Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Justiz und Verwaltung [Spaltenumbruch]

sogen und in ein neues Buch umgegossen
worden. Wie ganz anders mutet einen da
das Buch des Kattowitzer Amtsrichters Son-
tag zur Beurteilung des neuen Entwurfs an.
Da ist keine Literatur benutzt. Da hat ein
Praktiker aus der Praxis heraus geschrieben
und alle scharfe Kritik am bestehenden und
am zukünftigen Gesetzbuch mit Erlebtem be¬
legt. Ganz abgesehen davon, daß schon der
selige Wustmann das Wort Jugendliche ge¬
geißelt hat, das eine Gemütscigenschaft (Greis
mit jugendlichem Herzen) bezeichnet, das also
durch "junge" Verbrecher ersetzt werden müßte,
wäre eS die höchste Zeit, daß gegen die
Modeströmung der Verhätschelung unserer
jungen Verbrecherwelt endlich einmal ein
praktischer Jurist seine Stimme erhöbe. Es
ist gewiß gut und notwendig, daß wir
mehr Pädagogik statt Juristerei in unseren:
ganzen Volksleben treiben. Pädagogik und
Juristerei haben sich aber selten in einem und
demselben Menschen vertragen, wenigstens die
Gefängnisdirektoren, die aus Juristen hervor¬
gegangen sind, waren sür die Pädagogik
durch die Juristerei fast regelmäßig verdorben.
Aber so sehr ich für die Erziehung unseres
Volkes schwärme, so muß man doch verlangen:
ist die Jugend einmal kriminell geworden,
dann behandelt diese Jungens auch kriminell.
Kommt aus mit dem Verweis, mit der
Zwangs- und Fürsorgeerziehung, scheut euch
auch nicht, offen und ehrlich die Prügelstrafe
gegen Rohlinge zu fordern, aber verweichlicht
das Rechtsbewußtsein unseres Volkes nicht
durch modische Sentimentalität. Wenn die
Mörder des Justizrnts Levi in Berlin, der
Mörder des Zahnarztes Claussen in Altona
nicht hingerichtet werden konnten, weil ihnen
vierzehn Tage am vollendeten achtzehnten
Lebensjahre fehlten, so ist das ungesunder
Formalismus, der dein Rechtsbewußtsein,
das nach Sühne verlangt, Abbruch tut, den
Sinn für Legalität und die Furcht vor der
Staatsautorität in den Gemütern der jungen
Kapitalverbrecher erstickt. Das aber ist im
höchsten Grade unpädagogisch.

Heinrich Reuß [Ende Spaltensatz]

Im Verlage von Adolf Dieckmcmn
(Adolf Detloffs Nachfolger) zu Frankfurt
a. M, ist jüngst eine sehr wissenschaftlich
geschriebene und vom Verlage muster¬
haft ausgestattete "Monographie über die
strafrechtliche Behandlung der Kinder
und Jugendlichen" von Dr. zur. Paul
Gruber erschienen. Dieses Buch zerfallt
in zwei Teile. Der erste behandelt das
geltende Recht, und zwar in § 2 bis ß ö die
Zeit der absoluten Strafunmündigkeit, § 6 bis
ß 11 die Zeit der relativen Strafmündigkeit,
ß 12 bis § 14 die Folgen mangelnder Ein¬
sicht (Verfasser: Die Folgen des Mangels der
Einsicht), Z 1ö bis K 17 die Folgen vor¬
handener Einsicht (Verfasser: Die Folgen des
Vorhandenseins der Einsicht). Der zweite
Teil befasst sich mit der strafrechtlichen Be¬
handlung der Kinder und Jugendlichen im
Vorentwurf zu einem deutschen Strafgesetz¬
buch. Nach Borbemerkungen in S 18 werden
in Abschnitt I, der das Recht der Kinder be¬
handelt, in § 19 bis § 21 die Strafmündig¬
keit, die Hinaufrückung der Strafmündigkeits-
grenzc, Erziehungs- und Besserungsmaßregeln
besprochen. Der zweite Abschnitt befaßt sich
mit den Jugendlichen und handelt in Z 22
bis Z 33 die Fragen nach den oberen Grenzen
des jugendlichen Alters, nach der Beseitigung
der Strafbarkeitseinsicht, nach der Erziehung
und Bestrafung Jugendlicher, der Verbindung
von Erziehung und Strafe, nach den drei
Hauptstrafen gegen Jugendliche, nach der be¬
dingten Strafaussetzung ab. In einem Schlu߬
wort (ß 34) lehnt Verfasser die in: Jahre
1908 von der zwölften Landesversammlung
der internationalen kriminalistischen Ver¬
einigung geforderte Schaffung eines Spezial-
gesetzes über die Behandlung jugendlicher
Übeltäter ab, da der Vorentwurf allen be¬
rechtigten Reformwünschen in weitesten Maße
entgegenkomme.

