das bewegliche Kapital
ins Ausland gehen, das heimische Aufwärtsstreben würde unterbunden sein.
Im Gegensatz dazu ist das Streben des Grundbesitzers örtlich gebunden, der
Expansion nicht fähig, auf die Steigerung des Ertrages der abgegrenzten
Scholle gerichtet und nur darin ist er gesetzlich zu fördern und zu schützen.
Seine Unfähigkeit, Angriffen beweglich auszuweichen, darf nur niemals dazu
führen, diese Schwäche gesetzlich zu Belastungen auszunutzen. Wer eine Be¬
lastung der Bodenwirtschaft würde eben die Bodennormaltaxe nicht
mit sich bringen, vielmehr eine Förderung der Ertragswirtschaft,
eine Erleichterung und Verbilligung der gesamten Gütererzeugung
wie des Umsatzes der Produkte, eine Vermehrung der Umlaufs¬
mittel, eine wesentliche Abnahme der Teuerung, das Ende der
Bodenspekulation.




Friedrich Hebbel als Politiker
Ivalther Lions-Wunschmann von in

chreckensnächte in Hamburg im Mai 1842. Furchtbar lodern
die Flammen der brennenden Stadt gen Himmel. Blutrot ist
alles gefärbt, die Sturmglocken heulen wehklagend durch die
Nacht. Schreiend durchirren obdachlose Menschen, die Hab und
Gut verloren haben, die Stadt. Haus an Haus bricht krachend
zusammen. Wie eine drohende Feuerhand ragt aus den Flammen der alte
Kirchturm hervor, rings umzüngelt von der gierigen Glut, bis zuletzt auch er
mit entsetzlichem Getöse im Feuermeer verschwindet. Ein ganzer Stadtteil ist
zerstört.

Den? furchtbaren Schauspiel folgt ein blasser, schmaler Jüngling. Das
Feuer wütet unweit seiner Wohnung. Er aber sieht mit seinem inneren


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[0027] Friedrich Hebbel als Politiker Zwecke frei, die berufsmäßige wie die nichtberufsmäßige Börsenspekulation würde dadurch beseitigt, es käme eine große Ruhe in den gesamten Kapital- betrieb und da das Gesetz von Werden und Vergehen auch für industrielle Unternehmungen gilt, so würde dieser unmittelbar wahrzunehmende glückliche Zustand mit der Zeit fühlbar werden. Aber die Psyche des in der Industrie arbeitenden Kapitals ist doch eine andere als die des in Grundstücken angelegten Geldes. Das Expansionsbedürfnis der modernen Industrie mit ihren Riesen¬ aufgaben, ihr Kapitalbedürfnis, ihr Antrieb, ihre Stoßkraft im Konkurrenz¬ kampf, würden solche Fesseln nicht ertragen und da eine übereinstimmende internationale Regelung ausgeschlossen wäre, so würde das bewegliche Kapital ins Ausland gehen, das heimische Aufwärtsstreben würde unterbunden sein. Im Gegensatz dazu ist das Streben des Grundbesitzers örtlich gebunden, der Expansion nicht fähig, auf die Steigerung des Ertrages der abgegrenzten Scholle gerichtet und nur darin ist er gesetzlich zu fördern und zu schützen. Seine Unfähigkeit, Angriffen beweglich auszuweichen, darf nur niemals dazu führen, diese Schwäche gesetzlich zu Belastungen auszunutzen. Wer eine Be¬ lastung der Bodenwirtschaft würde eben die Bodennormaltaxe nicht mit sich bringen, vielmehr eine Förderung der Ertragswirtschaft, eine Erleichterung und Verbilligung der gesamten Gütererzeugung wie des Umsatzes der Produkte, eine Vermehrung der Umlaufs¬ mittel, eine wesentliche Abnahme der Teuerung, das Ende der Bodenspekulation. Friedrich Hebbel als Politiker Ivalther Lions-Wunschmann von in chreckensnächte in Hamburg im Mai 1842. Furchtbar lodern die Flammen der brennenden Stadt gen Himmel. Blutrot ist alles gefärbt, die Sturmglocken heulen wehklagend durch die Nacht. Schreiend durchirren obdachlose Menschen, die Hab und Gut verloren haben, die Stadt. Haus an Haus bricht krachend zusammen. Wie eine drohende Feuerhand ragt aus den Flammen der alte Kirchturm hervor, rings umzüngelt von der gierigen Glut, bis zuletzt auch er mit entsetzlichem Getöse im Feuermeer verschwindet. Ein ganzer Stadtteil ist zerstört. Den? furchtbaren Schauspiel folgt ein blasser, schmaler Jüngling. Das Feuer wütet unweit seiner Wohnung. Er aber sieht mit seinem inneren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/27>, abgerufen am 27.06.2024.