Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Aus Anilin Feuerbachs Briefen an seine Mutter Aus Anselm Feuerbachs Briefen an seine Mutter "Alle Leute fragen mich: .Sind Sie verwandt mit dein Archäologen ^Düsseldorf, Sommer 1843.1, . . . Komponiert habe ich noch nichts, ich habe es schon oft versucht, aber es Aus Anilin Feuerbachs Briefen an seine Mutter Aus Anselm Feuerbachs Briefen an seine Mutter „Alle Leute fragen mich: .Sind Sie verwandt mit dein Archäologen ^Düsseldorf, Sommer 1843.1, . . . Komponiert habe ich noch nichts, ich habe es schon oft versucht, aber es <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0475" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319422"/> <fw type="header" place="top"> Aus Anilin Feuerbachs Briefen an seine Mutter</fw><lb/> </div> <div n="1"> <head> Aus Anselm Feuerbachs Briefen an seine Mutter</head><lb/> <quote type="epigraph"> „Alle Leute fragen mich: .Sind Sie verwandt mit dein Archäologen<lb/> Feuerbach?' — ,Das ist mein Vater; der Philosoph mein Onkel, der<lb/> Staatsmann mein Großvater.' Nun sagt man: .Wenn da nichts aus<lb/> Ihnen wird, dann muß man an der Welt verzweifeln.'" — So berichtete<lb/> der junge Anselm Feuerbach voll Stolz aus Düsseldorf seinen Eltern.<lb/> Als es ihm dann später durchaus nicht gelingen wollte, für sein künst¬<lb/> lerisches Sireben Anerkennung bei seinen Zeitgenossen zu finden, als aus<lb/> ihm also „nichts wurde", da verzweifelte er oft an der Welt, und in<lb/> vielen an die tren sorgende und verstehende Mutter gerichteten Briefen<lb/> gab er seinen wechselnden Stimmungen „in unumschränkter Offenheit"<lb/> Ausdruck. „In ihnen suchte der Mensch die Bitterkeit loszuwerden, die<lb/> den Künstler in seiner Freiheit zu beschränken drohte, und eS hat den<lb/> Anschein, als ob nach einem Schreiben, das der geduldigen Mutter die<lb/> schwerere Hälfte des Packes auflud, Erleichterung und Ruhe sich ein¬<lb/> stellten, die sonst nicht zu gewinnen gewesen wären. Eine Psychologisch<lb/> sehr begreifliche Erleichterung, doppelt begreiflich bei einem Menschen,<lb/> wie es Anselm Feuerbach war." So urteilen G. I. Kern und Hermann<lb/> Abbe-Bernays, die aus dem Besitz der Königlichen National-Galerie zu<lb/> Berlin zum erstenmal vollständig „Anselm Feuerbachs Briefe an seine<lb/> Mutter" in zwei Bänden herausgeben. Treffend vergleichen sie (im Spiel<lb/> mit dein Namen Feuerbach) diese Briefe, in denen uns der geniale Künstler<lb/> als Mensch mit seinen Borzügen und seinen Schwächen, in lebensvoller<lb/> Deutlichkeit gegenübertritt, mit „unregelmäßig geformten Kratergebilden,<lb/> die mit Sprüngen und Furchen durchzogen als die sichtbaren Zeichen<lb/> einer ungebändigten, glühend wogenden Naturkraft vor uns stehen".<lb/> Aus den: in einigen Togen im Verlag von Meder u. Jessen zu Berlin<lb/> erscheinenden Werk, das die unmittelbarsten und temperamentvollsten<lb/> Herzensergießungen eines großen Künstlers enthält, bringen wir hierunter<lb/><note type="byline"> *</note> einige Jugendbriefe zum Abdruck. </quote><lb/> <p xml:id="ID_2261"> ^Düsseldorf, Sommer 1843.1,</p><lb/> <p xml:id="ID_2262" next="#ID_2263"> . . . Komponiert habe ich noch nichts, ich habe es schon oft versucht, aber es<lb/> geht nicht, ich sehe so viel Gutes, so richtige Zeichnungen, daß es mir nicht möglich<lb/> ist, etwas zu tun, einen Arm z. B. zu zeichnen, von dem ich nicht ganz genau<lb/> weiß, daß alle Muskeln daran richtig. — Früher hatte ich gut komponieren, ich<lb/> machte Hände, Füße und dergleichen, phantasierte und fühlte mich glücklich und<lb/> glaubte, alles, was ich gemacht habe, wäre gut, vortrefflich; jetzt fühle ich, daß<lb/> ich nichts kann; so oft schweben mir Gedanken vor, wo die Formen so rein, die<lb/> Muskeln so richtig sind, daß, käme es so zum Vorschein, so gäbe es an Formen-<lb/> reinheit einem Michelangelo nichts nach, aber dann geht's ans Zeichnen, und da<lb/> soll ich nun die Formen nachzeichnen, und geht's eben nicht; immer aber um¬<lb/> gaukelt mich das Phantasiebild. — Schon mehreremale schwebten mir eigentümliche<lb/> Landschaften vor, manchmal überkräftige Gestalten; wie ich ans Zeichnen komme,<lb/> da scheitert alles. — Früher war ich glücklicher, ich konnte meine Gedanken mir<lb/> genügend versinnlichen, weil ich keinen Anstoß an der Form nahm; jetzt aber habe</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0475]
Aus Anilin Feuerbachs Briefen an seine Mutter
Aus Anselm Feuerbachs Briefen an seine Mutter
„Alle Leute fragen mich: .Sind Sie verwandt mit dein Archäologen
Feuerbach?' — ,Das ist mein Vater; der Philosoph mein Onkel, der
Staatsmann mein Großvater.' Nun sagt man: .Wenn da nichts aus
Ihnen wird, dann muß man an der Welt verzweifeln.'" — So berichtete
der junge Anselm Feuerbach voll Stolz aus Düsseldorf seinen Eltern.
