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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Luftschiffahrt

Sieht man von den Kolonialkriegen der
Engländer und Franzosen ab, in denen
namentlich der Fesselballon (Tvniin und
Burenkrieg) zur Verwendung kam, und ebenso
von Fesselballon-, Lustschiff- und Flugzeug-
Verwendung in Tripolis und Marokko, so
hatte bisher nur Frankreich ein Kolonial-
luftfahrwesen in Madagaskar. Die noch
1911 aufgestellte Behauptung, daß in Mada¬
gaskar mehr staatliche Flugzeuge vorhanden
seien als in Deutschland, ist Wohl über¬
trieben gewesen und jedenfalls nicht mehr
stichhaltig, obgleich sie zu Schlußfolgerungen
führt, die für uns wenig schmeichelhaft sind.

Wenn man nun das Ergebnis der
Jahrestätigkeit der Belgischen Luftfahrkom¬
mission überblickt, so erhält man erst den
richtige" Standpunkt für die Beurteilung des
bor Kurzem abgeschlossenen französischen
Wettbewerbes für Wasserflugzeuge in Monaco.
Denn wenn man auch in Madagaskar mit
dein Luftfahrwesen vorwärts gekommen sein
">"g, so gilt nicht das gleiche für das fran¬
zösische Aauatorial-Afrika. Dies Rätsel löst
der Belgische Kommissionsbericht.

Die Kommission hält den Augenblick für
einen geregelten Aeroplandienst noch nicht
für gekommen und führt zum Beweis den
wieder aufgegebenen Kurier-Aeroplandienst
zwischen Richmond und London an. Der
Vergleich hinkt insofern, als England fast
während des ganzen JahreS von starken
Winden und Nebeln heimgesucht wird, was

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im äquatorialen Afrika nicht in gleicher
Weise der Fall sein dürfte. Er ist aber
richtig in bezug darauf, daß auch in euro¬
päischen Ländern die Orientierungsmöglich¬
keiten für Luftfahrer noch zu wünschen übrig
lassen -- zumal bei Nebel.

Die Franzosen haben es sich angelegen
sein lassen, mit Hilfe der schnell und billig
arbeitenden photogrammetrischen Kartenher¬
stellung gute und ausreichend genaue Kolonial¬
karten anzufertigen. In dieser Hinsicht
scheint man im Belgischen Kongogebiet noch
nicht weit genug vorgeschritten zu sein; denn
die Belgische Kommission hebt besonders die
Schwierigkeit der Orientierung über einem
mit Kunstbauten nicht engmaschig durchsetzten
Gebiet hervor. Dies ist sicher richtig. Jeder
Luftfahrer weiß, welche Hilfe ihm die Kunst¬
bauten leisten, deren Umrisse oder lang¬
gestreckte Linien auffällige Schnittpunkte be¬
sonders da entstehen lassen, wo sie die aus
der Vogelperspektive wenig hervortretenden
orographischen Linien durchkreuzen. Daher
geben z. B. Eisenbahnen und Eisenbahn¬
knotenpunkte einen vorzüglichen Orientierungs¬
anhalt. Aber gerade um Eisenbahnen fehlt
es in den Kolonien. Der Bahnkörper eignet
sich bei seiner Schmalheit noch weniger zur
Landung als bei uns. Die Geländestreifen
seitwärts der Bahn bieten in Wald- und
sumpsreichen Gebieten wenig Landungsplätze.
Aber selbst wenn dies der Fall wäre, würde
der mit einer defekten Maschine lautende
Luftfahrer den Angriffen wilder Tiere aus¬
gesetzt sein. Man denke namentlich an solche
unfreiwilligen Landungen, welche Verletzungen
der Luftfahrer bis zur Hilfslosigkeit im Ge¬
folge haben können.

