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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Ile Futuristen

Die vielen Gradationen u. Formalitäten werden Preußen dann wohl eine
passende Gelegenheit des Ausscheidens bieten. Bis dahin ist Preußens Auf¬
gabe, die "der erkannten Wahrheit u. Ueberzeugung nichts zu vergeben, sondern
dieselben unumwunden, furchtlos und ehrlich auszusprechen".

Die Frage, ob beide Länder Einen oder zwei Staaten bilden sollen?
mag ich nicht entscheiden. Ich neige bestimmt für die Einheit, es werde mich
freuen, wenn sie beliebt wird. Wird das Gegentheil beschlossen, so tröst' ich
mich leicht darüber, denn das ist, wie mir bedünkt, recht eigentlich eine Con-
venienzsrage, räumet. für Rußland u. Oestreich, u. werde ich Sie, lieber Louis,
darüber später noch instruiren lassen. Meine Lonäitiv sine qua non kann
mit Trennung u. Vereinigung zu gleichem Maaße erfüllt, zu gleichem
Maaße verworfen werden. Vate.


F. W.


Die Futuristen
Dr. u?. Warstat- von

cum man die Bilder der Futuristen zum ersten Male sieht und
die stolz-verstiegenen Phrasen ihres Manifestes durchliest, die hinter
einer Fülle von gewollt hochtrabenden, teils aber auch rührend
unbehilflichen Worten die künstlerischen Ziele dieser neuesten
Propheten der Bewegung mehr verhüllen als klarlegen, so ist
man geneigt, mit einem Lächeln und Achselzucken an beidem vorüberzugehen.
Ich habe allerdings auch schon Leute gesehen, die unter lautem Lachen ihren
Spott mit den rätselhaften Bildern trieben und die durch pathetische Dekla¬
mation der Phrasen aus dem Manifeste die Lächerlichkeit und Ungereimtheit
mancher dieser Ergüsse sehr gut zum Ausdruck zu bringen wußten.

Hohn und Spott ist auch der Grundton der meisten Äußerungen, die über
die Futuristen in die Öffentlichkeit gelangt sind. Und die jungen Maler, von
denen "die ältesten dreißig Jahre alt sind", haben diesen Spott selber heraus¬
gefordert, nicht nur durch die lächerlichen Übertreibungen ihres Prinzips --
genaueste Beobachtung und Darstellung aller Einzelphasen in der Bewegung --,
sondern auch durch die allzu kämpferische Art ihres Auftretens. Aller¬
dings -- künstlerischer Sturm und Drang ist ja stets gleichbedeutend mit dem
Kampf gegen das Alte, Gewohnte, Festgegründete. Das Neue braucht Platz
und glaubt diesen Platz an der Sonne sich nur aus Kosten des Alten und
Anerkannten erkämpfen zu können. Diese Erscheinung ist uns zwar längst aus
der Geschichte aller Künste bekannt; dennoch aber sind wir nicht imstande, sins


Ile Futuristen

Die vielen Gradationen u. Formalitäten werden Preußen dann wohl eine
passende Gelegenheit des Ausscheidens bieten. Bis dahin ist Preußens Auf¬
gabe, die „der erkannten Wahrheit u. Ueberzeugung nichts zu vergeben, sondern
dieselben unumwunden, furchtlos und ehrlich auszusprechen".

Die Frage, ob beide Länder Einen oder zwei Staaten bilden sollen?
mag ich nicht entscheiden. Ich neige bestimmt für die Einheit, es werde mich
freuen, wenn sie beliebt wird. Wird das Gegentheil beschlossen, so tröst' ich
mich leicht darüber, denn das ist, wie mir bedünkt, recht eigentlich eine Con-
venienzsrage, räumet. für Rußland u. Oestreich, u. werde ich Sie, lieber Louis,
darüber später noch instruiren lassen. Meine Lonäitiv sine qua non kann
mit Trennung u. Vereinigung zu gleichem Maaße erfüllt, zu gleichem
Maaße verworfen werden. Vate.