Als es ihm dann später durchaus nicht gelingen wollte, für sein künst¬
lerisches Sireben Anerkennung bei seinen Zeitgenossen zu finden, als aus
ihm also „nichts wurde", da verzweifelte er oft an der Welt, und in
vielen an die tren sorgende und verstehende Mutter gerichteten Briefen
gab er seinen wechselnden Stimmungen „in unumschränkter Offenheit"
Ausdruck. „In ihnen suchte der Mensch die Bitterkeit loszuwerden, die
den Künstler in seiner Freiheit zu beschränken drohte, und eS hat den
Anschein, als ob nach einem Schreiben, das der geduldigen Mutter die
schwerere Hälfte des Packes auflud, Erleichterung und Ruhe sich ein¬
stellten, die sonst nicht zu gewinnen gewesen wären. Eine Psychologisch
sehr begreifliche Erleichterung, doppelt begreiflich bei einem Menschen,
wie es Anselm Feuerbach war." So urteilen G. I. Kern und Hermann
Abbe-Bernays, die aus dem Besitz der Königlichen National-Galerie zu
Berlin zum erstenmal vollständig „Anselm Feuerbachs Briefe an seine
Mutter" in zwei Bänden herausgeben. Treffend vergleichen sie (im Spiel
mit dein Namen Feuerbach) diese Briefe, in denen uns der geniale Künstler
als Mensch mit seinen Borzügen und seinen Schwächen, in lebensvoller
Deutlichkeit gegenübertritt, mit „unregelmäßig geformten Kratergebilden,
die mit Sprüngen und Furchen durchzogen als die sichtbaren Zeichen
einer ungebändigten, glühend wogenden Naturkraft vor uns stehen".
Aus den: in einigen Togen im Verlag von Meder u. Jessen zu Berlin
erscheinenden Werk, das die unmittelbarsten und temperamentvollsten
Herzensergießungen eines großen Künstlers enthält, bringen wir hierunter
* einige Jugendbriefe zum Abdruck.
^Düsseldorf, Sommer 1843.1,
. . . Komponiert habe ich noch nichts, ich habe es schon oft versucht, aber es
geht nicht, ich sehe so viel Gutes, so richtige Zeichnungen, daß es mir nicht möglich
ist, etwas zu tun, einen Arm z. B. zu zeichnen, von dem ich nicht ganz genau
weiß, daß alle Muskeln daran richtig. — Früher hatte ich gut komponieren, ich
machte Hände, Füße und dergleichen, phantasierte und fühlte mich glücklich und
glaubte, alles, was ich gemacht habe, wäre gut, vortrefflich; jetzt fühle ich, daß
ich nichts kann; so oft schweben mir Gedanken vor, wo die Formen so rein, die
Muskeln so richtig sind, daß, käme es so zum Vorschein, so gäbe es an Formen-
reinheit einem Michelangelo nichts nach, aber dann geht's ans Zeichnen, und da
soll ich nun die Formen nachzeichnen, und geht's eben nicht; immer aber um¬
gaukelt mich das Phantasiebild. — Schon mehreremale schwebten mir eigentümliche
Landschaften vor, manchmal überkräftige Gestalten; wie ich ans Zeichnen komme,
da scheitert alles. — Früher war ich glücklicher, ich konnte meine Gedanken mir
genügend versinnlichen, weil ich keinen Anstoß an der Form nahm; jetzt aber habe
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