Die Quellen und die Literatur, die in
diese Monographie hineingearbeitet sind, gibt
Verfasser auf fünf Quartseiten an. Bei der
Studierlampe ist der Stoff aus Büchern ge¬




Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
Justiz und Verwaltung [Spaltenumbruch]

sogen und in ein neues Buch umgegossen
worden. Wie ganz anders mutet einen da
das Buch des Kattowitzer Amtsrichters Son-
tag zur Beurteilung des neuen Entwurfs an.
Da ist keine Literatur benutzt. Da hat ein
Praktiker aus der Praxis heraus geschrieben
und alle scharfe Kritik am bestehenden und
am zukünftigen Gesetzbuch mit Erlebtem be¬
legt. Ganz abgesehen davon, daß schon der
selige Wustmann das Wort Jugendliche ge¬
geißelt hat, das eine Gemütscigenschaft (Greis
mit jugendlichem Herzen) bezeichnet, das also
durch „junge" Verbrecher ersetzt werden müßte,
wäre eS die höchste Zeit, daß gegen die
Modeströmung der Verhätschelung unserer
jungen Verbrecherwelt endlich einmal ein
praktischer Jurist seine Stimme erhöbe. Es
ist gewiß gut und notwendig, daß wir
mehr Pädagogik statt Juristerei in unseren:
ganzen Volksleben treiben. Pädagogik und
Juristerei haben sich aber selten in einem und
demselben Menschen vertragen, wenigstens die
Gefängnisdirektoren, die aus Juristen hervor¬
gegangen sind, waren sür die Pädagogik
durch die Juristerei fast regelmäßig verdorben.
Aber so sehr ich für die Erziehung unseres
Volkes schwärme, so muß man doch verlangen:
ist die Jugend einmal kriminell geworden,
dann behandelt diese Jungens auch kriminell.
Kommt aus mit dem Verweis, mit der
Zwangs- und Fürsorgeerziehung, scheut euch
auch nicht, offen und ehrlich die Prügelstrafe
gegen Rohlinge zu fordern, aber verweichlicht
das Rechtsbewußtsein unseres Volkes nicht
durch modische Sentimentalität. Wenn die
Mörder des Justizrnts Levi in Berlin, der
Mörder des Zahnarztes Claussen in Altona
nicht hingerichtet werden konnten, weil ihnen
vierzehn Tage am vollendeten achtzehnten
Lebensjahre fehlten, so ist das ungesunder
Formalismus, der dein Rechtsbewußtsein,
das nach Sühne verlangt, Abbruch tut, den
Sinn für Legalität und die Furcht vor der
Staatsautorität in den Gemütern der jungen
Kapitalverbrecher erstickt. Das aber ist im
höchsten Grade unpädagogisch.

Heinrich Reuß [Ende Spaltensatz]

