Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

denen ob des heutigen Kulturkampfes in Frank¬
reich das Herz bricht. So rücken auch diese
Leute einen: in fast geisterhafter Berührung
so nahe, daß man ihren Schmerz mit Teil¬
nahme begreift und nachempfindet.

Daß die modernistischeBewegung in Frank¬
reich solch' ernste Bücher zeitigt, daß die Zahl
derer, die an solchen Büchern Freude haben,
zunimmt, ist uns ein Beweis dafür, aus welch'
edlen Motiven diese Bewegung quillt. Wir
danken dem Verfasser, daß er uns durch diese
deutsche Übersetzung sein Werk hat zugänglich
machen lassen. Wenn einmal die beiden Völker
Deutschlands und Frankreichs im Glauben
einig geworden sind, dann ist vielleicht der
Zeitpunkt gekommen, wo der Titel "et ex-
speeto rssurreetinnem mortuorum, ich er¬
warte eine Auferstehung der Toten, eine Auf¬
erstehung aus demi Grabe des Irrtums und
der Sünde zum Leben des freudigen Glaubens
und Liebens in unseren: Herrn Jesus Christus"
seine schönste Verwirklichung darin finden wird,
daß diese beiden Völker, die sich so viel gegen¬
seitig sein könnten, gegenseitiges Vertrauen
zueinander finden werden. Diesem Zukunfts¬
bild steht nichts so entgegen als der uralte
tertius Zauclsns, der sie jenseits der Berge
seit Jahrhunderten gegeneinander ausspielt.

Heinrich Reuß

Reben Hauffs "Lichtenstein" ist der vater¬
ländische Roman eins der Zeit Friedrichs des
Großen "Calmnis" von Willibald Sllexis eine
der -- der Zeit und dein Werte nach -- ersten
Blüten des deutschen historischen Romans. Er
gibt ein charakteristisches Bild jener glänzend
bewegten Zeit, da Preußens Großmachtstellung
durch die schlesischen Kriege begründet wurde.
Wie hat es Alexis verstanden, die Landschafts-
schildernngen im Einklang zu bringen mit der
Zeichnung der Personen und der Handlung!
Nur in dieser Umgebung, auf diesem Boden
konnten diese Menschen leben und lieben, trotzen
und kämpfen, konnten diese Begebenheiten sich
abspielen. Aber der Roman ist doch nicht so ins
Volk eingedrungen, wie er es verdient. Das hat
indes gute Gründe: die allzu weitschweifend
ausgemalten Episoden, die vielen Berichte, die
den Gang der Geschehnisse immer wieder unter¬
brechen und durch den Gebrauch der indirekten
Rede der Flüssigkeit des Stils Abbruch tun,

[Spaltenumbruch]

erschweren die Lektüre des Buches. Nun hat
Hellmuth Neumann das Wagnis unternommen,
durch kräftige, doch wohlbedachte Streichungen
die Handlung des Romans straffer zu gestalten;
gern wird man ihn: zugeben, daß ihn: seine
Absicht über Erwarten gut gelungen ist. In
dieser Fassung wirkt die alte Perle überraschend
neu und modern. Mögen an ihr recht viele
Leser ihre Freude savent Das sehr billige
Buch (Preis 3 M.) ist vortrefflich ausgestattet
und mit Bildern Adolf Menzels geschmückt; eS
erscheint als erster Band der Blauen Eckardt-
Bücher des Verlags von Fritz Eckardt znLeiPzig.

Schulfragen

ZnmReligiol>sunt"richtnufhöhcrcn Lehr¬
anstalten. Eine Abschaffung des Religions¬
unterrichts auf höheren Schulen würde ich
geradezu für ein Unglück ansehen; doch mit
der Art und Weise, wie er auf vielen Schulen
erteilt wird, kaun ich mich nicht einverstanden
erklären. Noch immer ist die Fülle des Me¬
morierstoffs zu groß. Zugestanden, daß eine
Besserung eingetreten ist, aber noch immer
werden bei der Durchnahme des Alten Testa¬
ments Einzelheiten von jüdischen Festen und
Zeremonien verlangt, Dinge, die doch für
einen deutsche:: Knabe" so gar kein Interesse
haben und zu seiner ethischen und sittlichen
Entwicklung so gar nicht beitragen. Welche
Einzelheiten werden doch noch in der Kirchen¬
geschichte in den oberen Klassen verlangtI
Mir schwirrt der Kopf, wenn ich an die öku¬
menischen Konzilien denke, an den Semipela-
gianismus, in: den molto- und dyotheletischen
Streit. Andere Punkte, die allgemein inter¬
essant sind, könnte man viel genauer durch-
nehmen. Man könnte, gerade auf einem
humanistischen Gymnasium, die Frage er¬
örtern: "Welche:: Einfluß hatte das Christen¬
tum: auf die geistigeund kulturelle Entwicklung ?"
Ein deutscher evangelischer Schüler müßte
unter Anleitung des Lehrers eine Schrift von
Luther wirklich lesen, nicht nur dem Inhalt
nach kennen lernen. Besonders geeignet er¬
scheint mir zu dem Zweck "An den christ¬
lichen Adel deutscher Nation".