Die Studienkommission schlägt daher vor,
nu Stelle der jetzigen Flugzeuge hauptsächlich
Wasserflugzeuge zu begünstigen. Das
Wassersystem des Kongo ist kartographisch gut
festgelegt. Die Wasserläufe bilden Orien-
tieruugslinien, denen der Luftfahrer leicht
folgen kann. Er mag dann ruhig einige
Umwege machen, wenn er sich nur mit Hilfe
dieses Ariadnefadens in dein Labyrinth der
Wälder, Ebenen und Sümpfe zurecht findet.
Da das schiffbare Kongosystem eine Länge
von 15000 Ka hat, in dessen Bereich sich in
erster Linie menschliche Siedlungen befinden,

[Ende Spaltensatz]

Luftfahrwesen im Belgischen Kongo-
Gebiet. Am 25. Februar 1911 wurde durch
Kgl. Belgisches Dekret eine Studienkom¬
mission eingesetzt, welche die Bedingungen
für die Verwertung der Lustfahrzeuge im
Kongo erörtern und Borschläge für die zu
diesem Ziel erforderliche wissenschaftliche
Forschung machen sollte. Die Kommission
wurde aus sieben Mitgliedern zusammen¬
gesetzt, nämlich drei hohen Staatsbeamten,
drei Mitgliedern des Kgl. Belgischen Aro¬
klubs und einem militärischen Mitglied,
Kommandant Mercier. Letzterer hat nach
achtjährigen Kolonialdienst wertvolle Luft¬
schiffererfahrungen sammeln können und ist
also der gegebene "Mann der Praxis".


Grenzboten II 191244
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Luftschiffahrt

Sieht man von den Kolonialkriegen der
Engländer und Franzosen ab, in denen
namentlich der Fesselballon (Tvniin und
Burenkrieg) zur Verwendung kam, und ebenso
von Fesselballon-, Lustschiff- und Flugzeug-
Verwendung in Tripolis und Marokko, so
hatte bisher nur Frankreich ein Kolonial-
luftfahrwesen in Madagaskar. Die noch
1911 aufgestellte Behauptung, daß in Mada¬
gaskar mehr staatliche Flugzeuge vorhanden
seien als in Deutschland, ist Wohl über¬
trieben gewesen und jedenfalls nicht mehr
stichhaltig, obgleich sie zu Schlußfolgerungen
führt, die für uns wenig schmeichelhaft sind.

Wenn man nun das Ergebnis der
Jahrestätigkeit der Belgischen Luftfahrkom¬
mission überblickt, so erhält man erst den
richtige» Standpunkt für die Beurteilung des
bor Kurzem abgeschlossenen französischen
Wettbewerbes für Wasserflugzeuge in Monaco.
Denn wenn man auch in Madagaskar mit
dein Luftfahrwesen vorwärts gekommen sein
">"g, so gilt nicht das gleiche für das fran¬
zösische Aauatorial-Afrika. Dies Rätsel löst
der Belgische Kommissionsbericht.

Die Kommission hält den Augenblick für
einen geregelten Aeroplandienst noch nicht
für gekommen und führt zum Beweis den
wieder aufgegebenen Kurier-Aeroplandienst
zwischen Richmond und London an. Der
Vergleich hinkt insofern, als England fast
während des ganzen JahreS von starken
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im äquatorialen Afrika nicht in gleicher
Weise der Fall sein dürfte. Er ist aber
richtig in bezug darauf, daß auch in euro¬
päischen Ländern die Orientierungsmöglich¬
keiten für Luftfahrer noch zu wünschen übrig
lassen — zumal bei Nebel.

