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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Die Zukunft der nationalliberalen Partei nach dem
Vertretertage vom ^2. Mai W2
Dr. F. Damme-Berlin von

le nationalliberale Partei Deutschlands befindet sich zurzeit, wie
bekannt nicht zum ersten Male, an einer äußerst kritischen Ecke.
Zum Verständnis der stark verfahrenen Lage bedarf es einer
kurzen Erinnerung an die Vorgänge, welche zur Berufung des
Vertretertages im Mai d. Is. nach Berlin geführt haben. Nach
dem bisherigen Organisationsstatut der nationalliberalen Partei umfaßte die
Parteiorganisation u. a. nicht nur die jungliberalen Lokalvereine, sondern auch
den diese wiederum vereinigenden Reichsverband. Dieses Verhältnis erschien
dem Zentralvorstande der Partei nicht erwünscht in der Erwägung, daß damit
gewissermaßen eine Organisation in die andere geschachtelt, ein Staat im Staate
gebildet und die Einheit der Gesamtpartei gefährdet sei. Um diesen Zustand
zu beseitigen, stellte daher der Zentralvorstand am 24. März d. Is. einen Antrag
des Inhalts, daß die (jungliberalen) Sondervereine sich den landschaftlichen
Verbänden der Partei anzuschließen hätten. Dadurch fühlten sich die Jung-
liberalen in ihren Daseinsbedingungen beeinträchtigt und es entspann sich eine
öffentliche Erörterung, welche tiefe Gegensätze in der Partei offenbarte, die sich um
die Schlagworte Jungliberalismus und Altliberalismus gruppierten. Schließlich
schien aber auf allen Seiten die Einsicht zu überwiegen, daß auf diese Art die Schlag-
und Werbekraft der die Partei beherrschenden Grundgedanken leiden müsse, und
man einigte sich in einer sogenannten freien Kommission, die alle beteiligten
Gruppen umfaßte, dahin, daß man alles beim Alten lassen und nur die Ver¬
bände der Sondervereine aus der Organisation der Gesamtpartei ausscheiden
solle. Damit war denn auch der Reichsverband der Jungliberalen als solcher
zwar gesichert, wohl aber dessen besondere Vertretung in der Partei ausgeschlossen.
Der Zentralvorstand eignete sich diesen Beschluß der freien Kommission ein-


Grenzboten III 1912 1


Die Zukunft der nationalliberalen Partei nach dem
Vertretertage vom ^2. Mai W2
Dr. F. Damme-Berlin von

le nationalliberale Partei Deutschlands befindet sich zurzeit, wie
bekannt nicht zum ersten Male, an einer äußerst kritischen Ecke.
Zum Verständnis der stark verfahrenen Lage bedarf es einer
kurzen Erinnerung an die Vorgänge, welche zur Berufung des
Vertretertages im Mai d. Is. nach Berlin geführt haben. Nach
dem bisherigen Organisationsstatut der nationalliberalen Partei umfaßte die
Parteiorganisation u. a. nicht nur die jungliberalen Lokalvereine, sondern auch
den diese wiederum vereinigenden Reichsverband. Dieses Verhältnis erschien
dem Zentralvorstande der Partei nicht erwünscht in der Erwägung, daß damit
gewissermaßen eine Organisation in die andere geschachtelt, ein Staat im Staate
gebildet und die Einheit der Gesamtpartei gefährdet sei. Um diesen Zustand
zu beseitigen, stellte daher der Zentralvorstand am 24. März d. Is. einen Antrag
des Inhalts, daß die (jungliberalen) Sondervereine sich den landschaftlichen
Verbänden der Partei anzuschließen hätten. Dadurch fühlten sich die Jung-
liberalen in ihren Daseinsbedingungen beeinträchtigt und es entspann sich eine
öffentliche Erörterung, welche tiefe Gegensätze in der Partei offenbarte, die sich um
die Schlagworte Jungliberalismus und Altliberalismus gruppierten. Schließlich
schien aber auf allen Seiten die Einsicht zu überwiegen, daß auf diese Art die Schlag-
und Werbekraft der die Partei beherrschenden Grundgedanken leiden müsse, und
man einigte sich in einer sogenannten freien Kommission, die alle beteiligten
Gruppen umfaßte, dahin, daß man alles beim Alten lassen und nur die Ver¬
bände der Sondervereine aus der Organisation der Gesamtpartei ausscheiden
solle. Damit war denn auch der Reichsverband der Jungliberalen als solcher
zwar gesichert, wohl aber dessen besondere Vertretung in der Partei ausgeschlossen.
Der Zentralvorstand eignete sich diesen Beschluß der freien Kommission ein-


Grenzboten III 1912 1
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/13>, abgerufen am 29.06.2024.