Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.Alte Klagen, neue Fragen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Von den einstweilen ans dieser Schule In diesem Winter hat das "Künstlerische Theater" Leo Tolstois "Lebenden So hat sich das Moskaner "Künstlerische Theater" aus einer bescheidenen Alte Alagen, neue Fragen Schnltechmsche Erwägungen Prost Dr. Gotthold Boetticher, von Direktor des Königstädtischen Realgymnasiums zu Berlin le vor einigen Monaten so bedrohlich in den Gesichtskreis getretene Grenzboten IV 1911 M
Alte Klagen, neue Fragen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Von den einstweilen ans dieser Schule In diesem Winter hat das „Künstlerische Theater" Leo Tolstois „Lebenden So hat sich das Moskaner „Künstlerische Theater" aus einer bescheidenen Alte Alagen, neue Fragen Schnltechmsche Erwägungen Prost Dr. Gotthold Boetticher, von Direktor des Königstädtischen Realgymnasiums zu Berlin le vor einigen Monaten so bedrohlich in den Gesichtskreis getretene Grenzboten IV 1911 M
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0641" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320242"/> <fw type="header" place="top"> Alte Klagen, neue Fragen</fw><lb/> <p xml:id="ID_2740" prev="#ID_2739"> besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Von den einstweilen ans dieser Schule<lb/> hervorgegangenen jungen Kräften haben sich die Korenewa, die Koonen und<lb/> Mass-Minoff hervorgetan und versprechen für die Zukunft bedeutende Leistungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2741"> In diesem Winter hat das „Künstlerische Theater" Leo Tolstois „Lebenden<lb/> Leichnam" zur Erstaufführung gebracht, dein dann eine seit Jahren betriebene<lb/> Neueinstudierung des „Hamlet" folgen soll, der wahrscheinlich ohne Dekora¬<lb/> tionen auf einem Hintergrunde von schwarzem Samt vorgeführt werden wird. Im<lb/> nächsten Jahre treten die Moskaner Künstler eine längere Gastspielreise nach England<lb/> und Frankreich an. Unterdessen soll ihr neuer Theaterbau fertiggestellt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2742"> So hat sich das Moskaner „Künstlerische Theater" aus einer bescheidenen<lb/> Liebhaberbühne in harter gemeinsamer Arbeit zu einem großen künstlerischen<lb/> und kulturellen Werke hinaufgearbeitet, dessen Bedeutung sich in seiner ganzen<lb/> Tragweite einstweilen noch gar nicht absehen läßt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Alte Alagen, neue Fragen<lb/> Schnltechmsche Erwägungen <note type="byline"> Prost Dr. Gotthold Boetticher,</note> von<lb/> Direktor des Königstädtischen Realgymnasiums zu Berlin</head><lb/> <p xml:id="ID_2743" next="#ID_2744"> le vor einigen Monaten so bedrohlich in den Gesichtskreis getretene<lb/> abermalige Schulreform ist durch eine Erklärung der Regierung<lb/> zunächst wieder aus ihm verbannt worden. Aber es wäre töricht,<lb/> zu glauben, daß sie damit endgültig sür absehbare Zeit abgetan<lb/> sei. Es ist ja alles noch im Fluß; vergegenwärtigt man sich nur<lb/> das eine, daß wir fünf Arten von Vollanstalten nebeneinander haben, nämlich<lb/> Gymnasium, Realgymnasium, Oberrealschule, Reformgymnasium, Neformreal-<lb/> gymnasium und die letzteren sogar noch in zwei verschiedenen Systemen, dem<lb/> Altonaer und Frankfurter, so liegt aus der Hand, daß-das kein Dauerzustand<lb/> sein kann; die Übelstände bei Schulwechseln sind unerträglich. Man läßt der<lb/> Entwicklung der Reformanstalten ganz freie Hand, aber die Absicht kann doch<lb/> nur sein, die Erfahrungen schließlich zu dauernden Reformen zu nutzen. Das<lb/> rechte Verhältnis zwischen humanistischer und realistischer Bildung ist noch nicht<lb/> gefunden, der Ansturm auf das Griechische wird sich immer wiederholen, die<lb/> obligatorische Einführung des Englischen immer wieder gefordert, die Über-<lb/> bürdungsfrage mit deutlichem Seitenblick auf die klassischen Sprachen immer wieder<lb/> angeschnitten werden. Die Forderungen jener Frankfurter Ärzte sind vorläufig<lb/> von der Tagesordnung abgesetzt, aber sie werden wiederkommen. Die folgenden<lb/> Erwägungen wurden unter dem Eindruck der abermaligen Forderung einer Re¬<lb/> form, die auf eine Verminderung der Unterrichtsstunden und auf Ersatz des</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1911 M</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0641]
Alte Klagen, neue Fragen
besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Von den einstweilen ans dieser Schule
hervorgegangenen jungen Kräften haben sich die Korenewa, die Koonen und
Mass-Minoff hervorgetan und versprechen für die Zukunft bedeutende Leistungen.
