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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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militärische Gesichtspunkte den Ausschlag geben,
wie solches analog in allen anderen Berufen
der Fall ist. Andernfalls geraten wir noch
mehr in Vetternwirtschaft hinein und das
Niveau unseres Offizierskorps musz sinken,
da die halbtauglichen den vollwertigen den
Weg versperren. Auch sonstige Neigungen,
die der Armee nicht förderlich sein können,
werden durch das Vorhandensein zu zahl¬
reicher Ruheposten unnötig und unmerklich
gefördert. So: das auf eine "anständige
Weise Loswerden", das u. a. auch bei Ver¬
setzungen von der Garde zur Linie eine nicht
gerade erfreuliche Rolle spielt! Vielfach übt
auch eine übertriebene und kurzsichtige
Kameradschaftlichkeit ihren Zwang. Die
Regimentskommandeure suchen oft genug junge
körperlich verunglückte Offiziere zu hindern,
den Abschied zu nehmen, wenn sie sonst
tüchtig gewesen sind. Der lebenskluge Oberst
kennt die Gefahren, die der verabschiedete
Offizier im Kampf ums Dasein zu bestehen
hat und die Hoffnung den jungen Kameraden
bis zur Majorspension durchzuschleppen ist
oft genug gerade der Anlaß dafür, daß junge
Leute sich sogar glänzende Zukunftsmöglich¬
keiten verderben. Es würde an dieser Stelle
zu weit führen, diesen Gedanken weiter aus-
zuspinnen; nur auf eine Beobachtung sei hin¬
gewiesen: ist es nicht eigentümlich, daß gerade
unter den verabschiedeten Offizieren der höheren
Grade trotz der erreichten höheren Pensionen
die politische Unzufriedenheit oft krassere For¬
men annimmt, wie bei den in jungen Jahren
verabschiedeten Offizieren? Der ganze Grund
für diese Erscheinung liegt in der Tatsache, daß
der Mann unter dreißig stets noch befähigt sein
wird, sich eine Lebensstellung zu schaffen, der
aus seinem Beruf herausgerissene Mann über
vierzig aber nicht. Man nehme den Re¬
gimentskommandeuren die Möglichkeit, nicht
ganz felddienstfähige Offiziere in großer Zahl
durchzukrümpern. Das aber kann am wirk¬
samsten geschehen durch Beseitigung der Be¬
zirkskommandeur- und Offizierstellen als
Ruheposten.

Wird man dennoch den Bezirksoffizier-
Posten für manche Offiziere als Schluß der
Laufbahn im Heere ins Auge fassen müssen,
so sollte der Bezirkskommimdenr unter keinen
Umständen -- von Zufälligkeiten natürlich

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abgesehen -- das Ende einer Offizierslauf¬
bahn bilden. Die Stellung als Bezirks¬
kommandeur sollte vielmehr einen Teil der
Vorbereitung für den Negimentskommandenr
ausmachen. Gegenwärtig wird die Vorbereitung
durch den Oberstleutnant beim Stäbe ge¬
wonnen. Das scheint mir eine Kräftever¬
geudung. Der frische, tatenfrohe Stabs¬
offizier, der selbst noch den Feldmarschallstab
im Tornister trägt, hat ein ganz anderes
Interesse an den: Zusammenhalt zwischen
Station und Armee, als der Oberst z. D., der
von seinem Bezirkskommando aus sorgenvoll
ins Zivilleben blickt. Der Bezirkskommandeur,
der die Aussicht hat später einmal noch ein
Regiment, ja sogar ein Armeekorps zu
kommandieren, wird auch in seinein Bezirk
eine erheblich größere Autorität ausüben, als
der alternde Stabsoffizier, der womöglich
schon mit einem Privatmann seines Bezirks
unterhandelt wegen Übernahme einer Agen¬
tur .....

Das sind Erwägungen und Positive Vor¬
schläge, die sich aus den Verhandlungen zu
Ratibor ergeben. Es bleibt nur noch eine
Frage übrig, die seitens der Armeeleitung
öffentlich und ohne Rückhalt und Verklausu¬
lierung beantwortet werden muß: Ist die
von einem Vorgesetzten im ehrengerichtlichen
Verfahren ausgesprochene Lüge strafbar?
Nach dem Prozeßbericht soll der frühere Kom¬
mandeur des ö. Armeekorps dienstlich erklärt
haben, daß die Lüge des Vorgesetzten nicht
kriminell sei. Ist das richtig? Sollte es
richtig sein und sollte wirklich jeder Vor¬
gesetzte vor dem Ehrengericht zur Lüge greifen
dürfen, um den ihm unbequemen untergebenen
"Kameraden" beseitigen zu können, dann wäre
es die allerhöchste Zeit, daß gerade die
nationale Presse und die nationalen Par¬
teien eingriffen, um solchem ungeheuern
Mißstand ein Ende zu bereiten. Denn eine
solche Auffassung wäre gleichbedeutend mit
einer Vergiftung der Armee und einer Zer¬
störung ihres Rückgrats, der Kameradschaft.

