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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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ist fast zwingend." Da hört doch alles auf,
möchte man hierzu sagen. Zu erwidern ist
allgemein, daß sich Fragen der Abstammung
ganz ausschließlich auf dem Wege wissenschaft¬
licher, familiengeschichtlicher Forschung lösen
lassen. Weder kann man aus undeutschen
Bornamen oder aus fremdländischen! Aus¬
sehen oder aus "Ausländerei" auf nicht¬
christlich-germanische, sondern jüdisch-semi¬
tische Abstammungen schließen, noch auf
unwissenschaftlichen Wege, wie die "Semi¬
gotha" ihn eingeschlagen hat, zu richtigen
Ergebnissen für die Rassenforschung gelangen.
Zu dem Sonderfall Biedermann habe ich zu
erklären, daß mir der familiengeschichtliche
Stoff über die Herkunft dieses, im Jahre
1802 in den Neichsfreiherrenstand gelangten
Geschlechtes borliegt, der bis zum Jahre 1533
zurückgeht. Ein in diesem Jahre zum ersten
Male urkundlich, und zwar zu Chemnitz, ge¬
nannter Blasius Biedermann ist darin als
Ahnherr des Freiherrn von 1802 nachgewiesen,
und dieser Blasius war: Bäcker, und sein
Sohn Gregor: Bürger zu Chemnitz, womit
mindestens erwiesen ist, daß beide nicht Juden
waren. Es folgen dann mehrere Geschlechts¬
folgen, immer vom Vater auf den Sohn, von
Bäckern und Bürgern zu Chemnitz, bis mit
dem Magister Joh. Wilhelm Biedermann, der
als Diakonus zu Geyer und "Wohlehrwür¬
digen Ministerii der Annabergischen Diöces
Senior" im Jahre 1754 gestorben ist. Die
"Gelehrten" des "Seniigotha" und mit ihnen
die deutschen Literaturfreunde können sich also
beruhigen: dieses Geschlecht Biedermann und
mit ihn> der Freiherr Woldemar, der rühm¬
lichst bekannte Goetheforscher und Pietätvolle
Sammler von "Goeches Gesprächen",gestorben
1903, Vater des oben genannten Freiherrn
Flodoard, sind sicher im Mannesstamme, und
nur um diesen handelt es sich vorläufig
hier, rein christlich-germanischer Abstammung.

Konnte man nun bei diesen beiden Artikeln,
wenn auch mit einer gewissen Mühe, an einen
"guten Glauben" des "Semigotha" noch
denken, so erscheint dieser bei dem Artikel
über Hansemann beinahe ganz ausgeschlossen.
Zum mindesten ist die Fahrlässigkeit hier so
grob, daß sie ebenso schlimm ist, wie bewußte,
böse Absicht. Es handelt sich um David
Hansemann, geboren 1790, gestorben 1864,

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den bekannten königlich Preußischen inaktiven
Finanzminister, Präsidenten der Seehandlung
und der Preußischen Bank, Begründer der
Diskonto-Gesellschaft, dessen Sohn Adolf
(Geh. Kommerzienrat, gestorben 1993) im
Jahre 1872 und dessen anderer Sohn Gustav
im Jahre 1901 den Preußischen Erbadel er¬
hielten. Mutig behauptet der "Semigotha",
diese Hansemann stammten: "ausdemStamme
Jubel", und dann wird in bezug auf David
dem Leser die alte Mär aufgetischt, die aber
dadurch nicht richtiger wird und nie richtig
werden wird, genannter David Hansemann
sei ein zu Finkenwerder bei Hamburg am
12. Juli 1790 geborener "jüdischer Knabe"
gewesen, den ein "Pastor Hansemann in
Aachen adoptiert" habe! Diese alte Mär ist
aber längst widerlegt, der Taufschein ist sogar
veröffentlicht: David war der leibliche Sohn
seines angeblichen Adoptivvaters Eberhard
Ludwig, Pastors zu Finkenwerder, dann zu
Heiligenfelde, und letzterer war der Enkel eines
Fasanenmeisters Lorenz Hansemann zu Pots¬
dam, geboren 1733, bei dem nicht der geringste
Anhalt dafür vorliegt, daß er jüdischer Ab¬
stammung gewesen sei. Der "Semigotha"
hat aber eine andere Logik: David und Adolf
Hansemann waren Finanzgenies, also müssen
sie semitischer Abstammung gewesen sein I

Dr. Stephan Keknlo von Stradonitz-
schöne Literatur
Lcidensgediichtnis, das sind die Denk¬
würdigkeiten der Gräfin zu Schleswig-Holstein
Leonora Christina, vermählten Gräfin Ulfeldt,
aus ihrer Gefangenschaft im Blauen Turme
des Königsschlosses zu Kopenhagen 1663 bis
1635. -- Bearbeitet und herausgegeben von
Clara Pricß. Leipzig, Inselverlag. M. 5.