In diesem Winter hat das „Künstlerische Theater" Leo Tolstois „Lebenden
Leichnam" zur Erstaufführung gebracht, dein dann eine seit Jahren betriebene
Neueinstudierung des „Hamlet" folgen soll, der wahrscheinlich ohne Dekora¬
tionen auf einem Hintergrunde von schwarzem Samt vorgeführt werden wird. Im
nächsten Jahre treten die Moskaner Künstler eine längere Gastspielreise nach England
und Frankreich an. Unterdessen soll ihr neuer Theaterbau fertiggestellt werden.
So hat sich das Moskaner „Künstlerische Theater" aus einer bescheidenen
Liebhaberbühne in harter gemeinsamer Arbeit zu einem großen künstlerischen
und kulturellen Werke hinaufgearbeitet, dessen Bedeutung sich in seiner ganzen
Tragweite einstweilen noch gar nicht absehen läßt.
Alte Alagen, neue Fragen
Schnltechmsche Erwägungen Prost Dr. Gotthold Boetticher, von
Direktor des Königstädtischen Realgymnasiums zu Berlin
le vor einigen Monaten so bedrohlich in den Gesichtskreis getretene
abermalige Schulreform ist durch eine Erklärung der Regierung
zunächst wieder aus ihm verbannt worden. Aber es wäre töricht,
zu glauben, daß sie damit endgültig sür absehbare Zeit abgetan
sei. Es ist ja alles noch im Fluß; vergegenwärtigt man sich nur
das eine, daß wir fünf Arten von Vollanstalten nebeneinander haben, nämlich
Gymnasium, Realgymnasium, Oberrealschule, Reformgymnasium, Neformreal-
gymnasium und die letzteren sogar noch in zwei verschiedenen Systemen, dem
Altonaer und Frankfurter, so liegt aus der Hand, daß-das kein Dauerzustand
sein kann; die Übelstände bei Schulwechseln sind unerträglich. Man läßt der
Entwicklung der Reformanstalten ganz freie Hand, aber die Absicht kann doch
nur sein, die Erfahrungen schließlich zu dauernden Reformen zu nutzen. Das
rechte Verhältnis zwischen humanistischer und realistischer Bildung ist noch nicht
gefunden, der Ansturm auf das Griechische wird sich immer wiederholen, die
obligatorische Einführung des Englischen immer wieder gefordert, die Über-
bürdungsfrage mit deutlichem Seitenblick auf die klassischen Sprachen immer wieder
angeschnitten werden. Die Forderungen jener Frankfurter Ärzte sind vorläufig
von der Tagesordnung abgesetzt, aber sie werden wiederkommen. Die folgenden
Erwägungen wurden unter dem Eindruck der abermaligen Forderung einer Re¬
form, die auf eine Verminderung der Unterrichtsstunden und auf Ersatz des
Grenzboten IV 1911 M
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