Die Franzosen haben es sich angelegen
sein lassen, mit Hilfe der schnell und billig
arbeitenden photogrammetrischen Kartenher¬
stellung gute und ausreichend genaue Kolonial¬
karten anzufertigen. In dieser Hinsicht
scheint man im Belgischen Kongogebiet noch
nicht weit genug vorgeschritten zu sein; denn
die Belgische Kommission hebt besonders die
Schwierigkeit der Orientierung über einem
mit Kunstbauten nicht engmaschig durchsetzten
Gebiet hervor. Dies ist sicher richtig. Jeder
Luftfahrer weiß, welche Hilfe ihm die Kunst¬
bauten leisten, deren Umrisse oder lang¬
gestreckte Linien auffällige Schnittpunkte be¬
sonders da entstehen lassen, wo sie die aus
der Vogelperspektive wenig hervortretenden
orographischen Linien durchkreuzen. Daher
geben z. B. Eisenbahnen und Eisenbahn¬
knotenpunkte einen vorzüglichen Orientierungs¬
anhalt. Aber gerade um Eisenbahnen fehlt
es in den Kolonien. Der Bahnkörper eignet
sich bei seiner Schmalheit noch weniger zur
Landung als bei uns. Die Geländestreifen
seitwärts der Bahn bieten in Wald- und
sumpsreichen Gebieten wenig Landungsplätze.
Aber selbst wenn dies der Fall wäre, würde
der mit einer defekten Maschine lautende
Luftfahrer den Angriffen wilder Tiere aus¬
gesetzt sein. Man denke namentlich an solche
unfreiwilligen Landungen, welche Verletzungen
der Luftfahrer bis zur Hilfslosigkeit im Ge¬
folge haben können.

Die Studienkommission schlägt daher vor,
nu Stelle der jetzigen Flugzeuge hauptsächlich
Wasserflugzeuge zu begünstigen. Das
Wassersystem des Kongo ist kartographisch gut
festgelegt. Die Wasserläufe bilden Orien-
tieruugslinien, denen der Luftfahrer leicht
folgen kann. Er mag dann ruhig einige
Umwege machen, wenn er sich nur mit Hilfe
dieses Ariadnefadens in dein Labyrinth der
Wälder, Ebenen und Sümpfe zurecht findet.
Da das schiffbare Kongosystem eine Länge
von 15000 Ka hat, in dessen Bereich sich in
erster Linie menschliche Siedlungen befinden,

[Ende Spaltensatz]

Luftfahrwesen im Belgischen Kongo-
Gebiet. Am 25. Februar 1911 wurde durch
Kgl. Belgisches Dekret eine Studienkom¬
mission eingesetzt, welche die Bedingungen
für die Verwertung der Lustfahrzeuge im
Kongo erörtern und Borschläge für die zu
diesem Ziel erforderliche wissenschaftliche
Forschung machen sollte. Die Kommission
wurde aus sieben Mitgliedern zusammen¬
gesetzt, nämlich drei hohen Staatsbeamten,
drei Mitgliedern des Kgl. Belgischen Aro¬
klubs und einem militärischen Mitglied,
Kommandant Mercier. Letzterer hat nach
achtjährigen Kolonialdienst wertvolle Luft¬
schiffererfahrungen sammeln können und ist
also der gegebene „Mann der Praxis".