Im Verlage von Adolf Dieckmcmn
(Adolf Detloffs Nachfolger) zu Frankfurt
a. M, ist jüngst eine sehr wissenschaftlich
geschriebene und vom Verlage muster¬
haft ausgestattete „Monographie über die
strafrechtliche Behandlung der Kinder
und Jugendlichen" von Dr. zur. Paul
Gruber erschienen. Dieses Buch zerfallt
in zwei Teile. Der erste behandelt das
geltende Recht, und zwar in § 2 bis ß ö die
Zeit der absoluten Strafunmündigkeit, § 6 bis
ß 11 die Zeit der relativen Strafmündigkeit,
ß 12 bis § 14 die Folgen mangelnder Ein¬
sicht (Verfasser: Die Folgen des Mangels der
Einsicht), Z 1ö bis K 17 die Folgen vor¬
handener Einsicht (Verfasser: Die Folgen des
Vorhandenseins der Einsicht). Der zweite
Teil befasst sich mit der strafrechtlichen Be¬
handlung der Kinder und Jugendlichen im
Vorentwurf zu einem deutschen Strafgesetz¬
buch. Nach Borbemerkungen in S 18 werden
in Abschnitt I, der das Recht der Kinder be¬
handelt, in § 19 bis § 21 die Strafmündig¬
keit, die Hinaufrückung der Strafmündigkeits-
grenzc, Erziehungs- und Besserungsmaßregeln
besprochen. Der zweite Abschnitt befaßt sich
mit den Jugendlichen und handelt in Z 22
bis Z 33 die Fragen nach den oberen Grenzen
des jugendlichen Alters, nach der Beseitigung
der Strafbarkeitseinsicht, nach der Erziehung
und Bestrafung Jugendlicher, der Verbindung
von Erziehung und Strafe, nach den drei
Hauptstrafen gegen Jugendliche, nach der be¬
dingten Strafaussetzung ab. In einem Schlu߬
wort (ß 34) lehnt Verfasser die in: Jahre
1908 von der zwölften Landesversammlung
der internationalen kriminalistischen Ver¬
einigung geforderte Schaffung eines Spezial-
gesetzes über die Behandlung jugendlicher
Übeltäter ab, da der Vorentwurf allen be¬
rechtigten Reformwünschen in weitesten Maße
entgegenkomme.

Die Quellen und die Literatur, die in
diese Monographie hineingearbeitet sind, gibt
Verfasser auf fünf Quartseiten an. Bei der
Studierlampe ist der Stoff aus Büchern ge¬