Natürlich genügt es, daß die wichtigsten
Abschnitte gelesen werden. Dagegen ist es
völlig gleichgültig, ob der Schüler weiß, in

[Ende Spaltensatz]
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

denen ob des heutigen Kulturkampfes in Frank¬
reich das Herz bricht. So rücken auch diese
Leute einen: in fast geisterhafter Berührung
so nahe, daß man ihren Schmerz mit Teil¬
nahme begreift und nachempfindet.

Daß die modernistischeBewegung in Frank¬
reich solch' ernste Bücher zeitigt, daß die Zahl
derer, die an solchen Büchern Freude haben,
zunimmt, ist uns ein Beweis dafür, aus welch'
edlen Motiven diese Bewegung quillt. Wir
danken dem Verfasser, daß er uns durch diese
deutsche Übersetzung sein Werk hat zugänglich
machen lassen. Wenn einmal die beiden Völker
Deutschlands und Frankreichs im Glauben
einig geworden sind, dann ist vielleicht der
Zeitpunkt gekommen, wo der Titel „et ex-
speeto rssurreetinnem mortuorum, ich er¬
warte eine Auferstehung der Toten, eine Auf¬
erstehung aus demi Grabe des Irrtums und
der Sünde zum Leben des freudigen Glaubens
und Liebens in unseren: Herrn Jesus Christus"
seine schönste Verwirklichung darin finden wird,
daß diese beiden Völker, die sich so viel gegen¬
seitig sein könnten, gegenseitiges Vertrauen
zueinander finden werden. Diesem Zukunfts¬
bild steht nichts so entgegen als der uralte
tertius Zauclsns, der sie jenseits der Berge
seit Jahrhunderten gegeneinander ausspielt.

Heinrich Reuß

Reben Hauffs „Lichtenstein" ist der vater¬
ländische Roman eins der Zeit Friedrichs des
Großen „Calmnis" von Willibald Sllexis eine
der — der Zeit und dein Werte nach — ersten
Blüten des deutschen historischen Romans. Er
gibt ein charakteristisches Bild jener glänzend
bewegten Zeit, da Preußens Großmachtstellung
durch die schlesischen Kriege begründet wurde.
Wie hat es Alexis verstanden, die Landschafts-
schildernngen im Einklang zu bringen mit der
Zeichnung der Personen und der Handlung!
Nur in dieser Umgebung, auf diesem Boden
konnten diese Menschen leben und lieben, trotzen
und kämpfen, konnten diese Begebenheiten sich
abspielen. Aber der Roman ist doch nicht so ins
Volk eingedrungen, wie er es verdient. Das hat
indes gute Gründe: die allzu weitschweifend
ausgemalten Episoden, die vielen Berichte, die
den Gang der Geschehnisse immer wieder unter¬
brechen und durch den Gebrauch der indirekten
Rede der Flüssigkeit des Stils Abbruch tun,

[Spaltenumbruch]

erschweren die Lektüre des Buches. Nun hat
Hellmuth Neumann das Wagnis unternommen,
durch kräftige, doch wohlbedachte Streichungen
die Handlung des Romans straffer zu gestalten;
gern wird man ihn: zugeben, daß ihn: seine
Absicht über Erwarten gut gelungen ist. In
dieser Fassung wirkt die alte Perle überraschend
neu und modern. Mögen an ihr recht viele
Leser ihre Freude savent Das sehr billige
Buch (Preis 3 M.) ist vortrefflich ausgestattet
und mit Bildern Adolf Menzels geschmückt; eS
erscheint als erster Band der Blauen Eckardt-
Bücher des Verlags von Fritz Eckardt znLeiPzig.

