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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Till Lulenspiegel

"Till Lulenspiegel"
von Friedrich Uayßler

arry Vosberg, der Dichter des in den Grenzboten veröffentlichten
"Till Eulenspiegel", hat vor diesem zwei moderne Dramen in Prosa
geschrieben, "Der Trust" und "Hohes Land". Diese lernte ich
vor einigen Jahren durch eine sehr warme Empfehlung Oskar
Sauers kennen, der sich über das "Hohe Land" sehr anerkennend,
über den "Trust" in den stärksten Prophezeiungen aussprach. Seitdem habe ich
die Erlebnisse dieser beiden und im letzten Jahre die ihres hinzugekommenen
jüngsten Bruders "Till Eulenspiegel" verfolgt und empfinde es als aufrichtige
Freude, an dieser Stelle Gelegenheit zu habe", über das Geschick dieses Dichters
im besonderen und über das ungespielter Dichter überhaupt einiges aus meiner
Überzeugung zu sagen.

Ich bin Künstler und als solcher bestrebt, an allem Neuen, das mir in
der Kunst begegnet, das Gute herauszufinden, denn nach meiner Überzeugung
ist das der einzige Weg, auf dein Fruchtbringendes überhaupt geschehen kann,
ein neuer Boden bereitet und neue Kulturen allmählich ans Licht gebracht werden
können. Es ist der einzige Sinn jener unbezahlten Pflicht, die der Fachmann
der noch nicht anerkannten Arbeit gegenüber hat, die so oft unter dem oder
jenem noch nicht bekannten Namen Prüfung heischend an ihn herantritt. Liebe
ist vor allein dieser Sinn, Liebe zu allem, was wachsen und gut werden will,
um der Sehnsucht willen nach den: großen Unbekannten, das wir alle ersehnen.

Ich sage das nicht, weil ich mich etwa frei fühlte von Sünde gegen diese
Pflicht, sondern im Gegenteil, weil ich iveiß, ivie schwer es oft ist, diese Pflichten
zu erfüllen trotz näherer Pflichten des täglichen Berufs. Mit dem Dünkel der
Erfahrung ist es nicht getan, auch nicht mit dem bequemen Spruch, das Talent
setze sich schon durch; jeder neue Tag lehrt uns, daß Erfahrung braves, aber
eben nur Handwerkszeug ist. Der Wille, Gutes zu finden, muß da sein, und
auch der Glaube, daß Gutes noch kommt; und ich dächte, wir zu unserer Zeit
hätten allen Grund, diesen Willen und diesen Glauben zu haben. Ich dächte,
wir hätten Grund, uns über alles Gute zu freuen, was in unserer dramatischen
Literatur wächst, eifrig danach zu suchen, es zu hüten und sorgsam zu pflegen.
Hier, bei Harry Vosberg, fand ich von vornherein so viel Gutes, daß es sich
in mir schon nach der Lektüre des "Trust", obwohl mir dessen Thema persönlich
wenig lag, unbedingt entschieden hatte: daß es sich hier um einen Dichter handelt,
der es verdient, sobald als möglich zu Wort zu kommen.

Das Erste, was ich von anderer Seite über ihn hörte, war, wie gesagt,
das Urteil eines der gediegensten Bühnenfachmänner, Oskar Sauers, der meinte,
"Der Trust" habe das Zeug dazu, ein ganz großer Erfolg zu werden und über
sämtliche Bühnen zu gehen. So etwas aus solchen! Munde will respektiert sein
und ist nicht leichthin gesagt, und wenn mir in demselben Augenblick der denk-


Grenzboten III 1911 ^
Till Lulenspiegel

„Till Lulenspiegel"
von Friedrich Uayßler

arry Vosberg, der Dichter des in den Grenzboten veröffentlichten
„Till Eulenspiegel", hat vor diesem zwei moderne Dramen in Prosa
geschrieben, „Der Trust" und „Hohes Land". Diese lernte ich
vor einigen Jahren durch eine sehr warme Empfehlung Oskar
Sauers kennen, der sich über das „Hohe Land" sehr anerkennend,
über den „Trust" in den stärksten Prophezeiungen aussprach. Seitdem habe ich
die Erlebnisse dieser beiden und im letzten Jahre die ihres hinzugekommenen
jüngsten Bruders „Till Eulenspiegel" verfolgt und empfinde es als aufrichtige
Freude, an dieser Stelle Gelegenheit zu habe», über das Geschick dieses Dichters
im besonderen und über das ungespielter Dichter überhaupt einiges aus meiner
Überzeugung zu sagen.

Ich bin Künstler und als solcher bestrebt, an allem Neuen, das mir in
der Kunst begegnet, das Gute herauszufinden, denn nach meiner Überzeugung
ist das der einzige Weg, auf dein Fruchtbringendes überhaupt geschehen kann,
ein neuer Boden bereitet und neue Kulturen allmählich ans Licht gebracht werden
können. Es ist der einzige Sinn jener unbezahlten Pflicht, die der Fachmann
der noch nicht anerkannten Arbeit gegenüber hat, die so oft unter dem oder
jenem noch nicht bekannten Namen Prüfung heischend an ihn herantritt. Liebe
ist vor allein dieser Sinn, Liebe zu allem, was wachsen und gut werden will,
um der Sehnsucht willen nach den: großen Unbekannten, das wir alle ersehnen.

