Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bier und Marinestabsarzt Dr. zur Verth. Diesen Vor¬ Der junge de Spinoza. Leben und Werdegang im Lichte der Welt¬ Das Interesse für den Menschen und vielleicht auch für den Denker Spinoza Maßgebliches und Unmaßgebliches Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bier und Marinestabsarzt Dr. zur Verth. Diesen Vor¬ Der junge de Spinoza. Leben und Werdegang im Lichte der Welt¬ Das Interesse für den Menschen und vielleicht auch für den Denker Spinoza <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0256" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/316545"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1075" prev="#ID_1074"> Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bier und Marinestabsarzt Dr. zur Verth. Diesen Vor¬<lb/> trägen ist ein Aufsatz über „Berg- und Hüttenwesen in China" angefügt, zu dem<lb/> der Verfasser, Dr. jur. O. Junghann, das Material während längerer Studien¬<lb/> reisen in China gesammelt hat. Ein gewaltiges Reich beginnt dort im fernen<lb/> Osten seine Grenzen der europäischen Kultur zu öffnen und ein heißer Wettstreit<lb/> ist unter den Nationen entbrannt. England, Frankreich, Amerika und auch Japan<lb/> widmen sich mit ungeheurem Eifer der Einführung ihrer Kulturen und Wissenschaften.<lb/> Deutschland hat lange im Hintertreffen gestanden. Erst seit kurzem hat es mit<lb/> der Errichtung einer Hochschule für Chinesen in Tsingtcm und der deutschen<lb/><note type="byline"> L, w.</note> Medizinschule in Schanghai einen Anlauf genommen. </p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Der junge de Spinoza.</head> <p xml:id="ID_1076"> Leben und Werdegang im Lichte der Welt¬<lb/> philosophie. Von Stanislaus von Durm-Borkowski S. ^. Münster i.W.,<lb/> Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1077" next="#ID_1078"> Das Interesse für den Menschen und vielleicht auch für den Denker Spinoza<lb/> war in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts merklich abgeflaut. In<lb/> Deutschland hielt es freilich die Beziehung einiger Worte Goethes zu Spinozas<lb/> Lehre wenigstens einigermaßen rege, ohne daß jedoch die Forschung wesentlich<lb/> gefördert wurde. Das Verdienst, es wieder mächtig belebt zu haben, hat der<lb/> Holländer Melusina, dessen Werk „Spinoza en zijn kring" (1896) zum ersten¬<lb/> mal den bisher als Einzelerscheinung Betrachteten in seine historische Umwelt<lb/> stellte. Drei Jahre später folgte die dankenswerte Zusammenfassung der Quellen¬<lb/> schriften zur Biographie Spinozas durch den Breslauer Freudenthal, der dann<lb/> auch ein Leben Spinozas schrieb (unvollendet geblieben). Die Beschäftigung mit<lb/> dem Philosophen machte nun rasche Fortschritte und bereits auch gingen Belletristen<lb/> ans Werk, um das neuerstandene Spinoza-Bild dichterisch zu gestalten: Der<lb/> Schreiber dieser Zeilen („Spinoza", Stuttgart 1908, vorher in der „Frankfurter<lb/> Zeitung", dann in holländischer Buchausgabe und in hebräischer Übersetzung<lb/> erschienen) und Erwin Guido Kolbenheyer („Amor Dei", München 1908), der<lb/> bereits zur Zeit des Giordano-Bruno-Jubiläums dem großen Vorgänger Spinozas<lb/> ein Drama gewidmet hatte. Zwei ganz entgegengesetzte Begabungen rangen hier<lb/> mit dem gleichen Stoff, der erste mit zarterer Behandlung der Farben, Spinoza<lb/> mehr in den Vordergrund rückend und die historisch bezeugte Kulturhöhe der<lb/> portugiesischen Juden Amsterdams betonend, der zweite in kräftiger si iresco-<lb/> Manier, mehr nur Ausschnitte als eine fortlaufende Erzählung bietend, neben<lb/> Spinoza fast ebenbürtig auch noch andere „Gottesliebende" stellend. Beide ver¬<lb/> mieden, Spinoza sich selbst zitieren zu lassen, was gewöhnlich von Romanen dieser<lb/> Gattung erwartet wird, aber ebenso wohlfeil wie unkünstlerisch ist. Wer den<lb/> Philosophen Spinoza kennen lernen will, der hat dazu seine Werke einschließlich<lb/> seiner Briefe. Selbst die Geschichtlichkeit eines „historischen" Romans ist gleich¬<lb/> gültig; es kommt nur auf die künstlerische, die seelische und seherische Wahrheit an.<lb/> Immerhin konnte ich selbst mich außergewöhnlich treu an die Geschichte anschließen<lb/> und in der Darstellung des Untergangs der beiden de Witt einfach die Geschichte<lb/> sprechen lassen, ja glaubte dies zu müssen, um nicht durch irgendeine Erfindung<lb/> die Unerbittlichkeit des Tatsächlichen zu schwächen. (Kolbenheyer läßt Spinoza<lb/> das blutige Herz de Wilts kaufen und heimtragen.) Durm-Borkowski gesteht<lb/> dem ersten Roman zu, daß er „auf fleißigen Studien über Zeit und Persönlich¬<lb/> keiten" beruhe, das „Psychologische des Helden mit Liebe und Geschick", wenn<lb/> auch nicht in historischer Weise (f. oben) zeichne, Spinozas „intellektuelle Ent¬<lb/> wicklung" aber „ganz ungenügend" schildere; außerdem stoße das „Häßlich-Leiden-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0256]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Bier und Marinestabsarzt Dr. zur Verth. Diesen Vor¬
trägen ist ein Aufsatz über „Berg- und Hüttenwesen in China" angefügt, zu dem
der Verfasser, Dr. jur. O. Junghann, das Material während längerer Studien¬
reisen in China gesammelt hat. Ein gewaltiges Reich beginnt dort im fernen
Osten seine Grenzen der europäischen Kultur zu öffnen und ein heißer Wettstreit
ist unter den Nationen entbrannt. England, Frankreich, Amerika und auch Japan
widmen sich mit ungeheurem Eifer der Einführung ihrer Kulturen und Wissenschaften.