Schulfragen

ZnmReligiol>sunt«richtnufhöhcrcn Lehr¬
anstalten. Eine Abschaffung des Religions¬
unterrichts auf höheren Schulen würde ich
geradezu für ein Unglück ansehen; doch mit
der Art und Weise, wie er auf vielen Schulen
erteilt wird, kaun ich mich nicht einverstanden
erklären. Noch immer ist die Fülle des Me¬
morierstoffs zu groß. Zugestanden, daß eine
Besserung eingetreten ist, aber noch immer
werden bei der Durchnahme des Alten Testa¬
ments Einzelheiten von jüdischen Festen und
Zeremonien verlangt, Dinge, die doch für
einen deutsche:: Knabe» so gar kein Interesse
haben und zu seiner ethischen und sittlichen
Entwicklung so gar nicht beitragen. Welche
Einzelheiten werden doch noch in der Kirchen¬
geschichte in den oberen Klassen verlangtI
Mir schwirrt der Kopf, wenn ich an die öku¬
menischen Konzilien denke, an den Semipela-
gianismus, in: den molto- und dyotheletischen
Streit. Andere Punkte, die allgemein inter¬
essant sind, könnte man viel genauer durch-
nehmen. Man könnte, gerade auf einem
humanistischen Gymnasium, die Frage er¬
örtern: „Welche:: Einfluß hatte das Christen¬
tum: auf die geistigeund kulturelle Entwicklung ?"
Ein deutscher evangelischer Schüler müßte
unter Anleitung des Lehrers eine Schrift von
Luther wirklich lesen, nicht nur dem Inhalt
nach kennen lernen. Besonders geeignet er¬
scheint mir zu dem Zweck „An den christ¬
lichen Adel deutscher Nation".

Natürlich genügt es, daß die wichtigsten
Abschnitte gelesen werden. Dagegen ist es
völlig gleichgültig, ob der Schüler weiß, in

