Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.Bausteine der chinesischen Aultur von weiland Prof. Dr. Wilhelm Grube Im folgenden gelangen zwei Vorträge, die der bekannte, leider >Ä^7^ Es gibt wohl kaum ein zweites Kulturvolk, das so verschieden beurteilt Bausteine der chinesischen Aultur von weiland Prof. Dr. Wilhelm Grube Im folgenden gelangen zwei Vorträge, die der bekannte, leider >Ä^7^ Es gibt wohl kaum ein zweites Kulturvolk, das so verschieden beurteilt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0120" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319069"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341893_318948/figures/grenzboten_341893_318948_319069_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Bausteine der chinesischen Aultur<lb/><note type="byline"> von weiland Prof. Dr. Wilhelm Grube</note></head><lb/> <p xml:id="ID_1011"> Im folgenden gelangen zwei Vorträge, die der bekannte, leider<lb/> früh verstorbene Sinologe der Berliner Universität im Frühling 1906<lb/> in der Vereinigung für staatswissenschaftliche Fortbildung gehalten hat<lb/><note type="byline"> ,<lb/> D, Schriftltg.</note> nach der wörtlichen Niederschrift des Verfassers zum Abdruck. </p><lb/> <div n="2"> <head/><lb/> <p xml:id="ID_1012"> >Ä^7^<lb/> ^Kio-Aer Gegenstand, auf den ich mir heute Ihre Aufmerksamkeit zu<lb/> lenken erlaube, ist nicht nur durch die Fremdartigkeit des Stoffes,<lb/> sondern auch durch seine innere Beschaffenheit mit Schwierigkeiten<lb/> ^so mannigfacher Art verbunden, daß es von vornherein aus¬<lb/> geschlossen ist, ihn im knappen Nahmen eines Vortrags auch nur<lb/> annähernd erschöpfend zu behandeln. Vielleicht aber wird es wenigstens möglich<lb/> sein, durch einige wenige, die charakteristischen Merkmale hervorhebende Striche<lb/> ein einigermaßen der Wirklichkeit entsprechendes Bild der chinesischen Volks¬<lb/> individualität zu entwerfen, wie sie sich aus dem Zusammenwirken innerer<lb/> Anlagen und äußerer Lebensbedingungen im Laufe eines geschichtlichen Daseins<lb/> von ungewöhnlich langer Dauer entwickelt und zu einem nationalen Typus von<lb/> ausgeprägter Eigenart gefestigt hat. Sollte aber dieser Versuch gelingen, so<lb/> wird auch, wie ich glaube, die Stellung verständlich werden, die das Chinesen-<lb/> tum sowohl nach seiner nationalen Beschaffenheit, als auch nach seiner geschicht¬<lb/> lichen Vergangenheit der Zivilisation des Westens gegenüber einnimmt und ein¬<lb/> nehmen muß.</p><lb/> <p xml:id="ID_1013" next="#ID_1014"> Es gibt wohl kaum ein zweites Kulturvolk, das so verschieden beurteilt<lb/> würde wie die Chinesen, und es ist daher auch kein Wunder, wenn nachgerade<lb/> die Kenner Chinas, wenn von ihnen die Rede ist, mit der etwas zweifelhaften<lb/> Auszeichnung von Gänsefüßchen versehen zu werden pflegen. Viele stellen sich<lb/> unter einem Chinakenner eben eine Art Gegenstück zu den: ehemals recht ver¬<lb/> breiteten Typus des Afrikareisenden vor, der sich ja bekanntlich auch keines<lb/> sonderlichen Ansehens erfreute, solange die Karte des schwarzen Erbteiles noch<lb/> durch einen bedenklichen Reichtum an weißen Flecken glänzte. Und es muß<lb/> auch billigerweise zugegeben werden, daß dieses ziemlich weitverbreitete Mi߬<lb/> trauen in der Tat nicht so ganz unberechtigt ist; denn wer sich das Studium</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0120]
[Abbildung]
Bausteine der chinesischen Aultur
von weiland Prof. Dr. Wilhelm Grube
Im folgenden gelangen zwei Vorträge, die der bekannte, leider
früh verstorbene Sinologe der Berliner Universität im Frühling 1906
in der Vereinigung für staatswissenschaftliche Fortbildung gehalten hat
,
D, Schriftltg. nach der wörtlichen Niederschrift des Verfassers zum Abdruck.
>Ä^7^
^Kio-Aer Gegenstand, auf den ich mir heute Ihre Aufmerksamkeit zu
lenken erlaube, ist nicht nur durch die Fremdartigkeit des Stoffes,
sondern auch durch seine innere Beschaffenheit mit Schwierigkeiten
^so mannigfacher Art verbunden, daß es von vornherein aus¬
geschlossen ist, ihn im knappen Nahmen eines Vortrags auch nur
annähernd erschöpfend zu behandeln. Vielleicht aber wird es wenigstens möglich
sein, durch einige wenige, die charakteristischen Merkmale hervorhebende Striche
ein einigermaßen der Wirklichkeit entsprechendes Bild der chinesischen Volks¬
individualität zu entwerfen, wie sie sich aus dem Zusammenwirken innerer
Anlagen und äußerer Lebensbedingungen im Laufe eines geschichtlichen Daseins
von ungewöhnlich langer Dauer entwickelt und zu einem nationalen Typus von
ausgeprägter Eigenart gefestigt hat. Sollte aber dieser Versuch gelingen, so
wird auch, wie ich glaube, die Stellung verständlich werden, die das Chinesen-
tum sowohl nach seiner nationalen Beschaffenheit, als auch nach seiner geschicht¬
lichen Vergangenheit der Zivilisation des Westens gegenüber einnimmt und ein¬
nehmen muß.
Es gibt wohl kaum ein zweites Kulturvolk, das so verschieden beurteilt
würde wie die Chinesen, und es ist daher auch kein Wunder, wenn nachgerade
die Kenner Chinas, wenn von ihnen die Rede ist, mit der etwas zweifelhaften
Auszeichnung von Gänsefüßchen versehen zu werden pflegen. Viele stellen sich
unter einem Chinakenner eben eine Art Gegenstück zu den: ehemals recht ver¬
breiteten Typus des Afrikareisenden vor, der sich ja bekanntlich auch keines
sonderlichen Ansehens erfreute, solange die Karte des schwarzen Erbteiles noch
durch einen bedenklichen Reichtum an weißen Flecken glänzte. Und es muß
auch billigerweise zugegeben werden, daß dieses ziemlich weitverbreitete Mi߬
trauen in der Tat nicht so ganz unberechtigt ist; denn wer sich das Studium
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