Ich sage das nicht, weil ich mich etwa frei fühlte von Sünde gegen diese
Pflicht, sondern im Gegenteil, weil ich iveiß, ivie schwer es oft ist, diese Pflichten
zu erfüllen trotz näherer Pflichten des täglichen Berufs. Mit dem Dünkel der
Erfahrung ist es nicht getan, auch nicht mit dem bequemen Spruch, das Talent
setze sich schon durch; jeder neue Tag lehrt uns, daß Erfahrung braves, aber
eben nur Handwerkszeug ist. Der Wille, Gutes zu finden, muß da sein, und
auch der Glaube, daß Gutes noch kommt; und ich dächte, wir zu unserer Zeit
hätten allen Grund, diesen Willen und diesen Glauben zu haben. Ich dächte,
wir hätten Grund, uns über alles Gute zu freuen, was in unserer dramatischen
Literatur wächst, eifrig danach zu suchen, es zu hüten und sorgsam zu pflegen.
Hier, bei Harry Vosberg, fand ich von vornherein so viel Gutes, daß es sich
in mir schon nach der Lektüre des „Trust", obwohl mir dessen Thema persönlich
wenig lag, unbedingt entschieden hatte: daß es sich hier um einen Dichter handelt,
der es verdient, sobald als möglich zu Wort zu kommen.

Das Erste, was ich von anderer Seite über ihn hörte, war, wie gesagt,
das Urteil eines der gediegensten Bühnenfachmänner, Oskar Sauers, der meinte,
„Der Trust" habe das Zeug dazu, ein ganz großer Erfolg zu werden und über
sämtliche Bühnen zu gehen. So etwas aus solchen! Munde will respektiert sein
und ist nicht leichthin gesagt, und wenn mir in demselben Augenblick der denk-


Grenzboten III 1911 ^
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[0085] Till Lulenspiegel „Till Lulenspiegel" von Friedrich Uayßler arry Vosberg, der Dichter des in den Grenzboten veröffentlichten „Till Eulenspiegel", hat vor diesem zwei moderne Dramen in Prosa geschrieben, „Der Trust" und „Hohes Land". Diese lernte ich vor einigen Jahren durch eine sehr warme Empfehlung Oskar Sauers kennen, der sich über das „Hohe Land" sehr anerkennend, über den „Trust" in den stärksten Prophezeiungen aussprach. Seitdem habe ich die Erlebnisse dieser beiden und im letzten Jahre die ihres hinzugekommenen jüngsten Bruders „Till Eulenspiegel" verfolgt und empfinde es als aufrichtige Freude, an dieser Stelle Gelegenheit zu habe», über das Geschick dieses Dichters im besonderen und über das ungespielter Dichter überhaupt einiges aus meiner Überzeugung zu sagen. Ich bin Künstler und als solcher bestrebt, an allem Neuen, das mir in der Kunst begegnet, das Gute herauszufinden, denn nach meiner Überzeugung ist das der einzige Weg, auf dein Fruchtbringendes überhaupt geschehen kann, ein neuer Boden bereitet und neue Kulturen allmählich ans Licht gebracht werden können. Es ist der einzige Sinn jener unbezahlten Pflicht, die der Fachmann der noch nicht anerkannten Arbeit gegenüber hat, die so oft unter dem oder jenem noch nicht bekannten Namen Prüfung heischend an ihn herantritt. Liebe ist vor allein dieser Sinn, Liebe zu allem, was wachsen und gut werden will, um der Sehnsucht willen nach den: großen Unbekannten, das wir alle ersehnen. Ich sage das nicht, weil ich mich etwa frei fühlte von Sünde gegen diese Pflicht, sondern im Gegenteil, weil ich iveiß, ivie schwer es oft ist, diese Pflichten zu erfüllen trotz näherer Pflichten des täglichen Berufs. Mit dem Dünkel der Erfahrung ist es nicht getan, auch nicht mit dem bequemen Spruch, das Talent setze sich schon durch; jeder neue Tag lehrt uns, daß Erfahrung braves, aber eben nur Handwerkszeug ist. Der Wille, Gutes zu finden, muß da sein, und auch der Glaube, daß Gutes noch kommt; und ich dächte, wir zu unserer Zeit hätten allen Grund, diesen Willen und diesen Glauben zu haben. Ich dächte, wir hätten Grund, uns über alles Gute zu freuen, was in unserer dramatischen Literatur wächst, eifrig danach zu suchen, es zu hüten und sorgsam zu pflegen. Hier, bei Harry Vosberg, fand ich von vornherein so viel Gutes, daß es sich in mir schon nach der Lektüre des „Trust", obwohl mir dessen Thema persönlich wenig lag, unbedingt entschieden hatte: daß es sich hier um einen Dichter handelt, der es verdient, sobald als möglich zu Wort zu kommen. Das Erste, was ich von anderer Seite über ihn hörte, war, wie gesagt, das Urteil eines der gediegensten Bühnenfachmänner, Oskar Sauers, der meinte, „Der Trust" habe das Zeug dazu, ein ganz großer Erfolg zu werden und über sämtliche Bühnen zu gehen. So etwas aus solchen! Munde will respektiert sein und ist nicht leichthin gesagt, und wenn mir in demselben Augenblick der denk- Grenzboten III 1911 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/85>, abgerufen am 29.12.2024.