[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0051" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320468"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <cb type="start"/>
            <p xml:id="ID_144" prev="#ID_143"> denen ob des heutigen Kulturkampfes in Frank¬<lb/>
reich das Herz bricht. So rücken auch diese<lb/>
Leute einen: in fast geisterhafter Berührung<lb/>
so nahe, daß man ihren Schmerz mit Teil¬<lb/>
nahme begreift und nachempfindet.</p>
            <p xml:id="ID_145"> Daß die modernistischeBewegung in Frank¬<lb/>
reich solch' ernste Bücher zeitigt, daß die Zahl<lb/>
derer, die an solchen Büchern Freude haben,<lb/>
zunimmt, ist uns ein Beweis dafür, aus welch'<lb/>
edlen Motiven diese Bewegung quillt. Wir<lb/>
danken dem Verfasser, daß er uns durch diese<lb/>
deutsche Übersetzung sein Werk hat zugänglich<lb/>
machen lassen. Wenn einmal die beiden Völker<lb/>
Deutschlands und Frankreichs im Glauben<lb/>
einig geworden sind, dann ist vielleicht der<lb/>
Zeitpunkt gekommen, wo der Titel &#x201E;et ex-<lb/>
speeto rssurreetinnem mortuorum, ich er¬<lb/>
warte eine Auferstehung der Toten, eine Auf¬<lb/>
erstehung aus demi Grabe des Irrtums und<lb/>
der Sünde zum Leben des freudigen Glaubens<lb/>
und Liebens in unseren: Herrn Jesus Christus"<lb/>
seine schönste Verwirklichung darin finden wird,<lb/>
daß diese beiden Völker, die sich so viel gegen¬<lb/>
seitig sein könnten, gegenseitiges Vertrauen<lb/>
zueinander finden werden. Diesem Zukunfts¬<lb/>
bild steht nichts so entgegen als der uralte<lb/>
tertius Zauclsns, der sie jenseits der Berge<lb/>
seit Jahrhunderten gegeneinander ausspielt.</p>
            <note type="byline"> Heinrich Reuß </note>
            <p xml:id="ID_146" next="#ID_147"> Reben Hauffs &#x201E;Lichtenstein" ist der vater¬<lb/>
ländische Roman eins der Zeit Friedrichs des<lb/>
Großen &#x201E;Calmnis" von Willibald Sllexis eine<lb/>
der &#x2014; der Zeit und dein Werte nach &#x2014; ersten<lb/>
Blüten des deutschen historischen Romans. Er<lb/>
gibt ein charakteristisches Bild jener glänzend<lb/>
bewegten Zeit, da Preußens Großmachtstellung<lb/>
durch die schlesischen Kriege begründet wurde.<lb/>
Wie hat es Alexis verstanden, die Landschafts-<lb/>
schildernngen im Einklang zu bringen mit der<lb/>
Zeichnung der Personen und der Handlung!<lb/>
Nur in dieser Umgebung, auf diesem Boden<lb/>
konnten diese Menschen leben und lieben, trotzen<lb/>
und kämpfen, konnten diese Begebenheiten sich<lb/>
abspielen. Aber der Roman ist doch nicht so ins<lb/>
Volk eingedrungen, wie er es verdient. Das hat<lb/>
indes gute Gründe: die allzu weitschweifend<lb/>
ausgemalten Episoden, die vielen Berichte, die<lb/>
den Gang der Geschehnisse immer wieder unter¬<lb/>
brechen und durch den Gebrauch der indirekten<lb/>
Rede der Flüssigkeit des Stils Abbruch tun,</p>
            <cb/><lb/>
            <p xml:id="ID_147" prev="#ID_146"> erschweren die Lektüre des Buches. Nun hat<lb/>
Hellmuth Neumann das Wagnis unternommen,<lb/>
durch kräftige, doch wohlbedachte Streichungen<lb/>
die Handlung des Romans straffer zu gestalten;<lb/>
gern wird man ihn: zugeben, daß ihn: seine<lb/>
Absicht über Erwarten gut gelungen ist. In<lb/>
dieser Fassung wirkt die alte Perle überraschend<lb/>
neu und modern. Mögen an ihr recht viele<lb/>
Leser ihre Freude savent Das sehr billige<lb/>
Buch (Preis 3 M.) ist vortrefflich ausgestattet<lb/>
und mit Bildern Adolf Menzels geschmückt; eS<lb/>
erscheint als erster Band der Blauen Eckardt-<lb/>
Bücher des Verlags von Fritz Eckardt znLeiPzig.</p>
            <note type="byline"/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Schulfragen</head>
            <p xml:id="ID_148"> ZnmReligiol&gt;sunt«richtnufhöhcrcn Lehr¬<lb/>
anstalten. Eine Abschaffung des Religions¬<lb/>
unterrichts auf höheren Schulen würde ich<lb/>
geradezu für ein Unglück ansehen; doch mit<lb/>
der Art und Weise, wie er auf vielen Schulen<lb/>
erteilt wird, kaun ich mich nicht einverstanden<lb/>
erklären. Noch immer ist die Fülle des Me¬<lb/>
morierstoffs zu groß. Zugestanden, daß eine<lb/>
Besserung eingetreten ist, aber noch immer<lb/>
werden bei der Durchnahme des Alten Testa¬<lb/>
ments Einzelheiten von jüdischen Festen und<lb/>
Zeremonien verlangt, Dinge, die doch für<lb/>
einen deutsche:: Knabe» so gar kein Interesse<lb/>
haben und zu seiner ethischen und sittlichen<lb/>
Entwicklung so gar nicht beitragen. Welche<lb/>
Einzelheiten werden doch noch in der Kirchen¬<lb/>
geschichte in den oberen Klassen verlangtI<lb/>
Mir schwirrt der Kopf, wenn ich an die öku¬<lb/>
menischen Konzilien denke, an den Semipela-<lb/>
gianismus, in: den molto- und dyotheletischen<lb/>
Streit. Andere Punkte, die allgemein inter¬<lb/>
essant sind, könnte man viel genauer durch-<lb/>
nehmen. Man könnte, gerade auf einem<lb/>
humanistischen Gymnasium, die Frage er¬<lb/>
örtern: &#x201E;Welche:: Einfluß hatte das Christen¬<lb/>
tum: auf die geistigeund kulturelle Entwicklung ?"<lb/>
Ein deutscher evangelischer Schüler müßte<lb/>