Deutschland hat lange im Hintertreffen gestanden. Erst seit kurzem hat es mit
der Errichtung einer Hochschule für Chinesen in Tsingtcm und der deutschen
L, w. Medizinschule in Schanghai einen Anlauf genommen.
Der junge de Spinoza. Leben und Werdegang im Lichte der Welt¬
philosophie. Von Stanislaus von Durm-Borkowski S. ^. Münster i.W.,
Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung.
Das Interesse für den Menschen und vielleicht auch für den Denker Spinoza
war in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts merklich abgeflaut. In
Deutschland hielt es freilich die Beziehung einiger Worte Goethes zu Spinozas
Lehre wenigstens einigermaßen rege, ohne daß jedoch die Forschung wesentlich
gefördert wurde. Das Verdienst, es wieder mächtig belebt zu haben, hat der
Holländer Melusina, dessen Werk „Spinoza en zijn kring" (1896) zum ersten¬
mal den bisher als Einzelerscheinung Betrachteten in seine historische Umwelt
stellte. Drei Jahre später folgte die dankenswerte Zusammenfassung der Quellen¬
schriften zur Biographie Spinozas durch den Breslauer Freudenthal, der dann
auch ein Leben Spinozas schrieb (unvollendet geblieben). Die Beschäftigung mit
dem Philosophen machte nun rasche Fortschritte und bereits auch gingen Belletristen
ans Werk, um das neuerstandene Spinoza-Bild dichterisch zu gestalten: Der
Schreiber dieser Zeilen („Spinoza", Stuttgart 1908, vorher in der „Frankfurter
Zeitung", dann in holländischer Buchausgabe und in hebräischer Übersetzung
erschienen) und Erwin Guido Kolbenheyer („Amor Dei", München 1908), der
bereits zur Zeit des Giordano-Bruno-Jubiläums dem großen Vorgänger Spinozas
ein Drama gewidmet hatte. Zwei ganz entgegengesetzte Begabungen rangen hier
mit dem gleichen Stoff, der erste mit zarterer Behandlung der Farben, Spinoza
mehr in den Vordergrund rückend und die historisch bezeugte Kulturhöhe der
portugiesischen Juden Amsterdams betonend, der zweite in kräftiger si iresco-
Manier, mehr nur Ausschnitte als eine fortlaufende Erzählung bietend, neben
Spinoza fast ebenbürtig auch noch andere „Gottesliebende" stellend. Beide ver¬
mieden, Spinoza sich selbst zitieren zu lassen, was gewöhnlich von Romanen dieser
Gattung erwartet wird, aber ebenso wohlfeil wie unkünstlerisch ist. Wer den
Philosophen Spinoza kennen lernen will, der hat dazu seine Werke einschließlich
seiner Briefe. Selbst die Geschichtlichkeit eines „historischen" Romans ist gleich¬
gültig; es kommt nur auf die künstlerische, die seelische und seherische Wahrheit an.
Immerhin konnte ich selbst mich außergewöhnlich treu an die Geschichte anschließen
und in der Darstellung des Untergangs der beiden de Witt einfach die Geschichte
sprechen lassen, ja glaubte dies zu müssen, um nicht durch irgendeine Erfindung
die Unerbittlichkeit des Tatsächlichen zu schwächen. (Kolbenheyer läßt Spinoza
das blutige Herz de Wilts kaufen und heimtragen.) Durm-Borkowski gesteht
dem ersten Roman zu, daß er „auf fleißigen Studien über Zeit und Persönlich¬
keiten" beruhe, das „Psychologische des Helden mit Liebe und Geschick", wenn
auch nicht in historischer Weise (f. oben) zeichne, Spinozas „intellektuelle Ent¬
wicklung" aber „ganz ungenügend" schildere; außerdem stoße das „Häßlich-Leiden-
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