Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.Die Zukunft der Kdeikommisse Regierungsrat von Gottbor von an begegnet oft der Ansicht, daß die Fideikommisse dem heutigen Der anscheinende Widerspruch erklärt sich so: einerseits verurteilt man -- Daß die Eigenart des landwirtschaftlichen Betriebes besondere Vererbungs¬ Die Zukunft der Kdeikommisse Regierungsrat von Gottbor von an begegnet oft der Ansicht, daß die Fideikommisse dem heutigen Der anscheinende Widerspruch erklärt sich so: einerseits verurteilt man — Daß die Eigenart des landwirtschaftlichen Betriebes besondere Vererbungs¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0324" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322726"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341895_322400/figures/grenzboten_341895_322400_322726_000.jpg"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Die Zukunft der Kdeikommisse<lb/><note type="byline"> Regierungsrat von Gottbor</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_1518"> an begegnet oft der Ansicht, daß die Fideikommisse dem heutigen<lb/> Geist durchaus widersprächen. Und doch liest man dann wieder:<lb/> wer sieht, wie die Landgüter immer schneller die Herren wechseln,<lb/> wie schon längst die Landwirtschaft bloßer Erwerb geworden ist,<lb/> der muß wohl wünschen, daß diese wenigen alten Bande nicht<lb/> auch noch gelockert werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1519"> Der anscheinende Widerspruch erklärt sich so: einerseits verurteilt man —<lb/> und zwar mit Recht — den übergroßen spekulativen Besitzwechsel, der in unsrer<lb/> Landwirtschaft seit einigen Jahren eingenssen ist, anderseits will die heutige<lb/> alles nivellierende Zeit nichts mehr wissen von einem Sonderrecht, von der<lb/> „Sicherung des Glanzes" einer — meist adligen — Familie, mit der man zu<lb/> landrechtlicher Zeit die Einrichtung der Fideikommisse begründete. Dabei über¬<lb/> sieht man aber eins: Das Fideikommißwesen ist längst hinausgewachsen über<lb/> den einstigen privatrechtlichen Rahmen; es hat heute in sehr hohem Grade<lb/> volkswirtschaftliche, übrigens aber auch staatsrechtliche Bedeutung gewonnen<lb/> (Herrenhanswahlen); und vielleicht steht heilte ini Vordergrund die (agrarisch-)<lb/> politische Bedeutung, die unter dem absoluten Königtum noch fehlte oder doch<lb/> von anderer Art war. Wenn man also die Berechtigung des Fideikommiß-<lb/> wesens heute beurteilt, so sollte man nicht mehr lediglich private und<lb/> familiäre, sondern auch volks- und staatswirtschaftliche, ja selbst politische<lb/> Gesichtspunkte in Rechnung ziehen. Es wäre ein staatsmännischer Fehler, wollte<lb/> man ein Institut, das nach anderthalbhnndertjährigem unverändertem Bestehen<lb/> ja allerdings der zeitgemäßen Reform bedarf, ohne eingehende und sachliche<lb/> Prüfung den leidenschaftlichen Angriffen opfern, die sich von Zeit zu Zeit in<lb/> agrarfeindlichcn Blättern erheben. Der parteilose und nüchterne Blick wird den<lb/> guten Kern nicht übersehen, den diese Einrichtung auch für die heutigen Ver¬<lb/> hältnisse trotz einiger Rückständigkeiten noch hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1520" next="#ID_1521"> Daß die Eigenart des landwirtschaftlichen Betriebes besondere Vererbungs¬<lb/> grundsätze bedingt, ist von jeher anerkannt worden. Dabei tritt ein Haupterfordernis<lb/> wesentlich in den Vordergrund, das gleichzeitig privatwirtschaftliche und volks-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0324]
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Die Zukunft der Kdeikommisse
Regierungsrat von Gottbor von
an begegnet oft der Ansicht, daß die Fideikommisse dem heutigen
Geist durchaus widersprächen. Und doch liest man dann wieder:
wer sieht, wie die Landgüter immer schneller die Herren wechseln,
wie schon längst die Landwirtschaft bloßer Erwerb geworden ist,
der muß wohl wünschen, daß diese wenigen alten Bande nicht
auch noch gelockert werden.
Der anscheinende Widerspruch erklärt sich so: einerseits verurteilt man —
und zwar mit Recht — den übergroßen spekulativen Besitzwechsel, der in unsrer
Landwirtschaft seit einigen Jahren eingenssen ist, anderseits will die heutige
alles nivellierende Zeit nichts mehr wissen von einem Sonderrecht, von der
„Sicherung des Glanzes" einer — meist adligen — Familie, mit der man zu
landrechtlicher Zeit die Einrichtung der Fideikommisse begründete. Dabei über¬
sieht man aber eins: Das Fideikommißwesen ist längst hinausgewachsen über
den einstigen privatrechtlichen Rahmen; es hat heute in sehr hohem Grade
volkswirtschaftliche, übrigens aber auch staatsrechtliche Bedeutung gewonnen
(Herrenhanswahlen); und vielleicht steht heilte ini Vordergrund die (agrarisch-)
politische Bedeutung, die unter dem absoluten Königtum noch fehlte oder doch
von anderer Art war. Wenn man also die Berechtigung des Fideikommiß-
wesens heute beurteilt, so sollte man nicht mehr lediglich private und
familiäre, sondern auch volks- und staatswirtschaftliche, ja selbst politische
Gesichtspunkte in Rechnung ziehen. Es wäre ein staatsmännischer Fehler, wollte
man ein Institut, das nach anderthalbhnndertjährigem unverändertem Bestehen
ja allerdings der zeitgemäßen Reform bedarf, ohne eingehende und sachliche
Prüfung den leidenschaftlichen Angriffen opfern, die sich von Zeit zu Zeit in
agrarfeindlichcn Blättern erheben. Der parteilose und nüchterne Blick wird den
guten Kern nicht übersehen, den diese Einrichtung auch für die heutigen Ver¬
hältnisse trotz einiger Rückständigkeiten noch hat.
Daß die Eigenart des landwirtschaftlichen Betriebes besondere Vererbungs¬
grundsätze bedingt, ist von jeher anerkannt worden. Dabei tritt ein Haupterfordernis
wesentlich in den Vordergrund, das gleichzeitig privatwirtschaftliche und volks-
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