unter Anleitung des Lehrers eine Schrift von<lb/>
Luther wirklich lesen, nicht nur dem Inhalt<lb/>
nach kennen lernen. Besonders geeignet er¬<lb/>
scheint mir zu dem Zweck &#x201E;An den christ¬<lb/>
lichen Adel deutscher Nation".</p>
            <p xml:id="ID_149" next="#ID_150"> Natürlich genügt es, daß die wichtigsten<lb/>
Abschnitte gelesen werden. Dagegen ist es<lb/>
völlig gleichgültig, ob der Schüler weiß, in</p>
            <cb type="end"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0051] Maßgebliches und Unmaßgebliches denen ob des heutigen Kulturkampfes in Frank¬ reich das Herz bricht. So rücken auch diese Leute einen: in fast geisterhafter Berührung so nahe, daß man ihren Schmerz mit Teil¬ nahme begreift und nachempfindet. Daß die modernistischeBewegung in Frank¬ reich solch' ernste Bücher zeitigt, daß die Zahl derer, die an solchen Büchern Freude haben, zunimmt, ist uns ein Beweis dafür, aus welch' edlen Motiven diese Bewegung quillt. Wir danken dem Verfasser, daß er uns durch diese deutsche Übersetzung sein Werk hat zugänglich machen lassen. Wenn einmal die beiden Völker Deutschlands und Frankreichs im Glauben einig geworden sind, dann ist vielleicht der Zeitpunkt gekommen, wo der Titel „et ex- speeto rssurreetinnem mortuorum, ich er¬ warte eine Auferstehung der Toten, eine Auf¬ erstehung aus demi Grabe des Irrtums und der Sünde zum Leben des freudigen Glaubens und Liebens in unseren: Herrn Jesus Christus" seine schönste Verwirklichung darin finden wird, daß diese beiden Völker, die sich so viel gegen¬ seitig sein könnten, gegenseitiges Vertrauen zueinander finden werden. Diesem Zukunfts¬ bild steht nichts so entgegen als der uralte tertius Zauclsns, der sie jenseits der Berge seit Jahrhunderten gegeneinander ausspielt. Heinrich Reuß Reben Hauffs „Lichtenstein" ist der vater¬ ländische Roman eins der Zeit Friedrichs des Großen „Calmnis" von Willibald Sllexis eine der — der Zeit und dein Werte nach — ersten Blüten des deutschen historischen Romans. Er gibt ein charakteristisches Bild jener glänzend bewegten Zeit, da Preußens Großmachtstellung durch die schlesischen Kriege begründet wurde. Wie hat es Alexis verstanden, die Landschafts- schildernngen im Einklang zu bringen mit der Zeichnung der Personen und der Handlung! Nur in dieser Umgebung, auf diesem Boden konnten diese Menschen leben und lieben, trotzen und kämpfen, konnten diese Begebenheiten sich abspielen. Aber der Roman ist doch nicht so ins Volk eingedrungen, wie er es verdient. Das hat indes gute Gründe: die allzu weitschweifend ausgemalten Episoden, die vielen Berichte, die den Gang der Geschehnisse immer wieder unter¬ brechen und durch den Gebrauch der indirekten Rede der Flüssigkeit des Stils Abbruch tun, erschweren die Lektüre des Buches. Nun hat Hellmuth Neumann das Wagnis unternommen, durch kräftige, doch wohlbedachte Streichungen die Handlung des Romans straffer zu gestalten; gern wird man ihn: zugeben, daß ihn: seine Absicht über Erwarten gut gelungen ist. In dieser Fassung wirkt die alte Perle überraschend neu und modern. Mögen an ihr recht viele Leser ihre Freude savent Das sehr billige Buch (Preis 3 M.) ist vortrefflich ausgestattet und mit Bildern Adolf Menzels geschmückt; eS erscheint als erster Band der Blauen Eckardt- Bücher des Verlags von Fritz Eckardt znLeiPzig. Schulfragen ZnmReligiol>sunt«richtnufhöhcrcn Lehr¬ anstalten. Eine Abschaffung des Religions¬ unterrichts auf höheren Schulen würde ich geradezu für ein Unglück ansehen; doch mit der Art und Weise, wie er auf vielen Schulen erteilt wird, kaun ich mich nicht einverstanden erklären. Noch immer ist die Fülle des Me¬ morierstoffs zu groß. Zugestanden, daß eine Besserung eingetreten ist, aber noch immer werden bei der Durchnahme des Alten Testa¬ ments Einzelheiten von jüdischen Festen und Zeremonien verlangt, Dinge, die doch für einen deutsche:: Knabe» so gar kein Interesse haben und zu seiner ethischen und sittlichen Entwicklung so gar nicht beitragen. Welche Einzelheiten werden doch noch in der Kirchen¬ geschichte in den oberen Klassen verlangtI Mir schwirrt der Kopf, wenn ich an die öku¬ menischen Konzilien denke, an den Semipela- gianismus, in: den molto- und dyotheletischen Streit. Andere Punkte, die allgemein inter¬ essant sind, könnte man viel genauer durch- nehmen. Man könnte, gerade auf einem humanistischen Gymnasium, die Frage er¬ örtern: „Welche:: Einfluß hatte das Christen¬ tum: auf die geistigeund kulturelle Entwicklung ?" Ein deutscher evangelischer Schüler müßte unter Anleitung des Lehrers eine Schrift von Luther wirklich lesen, nicht nur dem Inhalt nach kennen lernen. Besonders geeignet er¬ scheint mir zu dem Zweck „An den christ¬ lichen Adel deutscher Nation". Natürlich genügt es, daß die wichtigsten Abschnitte gelesen werden. Dagegen ist es völlig gleichgültig, ob der Schüler weiß, in

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/51
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_320416/51>, abgerufen am 29.12.2024.