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0438" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319385"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <cb type="start"/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Justiz und Verwaltung</head>
            <cb/><lb/>
            <p xml:id="ID_2104" prev="#ID_2103"> sogen und in ein neues Buch umgegossen<lb/>
worden. Wie ganz anders mutet einen da<lb/>
das Buch des Kattowitzer Amtsrichters Son-<lb/>
tag zur Beurteilung des neuen Entwurfs an.<lb/>
Da ist keine Literatur benutzt. Da hat ein<lb/>
Praktiker aus der Praxis heraus geschrieben<lb/>
und alle scharfe Kritik am bestehenden und<lb/>
am zukünftigen Gesetzbuch mit Erlebtem be¬<lb/>
legt. Ganz abgesehen davon, daß schon der<lb/>
selige Wustmann das Wort Jugendliche ge¬<lb/>
geißelt hat, das eine Gemütscigenschaft (Greis<lb/>
mit jugendlichem Herzen) bezeichnet, das also<lb/>
durch &#x201E;junge" Verbrecher ersetzt werden müßte,<lb/>
wäre eS die höchste Zeit, daß gegen die<lb/>
Modeströmung der Verhätschelung unserer<lb/>
jungen Verbrecherwelt endlich einmal ein<lb/>
praktischer Jurist seine Stimme erhöbe. Es<lb/>
ist gewiß gut und notwendig, daß wir<lb/>
mehr Pädagogik statt Juristerei in unseren:<lb/>
ganzen Volksleben treiben. Pädagogik und<lb/>
Juristerei haben sich aber selten in einem und<lb/>
demselben Menschen vertragen, wenigstens die<lb/>
Gefängnisdirektoren, die aus Juristen hervor¬<lb/>
gegangen sind, waren sür die Pädagogik<lb/>
durch die Juristerei fast regelmäßig verdorben.<lb/>
Aber so sehr ich für die Erziehung unseres<lb/>
Volkes schwärme, so muß man doch verlangen:<lb/>
ist die Jugend einmal kriminell geworden,<lb/>
dann behandelt diese Jungens auch kriminell.<lb/>
Kommt aus mit dem Verweis, mit der<lb/>
Zwangs- und Fürsorgeerziehung, scheut euch<lb/>
auch nicht, offen und ehrlich die Prügelstrafe<lb/>
gegen Rohlinge zu fordern, aber verweichlicht<lb/>
das Rechtsbewußtsein unseres Volkes nicht<lb/>
durch modische Sentimentalität. Wenn die<lb/>
Mörder des Justizrnts Levi in Berlin, der<lb/>
Mörder des Zahnarztes Claussen in Altona<lb/>
nicht hingerichtet werden konnten, weil ihnen<lb/>
vierzehn Tage am vollendeten achtzehnten<lb/>
Lebensjahre fehlten, so ist das ungesunder<lb/>
Formalismus, der dein Rechtsbewußtsein,<lb/>
das nach Sühne verlangt, Abbruch tut, den<lb/>
Sinn für Legalität und die Furcht vor der<lb/>
Staatsautorität in den Gemütern der jungen<lb/>
Kapitalverbrecher erstickt. Das aber ist im<lb/>
höchsten Grade unpädagogisch.</p>
            <note type="byline"> Heinrich Reuß</note>
            <cb type="end"/><lb/>
            <p xml:id="ID_2105"> Im Verlage von Adolf Dieckmcmn<lb/>
(Adolf Detloffs Nachfolger) zu Frankfurt<lb/>
a. M, ist jüngst eine sehr wissenschaftlich<lb/>
geschriebene und vom Verlage muster¬<lb/>
haft ausgestattete &#x201E;Monographie über die<lb/>
strafrechtliche Behandlung der Kinder<lb/>
und Jugendlichen" von Dr. zur. Paul<lb/>
Gruber erschienen. Dieses Buch zerfallt<lb/>
in zwei Teile. Der erste behandelt das<lb/>
geltende Recht, und zwar in § 2 bis ß ö die<lb/>
Zeit der absoluten Strafunmündigkeit, § 6 bis<lb/>
ß 11 die Zeit der relativen Strafmündigkeit,<lb/>
ß 12 bis § 14 die Folgen mangelnder Ein¬<lb/>
sicht (Verfasser: Die Folgen des Mangels der<lb/>
Einsicht), Z 1ö bis K 17 die Folgen vor¬<lb/>
handener Einsicht (Verfasser: Die Folgen des<lb/>
Vorhandenseins der Einsicht). Der zweite<lb/>
Teil befasst sich mit der strafrechtlichen Be¬<lb/>
handlung der Kinder und Jugendlichen im<lb/>
Vorentwurf zu einem deutschen Strafgesetz¬<lb/>
buch. Nach Borbemerkungen in S 18 werden<lb/>
in Abschnitt I, der das Recht der Kinder be¬<lb/>
handelt, in § 19 bis § 21 die Strafmündig¬<lb/>
keit, die Hinaufrückung der Strafmündigkeits-<lb/>
grenzc, Erziehungs- und Besserungsmaßregeln<lb/>
besprochen. Der zweite Abschnitt befaßt sich<lb/>
mit den Jugendlichen und handelt in Z 22<lb/>
bis Z 33 die Fragen nach den oberen Grenzen<lb/>
des jugendlichen Alters, nach der Beseitigung<lb/>
der Strafbarkeitseinsicht, nach der Erziehung<lb/>
und Bestrafung Jugendlicher, der Verbindung<lb/>
von Erziehung und Strafe, nach den drei<lb/>
Hauptstrafen gegen Jugendliche, nach der be¬<lb/>
dingten Strafaussetzung ab. In einem Schlu߬<lb/>
wort (ß 34) lehnt Verfasser die in: Jahre<lb/>
1908 von der zwölften Landesversammlung<lb/>
der internationalen kriminalistischen Ver¬<lb/>
einigung geforderte Schaffung eines Spezial-<lb/>
gesetzes über die Behandlung jugendlicher<lb/>