F. W.


Die Futuristen
Dr. u?. Warstat- von

cum man die Bilder der Futuristen zum ersten Male sieht und
die stolz-verstiegenen Phrasen ihres Manifestes durchliest, die hinter
einer Fülle von gewollt hochtrabenden, teils aber auch rührend
unbehilflichen Worten die künstlerischen Ziele dieser neuesten
Propheten der Bewegung mehr verhüllen als klarlegen, so ist
man geneigt, mit einem Lächeln und Achselzucken an beidem vorüberzugehen.
Ich habe allerdings auch schon Leute gesehen, die unter lautem Lachen ihren
Spott mit den rätselhaften Bildern trieben und die durch pathetische Dekla¬
mation der Phrasen aus dem Manifeste die Lächerlichkeit und Ungereimtheit
mancher dieser Ergüsse sehr gut zum Ausdruck zu bringen wußten.

Hohn und Spott ist auch der Grundton der meisten Äußerungen, die über
die Futuristen in die Öffentlichkeit gelangt sind. Und die jungen Maler, von
denen „die ältesten dreißig Jahre alt sind", haben diesen Spott selber heraus¬
gefordert, nicht nur durch die lächerlichen Übertreibungen ihres Prinzips —
genaueste Beobachtung und Darstellung aller Einzelphasen in der Bewegung —,
sondern auch durch die allzu kämpferische Art ihres Auftretens. Aller¬
dings — künstlerischer Sturm und Drang ist ja stets gleichbedeutend mit dem
Kampf gegen das Alte, Gewohnte, Festgegründete. Das Neue braucht Platz
und glaubt diesen Platz an der Sonne sich nur aus Kosten des Alten und
Anerkannten erkämpfen zu können. Diese Erscheinung ist uns zwar längst aus
der Geschichte aller Künste bekannt; dennoch aber sind wir nicht imstande, sins


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[0222] Ile Futuristen Die vielen Gradationen u. Formalitäten werden Preußen dann wohl eine passende Gelegenheit des Ausscheidens bieten. Bis dahin ist Preußens Auf¬ gabe, die „der erkannten Wahrheit u. Ueberzeugung nichts zu vergeben, sondern dieselben unumwunden, furchtlos und ehrlich auszusprechen". Die Frage, ob beide Länder Einen oder zwei Staaten bilden sollen? mag ich nicht entscheiden. Ich neige bestimmt für die Einheit, es werde mich freuen, wenn sie beliebt wird. Wird das Gegentheil beschlossen, so tröst' ich mich leicht darüber, denn das ist, wie mir bedünkt, recht eigentlich eine Con- venienzsrage, räumet. für Rußland u. Oestreich, u. werde ich Sie, lieber Louis, darüber später noch instruiren lassen. Meine Lonäitiv sine qua non kann mit Trennung u. Vereinigung zu gleichem Maaße erfüllt, zu gleichem Maaße verworfen werden. Vate. F. W. Die Futuristen Dr. u?. Warstat- von cum man die Bilder der Futuristen zum ersten Male sieht und die stolz-verstiegenen Phrasen ihres Manifestes durchliest, die hinter einer Fülle von gewollt hochtrabenden, teils aber auch rührend unbehilflichen Worten die künstlerischen Ziele dieser neuesten Propheten der Bewegung mehr verhüllen als klarlegen, so ist man geneigt, mit einem Lächeln und Achselzucken an beidem vorüberzugehen. Ich habe allerdings auch schon Leute gesehen, die unter lautem Lachen ihren Spott mit den rätselhaften Bildern trieben und die durch pathetische Dekla¬ mation der Phrasen aus dem Manifeste die Lächerlichkeit und Ungereimtheit mancher dieser Ergüsse sehr gut zum Ausdruck zu bringen wußten. Hohn und Spott ist auch der Grundton der meisten Äußerungen, die über die Futuristen in die Öffentlichkeit gelangt sind. Und die jungen Maler, von denen „die ältesten dreißig Jahre alt sind", haben diesen Spott selber heraus¬ gefordert, nicht nur durch die lächerlichen Übertreibungen ihres Prinzips — genaueste Beobachtung und Darstellung aller Einzelphasen in der Bewegung —, sondern auch durch die allzu kämpferische Art ihres Auftretens. Aller¬ dings — künstlerischer Sturm und Drang ist ja stets gleichbedeutend mit dem Kampf gegen das Alte, Gewohnte, Festgegründete. Das Neue braucht Platz und glaubt diesen Platz an der Sonne sich nur aus Kosten des Alten und Anerkannten erkämpfen zu können. Diese Erscheinung ist uns zwar längst aus der Geschichte aller Künste bekannt; dennoch aber sind wir nicht imstande, sins

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/222>, abgerufen am 28.09.2024.