G. Li.
Literatur

Zwei Kimstlerromanc. Der Künstler¬
roman der Romantiker war aus einem Gefühl
schwärmerischerBerehrung für den geschilderten

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Grenzboten III 1912
Maßgebliches und Unmaßgebliches

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militärische Gesichtspunkte den Ausschlag geben,
wie solches analog in allen anderen Berufen
der Fall ist. Andernfalls geraten wir noch
mehr in Vetternwirtschaft hinein und das
Niveau unseres Offizierskorps musz sinken,
da die halbtauglichen den vollwertigen den
Weg versperren. Auch sonstige Neigungen,
die der Armee nicht förderlich sein können,
werden durch das Vorhandensein zu zahl¬
reicher Ruheposten unnötig und unmerklich
gefördert. So: das auf eine „anständige
Weise Loswerden", das u. a. auch bei Ver¬
setzungen von der Garde zur Linie eine nicht
gerade erfreuliche Rolle spielt! Vielfach übt
auch eine übertriebene und kurzsichtige
Kameradschaftlichkeit ihren Zwang. Die
Regimentskommandeure suchen oft genug junge
körperlich verunglückte Offiziere zu hindern,
den Abschied zu nehmen, wenn sie sonst
tüchtig gewesen sind. Der lebenskluge Oberst
kennt die Gefahren, die der verabschiedete
Offizier im Kampf ums Dasein zu bestehen
hat und die Hoffnung den jungen Kameraden
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keiten verderben. Es würde an dieser Stelle
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zuspinnen; nur auf eine Beobachtung sei hin¬
gewiesen: ist es nicht eigentümlich, daß gerade
unter den verabschiedeten Offizieren der höheren
Grade trotz der erreichten höheren Pensionen
die politische Unzufriedenheit oft krassere For¬
men annimmt, wie bei den in jungen Jahren
verabschiedeten Offizieren? Der ganze Grund
für diese Erscheinung liegt in der Tatsache, daß
der Mann unter dreißig stets noch befähigt sein
wird, sich eine Lebensstellung zu schaffen, der
aus seinem Beruf herausgerissene Mann über
vierzig aber nicht. Man nehme den Re¬
gimentskommandeuren die Möglichkeit, nicht
ganz felddienstfähige Offiziere in großer Zahl
durchzukrümpern. Das aber kann am wirk¬
samsten geschehen durch Beseitigung der Be¬
zirkskommandeur- und Offizierstellen als
Ruheposten.

Wird man dennoch den Bezirksoffizier-
Posten für manche Offiziere als Schluß der
Laufbahn im Heere ins Auge fassen müssen,
so sollte der Bezirkskommimdenr unter keinen
Umständen — von Zufälligkeiten natürlich

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abgesehen — das Ende einer Offizierslauf¬
bahn bilden. Die Stellung als Bezirks¬
kommandeur sollte vielmehr einen Teil der
Vorbereitung für den Negimentskommandenr
ausmachen. Gegenwärtig wird die Vorbereitung
durch den Oberstleutnant beim Stäbe ge¬
wonnen. Das scheint mir eine Kräftever¬
geudung. Der frische, tatenfrohe Stabs¬
offizier, der selbst noch den Feldmarschallstab
im Tornister trägt, hat ein ganz anderes
Interesse an den: Zusammenhalt zwischen
Station und Armee, als der Oberst z. D., der
von seinem Bezirkskommando aus sorgenvoll
ins Zivilleben blickt. Der Bezirkskommandeur,
der die Aussicht hat später einmal noch ein
Regiment, ja sogar ein Armeekorps zu
kommandieren, wird auch in seinein Bezirk
eine erheblich größere Autorität ausüben, als
der alternde Stabsoffizier, der womöglich
schon mit einem Privatmann seines Bezirks
unterhandelt wegen Übernahme einer Agen¬
tur .....

Das sind Erwägungen und Positive Vor¬
schläge, die sich aus den Verhandlungen zu
Ratibor ergeben. Es bleibt nur noch eine
Frage übrig, die seitens der Armeeleitung
öffentlich und ohne Rückhalt und Verklausu¬
lierung beantwortet werden muß: Ist die
von einem Vorgesetzten im ehrengerichtlichen
Verfahren ausgesprochene Lüge strafbar?
Nach dem Prozeßbericht soll der frühere Kom¬
mandeur des ö. Armeekorps dienstlich erklärt
haben, daß die Lüge des Vorgesetzten nicht
kriminell sei. Ist das richtig? Sollte es
richtig sein und sollte wirklich jeder Vor¬
gesetzte vor dem Ehrengericht zur Lüge greifen
dürfen, um den ihm unbequemen untergebenen
„Kameraden" beseitigen zu können, dann wäre
es die allerhöchste Zeit, daß gerade die
nationale Presse und die nationalen Par¬
teien eingriffen, um solchem ungeheuern
Mißstand ein Ende zu bereiten. Denn eine
solche Auffassung wäre gleichbedeutend mit
einer Vergiftung der Armee und einer Zer¬
störung ihres Rückgrats, der Kameradschaft.

G. Li.
Literatur

Zwei Kimstlerromanc. Der Künstler¬
roman der Romantiker war aus einem Gefühl
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Grenzboten III 1912
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/489>, abgerufen am 29.06.2024.