Leonora Christina, Tochter König Christians
des Vierten von Dänemark und Gattin des
gewaltigsten und hochfahrendsten Reichshof¬
meisters, den das dänische Königreich je be¬
sessen, legt in dem vorliegenden Buche ihr
Leben und Leiden während einer fast zwei-
undzwanzigjährigen Gefangenschaft nach dem
Sturze ihres in himmelstürmender Ehrsucht
sich selbst verlierenden Gatten zur Erinnerung
für ihre Kinder nieder. Leonora Christina
ist ein Tatmensch in des Wortes bester Be¬
deutung. Ihr Bild zeigt feingeschnittene, euer-

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lassen. Weder kann man aus undeutschen
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sehen oder aus „Ausländerei" auf nicht¬
christlich-germanische, sondern jüdisch-semi¬
tische Abstammungen schließen, noch auf
unwissenschaftlichen Wege, wie die „Semi¬
gotha" ihn eingeschlagen hat, zu richtigen
Ergebnissen für die Rassenforschung gelangen.
Zu dem Sonderfall Biedermann habe ich zu
erklären, daß mir der familiengeschichtliche
Stoff über die Herkunft dieses, im Jahre
1802 in den Neichsfreiherrenstand gelangten
Geschlechtes borliegt, der bis zum Jahre 1533
zurückgeht. Ein in diesem Jahre zum ersten
Male urkundlich, und zwar zu Chemnitz, ge¬
nannter Blasius Biedermann ist darin als
Ahnherr des Freiherrn von 1802 nachgewiesen,
und dieser Blasius war: Bäcker, und sein
Sohn Gregor: Bürger zu Chemnitz, womit
mindestens erwiesen ist, daß beide nicht Juden
waren. Es folgen dann mehrere Geschlechts¬
folgen, immer vom Vater auf den Sohn, von
Bäckern und Bürgern zu Chemnitz, bis mit
dem Magister Joh. Wilhelm Biedermann, der
als Diakonus zu Geyer und „Wohlehrwür¬
digen Ministerii der Annabergischen Diöces
Senior" im Jahre 1754 gestorben ist. Die
„Gelehrten" des „Seniigotha" und mit ihnen
die deutschen Literaturfreunde können sich also
beruhigen: dieses Geschlecht Biedermann und
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lichst bekannte Goetheforscher und Pietätvolle
Sammler von „Goeches Gesprächen",gestorben
1903, Vater des oben genannten Freiherrn
Flodoard, sind sicher im Mannesstamme, und
nur um diesen handelt es sich vorläufig
hier, rein christlich-germanischer Abstammung.

Konnte man nun bei diesen beiden Artikeln,
wenn auch mit einer gewissen Mühe, an einen
„guten Glauben" des „Semigotha" noch
denken, so erscheint dieser bei dem Artikel
über Hansemann beinahe ganz ausgeschlossen.
Zum mindesten ist die Fahrlässigkeit hier so
grob, daß sie ebenso schlimm ist, wie bewußte,
böse Absicht. Es handelt sich um David
Hansemann, geboren 1790, gestorben 1864,

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den bekannten königlich Preußischen inaktiven
Finanzminister, Präsidenten der Seehandlung
und der Preußischen Bank, Begründer der
Diskonto-Gesellschaft, dessen Sohn Adolf
(Geh. Kommerzienrat, gestorben 1993) im
Jahre 1872 und dessen anderer Sohn Gustav
im Jahre 1901 den Preußischen Erbadel er¬
hielten. Mutig behauptet der „Semigotha",
diese Hansemann stammten: „ausdemStamme
Jubel", und dann wird in bezug auf David
dem Leser die alte Mär aufgetischt, die aber
dadurch nicht richtiger wird und nie richtig
werden wird, genannter David Hansemann
sei ein zu Finkenwerder bei Hamburg am
12. Juli 1790 geborener „jüdischer Knabe"
gewesen, den ein „Pastor Hansemann in
Aachen adoptiert" habe! Diese alte Mär ist
aber längst widerlegt, der Taufschein ist sogar
veröffentlicht: David war der leibliche Sohn
seines angeblichen Adoptivvaters Eberhard
Ludwig, Pastors zu Finkenwerder, dann zu
Heiligenfelde, und letzterer war der Enkel eines
Fasanenmeisters Lorenz Hansemann zu Pots¬
dam, geboren 1733, bei dem nicht der geringste
Anhalt dafür vorliegt, daß er jüdischer Ab¬
stammung gewesen sei. Der „Semigotha"
hat aber eine andere Logik: David und Adolf
Hansemann waren Finanzgenies, also müssen
sie semitischer Abstammung gewesen sein I

Dr. Stephan Keknlo von Stradonitz-
schöne Literatur
Lcidensgediichtnis, das sind die Denk¬
würdigkeiten der Gräfin zu Schleswig-Holstein
Leonora Christina, vermählten Gräfin Ulfeldt,
aus ihrer Gefangenschaft im Blauen Turme
des Königsschlosses zu Kopenhagen 1663 bis
1635. — Bearbeitet und herausgegeben von
Clara Pricß. Leipzig, Inselverlag. M. 5.

Leonora Christina, Tochter König Christians
des Vierten von Dänemark und Gattin des
gewaltigsten und hochfahrendsten Reichshof¬
meisters, den das dänische Königreich je be¬
sessen, legt in dem vorliegenden Buche ihr
Leben und Leiden während einer fast zwei-
undzwanzigjährigen Gefangenschaft nach dem
Sturze ihres in himmelstürmender Ehrsucht
sich selbst verlierenden Gatten zur Erinnerung
für ihre Kinder nieder. Leonora Christina
ist ein Tatmensch in des Wortes bester Be¬
deutung. Ihr Bild zeigt feingeschnittene, euer-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/293>, abgerufen am 29.06.2024.