Übeltäter ab, da der Vorentwurf allen be¬<lb/>
rechtigten Reformwünschen in weitesten Maße<lb/>
entgegenkomme.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2106"> Die Quellen und die Literatur, die in<lb/>
diese Monographie hineingearbeitet sind, gibt<lb/>
Verfasser auf fünf Quartseiten an. Bei der<lb/>
Studierlampe ist der Stoff aus Büchern ge¬</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0438] Maßgebliches und Unmaßgebliches Justiz und Verwaltung sogen und in ein neues Buch umgegossen worden. Wie ganz anders mutet einen da das Buch des Kattowitzer Amtsrichters Son- tag zur Beurteilung des neuen Entwurfs an. Da ist keine Literatur benutzt. Da hat ein Praktiker aus der Praxis heraus geschrieben und alle scharfe Kritik am bestehenden und am zukünftigen Gesetzbuch mit Erlebtem be¬ legt. Ganz abgesehen davon, daß schon der selige Wustmann das Wort Jugendliche ge¬ geißelt hat, das eine Gemütscigenschaft (Greis mit jugendlichem Herzen) bezeichnet, das also durch „junge" Verbrecher ersetzt werden müßte, wäre eS die höchste Zeit, daß gegen die Modeströmung der Verhätschelung unserer jungen Verbrecherwelt endlich einmal ein praktischer Jurist seine Stimme erhöbe. Es ist gewiß gut und notwendig, daß wir mehr Pädagogik statt Juristerei in unseren: ganzen Volksleben treiben. Pädagogik und Juristerei haben sich aber selten in einem und demselben Menschen vertragen, wenigstens die Gefängnisdirektoren, die aus Juristen hervor¬ gegangen sind, waren sür die Pädagogik durch die Juristerei fast regelmäßig verdorben. Aber so sehr ich für die Erziehung unseres Volkes schwärme, so muß man doch verlangen: ist die Jugend einmal kriminell geworden, dann behandelt diese Jungens auch kriminell. Kommt aus mit dem Verweis, mit der Zwangs- und Fürsorgeerziehung, scheut euch auch nicht, offen und ehrlich die Prügelstrafe gegen Rohlinge zu fordern, aber verweichlicht das Rechtsbewußtsein unseres Volkes nicht durch modische Sentimentalität. Wenn die Mörder des Justizrnts Levi in Berlin, der Mörder des Zahnarztes Claussen in Altona nicht hingerichtet werden konnten, weil ihnen vierzehn Tage am vollendeten achtzehnten Lebensjahre fehlten, so ist das ungesunder Formalismus, der dein Rechtsbewußtsein, das nach Sühne verlangt, Abbruch tut, den Sinn für Legalität und die Furcht vor der Staatsautorität in den Gemütern der jungen Kapitalverbrecher erstickt. Das aber ist im höchsten Grade unpädagogisch. Heinrich Reuß Im Verlage von Adolf Dieckmcmn (Adolf Detloffs Nachfolger) zu Frankfurt a. M, ist jüngst eine sehr wissenschaftlich geschriebene und vom Verlage muster¬ haft ausgestattete „Monographie über die strafrechtliche Behandlung der Kinder und Jugendlichen" von Dr. zur. Paul Gruber erschienen. Dieses Buch zerfallt in zwei Teile. Der erste behandelt das geltende Recht, und zwar in § 2 bis ß ö die Zeit der absoluten Strafunmündigkeit, § 6 bis ß 11 die Zeit der relativen Strafmündigkeit, ß 12 bis § 14 die Folgen mangelnder Ein¬ sicht (Verfasser: Die Folgen des Mangels der Einsicht), Z 1ö bis K 17 die Folgen vor¬ handener Einsicht (Verfasser: Die Folgen des Vorhandenseins der Einsicht). Der zweite Teil befasst sich mit der strafrechtlichen Be¬ handlung der Kinder und Jugendlichen im Vorentwurf zu einem deutschen Strafgesetz¬ buch. Nach Borbemerkungen in S 18 werden in Abschnitt I, der das Recht der Kinder be¬ handelt, in § 19 bis § 21 die Strafmündig¬ keit, die Hinaufrückung der Strafmündigkeits- grenzc, Erziehungs- und Besserungsmaßregeln besprochen. Der zweite Abschnitt befaßt sich mit den Jugendlichen und handelt in Z 22 bis Z 33 die Fragen nach den oberen Grenzen des jugendlichen Alters, nach der Beseitigung der Strafbarkeitseinsicht, nach der Erziehung und Bestrafung Jugendlicher, der Verbindung von Erziehung und Strafe, nach den drei Hauptstrafen gegen Jugendliche, nach der be¬ dingten Strafaussetzung ab. In einem Schlu߬ wort (ß 34) lehnt Verfasser die in: Jahre 1908 von der zwölften Landesversammlung der internationalen kriminalistischen Ver¬ einigung geforderte Schaffung eines Spezial- gesetzes über die Behandlung jugendlicher Übeltäter ab, da der Vorentwurf allen be¬ rechtigten Reformwünschen in weitesten Maße entgegenkomme. Die Quellen und die Literatur, die in diese Monographie hineingearbeitet sind, gibt Verfasser auf fünf Quartseiten an. Bei der Studierlampe ist der Stoff aus Büchern ge¬

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/438
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/438>, abgerufen am 29.12.2024.