Grenzboten II 191244
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[0357] Maßgebliches und Unmaßgebliches Luftschiffahrt Sieht man von den Kolonialkriegen der Engländer und Franzosen ab, in denen namentlich der Fesselballon (Tvniin und Burenkrieg) zur Verwendung kam, und ebenso von Fesselballon-, Lustschiff- und Flugzeug- Verwendung in Tripolis und Marokko, so hatte bisher nur Frankreich ein Kolonial- luftfahrwesen in Madagaskar. Die noch 1911 aufgestellte Behauptung, daß in Mada¬ gaskar mehr staatliche Flugzeuge vorhanden seien als in Deutschland, ist Wohl über¬ trieben gewesen und jedenfalls nicht mehr stichhaltig, obgleich sie zu Schlußfolgerungen führt, die für uns wenig schmeichelhaft sind. Wenn man nun das Ergebnis der Jahrestätigkeit der Belgischen Luftfahrkom¬ mission überblickt, so erhält man erst den richtige» Standpunkt für die Beurteilung des bor Kurzem abgeschlossenen französischen Wettbewerbes für Wasserflugzeuge in Monaco. Denn wenn man auch in Madagaskar mit dein Luftfahrwesen vorwärts gekommen sein ">"g, so gilt nicht das gleiche für das fran¬ zösische Aauatorial-Afrika. Dies Rätsel löst der Belgische Kommissionsbericht. Die Kommission hält den Augenblick für einen geregelten Aeroplandienst noch nicht für gekommen und führt zum Beweis den wieder aufgegebenen Kurier-Aeroplandienst zwischen Richmond und London an. Der Vergleich hinkt insofern, als England fast während des ganzen JahreS von starken Winden und Nebeln heimgesucht wird, was im äquatorialen Afrika nicht in gleicher Weise der Fall sein dürfte. Er ist aber richtig in bezug darauf, daß auch in euro¬ päischen Ländern die Orientierungsmöglich¬ keiten für Luftfahrer noch zu wünschen übrig lassen — zumal bei Nebel. Die Franzosen haben es sich angelegen sein lassen, mit Hilfe der schnell und billig arbeitenden photogrammetrischen Kartenher¬ stellung gute und ausreichend genaue Kolonial¬ karten anzufertigen. In dieser Hinsicht scheint man im Belgischen Kongogebiet noch nicht weit genug vorgeschritten zu sein; denn die Belgische Kommission hebt besonders die Schwierigkeit der Orientierung über einem mit Kunstbauten nicht engmaschig durchsetzten Gebiet hervor. Dies ist sicher richtig. Jeder Luftfahrer weiß, welche Hilfe ihm die Kunst¬ bauten leisten, deren Umrisse oder lang¬ gestreckte Linien auffällige Schnittpunkte be¬ sonders da entstehen lassen, wo sie die aus der Vogelperspektive wenig hervortretenden orographischen Linien durchkreuzen. Daher geben z. B. Eisenbahnen und Eisenbahn¬ knotenpunkte einen vorzüglichen Orientierungs¬ anhalt. Aber gerade um Eisenbahnen fehlt es in den Kolonien. Der Bahnkörper eignet sich bei seiner Schmalheit noch weniger zur Landung als bei uns. Die Geländestreifen seitwärts der Bahn bieten in Wald- und sumpsreichen Gebieten wenig Landungsplätze. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, würde der mit einer defekten Maschine lautende Luftfahrer den Angriffen wilder Tiere aus¬ gesetzt sein. Man denke namentlich an solche unfreiwilligen Landungen, welche Verletzungen der Luftfahrer bis zur Hilfslosigkeit im Ge¬ folge haben können. Die Studienkommission schlägt daher vor, nu Stelle der jetzigen Flugzeuge hauptsächlich Wasserflugzeuge zu begünstigen. Das Wassersystem des Kongo ist kartographisch gut festgelegt. Die Wasserläufe bilden Orien- tieruugslinien, denen der Luftfahrer leicht folgen kann. Er mag dann ruhig einige Umwege machen, wenn er sich nur mit Hilfe dieses Ariadnefadens in dein Labyrinth der Wälder, Ebenen und Sümpfe zurecht findet. Da das schiffbare Kongosystem eine Länge von 15000 Ka hat, in dessen Bereich sich in erster Linie menschliche Siedlungen befinden, Luftfahrwesen im Belgischen Kongo- Gebiet. Am 25. Februar 1911 wurde durch Kgl. Belgisches Dekret eine Studienkom¬ mission eingesetzt, welche die Bedingungen für die Verwertung der Lustfahrzeuge im Kongo erörtern und Borschläge für die zu diesem Ziel erforderliche wissenschaftliche Forschung machen sollte. Die Kommission wurde aus sieben Mitgliedern zusammen¬ gesetzt, nämlich drei hohen Staatsbeamten, drei Mitgliedern des Kgl. Belgischen Aro¬ klubs und einem militärischen Mitglied, Kommandant Mercier. Letzterer hat nach achtjährigen Kolonialdienst wertvolle Luft¬ schiffererfahrungen sammeln können und ist also der gegebene „Mann der Praxis". Grenzboten II 191244

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321082/357>, abgerufen am 22.07.2024.