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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel

(Die Wahlrechtsfrage. Reichs-Wertzmvachssteuer. Kali.)

Während der letzten Woche ist die preußische Wahlrechtsfrage nicht ein Stück
voran gekommen. Die gut gemeinten Vorschläge zu einem Ausgleich, die während
der Osterwoche vou Freikonservativen und Nationalliberalen unter Mitwirkung der
Regierung erörtert wurden (vgl. Leitartikel in Nummer 13) haben dank der
Halsstarrigkeit derer um Heydebraud zu keinem Ergebnis geführt. Die Partei¬
leitung der Deutschkonservativen zeigt vielmehr durch verschiedne Äußerungen, daß
ihr an dem Zustandekommen eines neuen Wahlgesetzes nichts gelegen ist. Sie ist
also zu dem von ihr bereits im Januar eingenommenen, aber immer wieder geschickt
verschleierten Standpunkte zurückgekehrt. Wie sich diese Haltung mit konservativer
Gesinnung verträgt, ist uns gänzlich unverständlich. Nachdem das Wort des
Königs für die Wahlreform verpfändet wurde, scheint es uns die Pflicht aller
monarchisch gesinnten Männer, alle Kräfte für die Erreichung eines praktischen
Ergebnisses im Sinne des königlichen Gebots einsetzen zu müssen. Die Deutsch¬
konservativen sind sich des eben gekennzeichneten Widerspruchs auch durchaus
bewußt. Infolgedessen ist ihr heißes Bemühen vor allen Dingen darauf gerichtet,
ihre dem monarchischen Gedanken so überaus schädliche Haltung gegenüber den
königstreuen Wählern im Lande zu erklären und zu bemänteln. Aus diesem
Bemühn heraus ist es verständlich, warum sie auf die Mitglieder des
Herrenhauses in ihrem Sinne drücken, alle Vermittlungsvorschlüge des Minister¬
präsidenten abzulehnen: es gilt die Verantwortung von der Fraktion des Landtages
auf das Herrenhaus abzuwälzen; dort gibt es keine Parteien, dort raten die
geistigen Spitzen des Landes aus allen gebildeten Ständen; wenn diese Notabeln-
versammlung von den Vorschlägen der Vegierung nichts wissen will, dann heißt
das ebensoviel wie eine anerkennende Beurteilung der Tätigkeit der Deutsch¬
konservativen im Landtage. Trotz dieser tatsächlichen Verhältnisse setzt der Herr
Ministerpräsident seine Bemühungen fort, um das Herrenhaus wenigstens für die
Überbleibsel seiner Vorlage zu gewinnen; wie ein getreuer Eckehart sucht er die
alte preußische Tradition vor dem Parteiregiment zu bewahren. Was bisher
aus den Kommissionen gekommen ist, sieht allerdings wenig tröstlich aus. Am
Donnerstag, den 28. d. M., soll die Entscheidung darüber fallen, ob die Regierung
ihren Entwurf überhaupt noch aufrecht erhält oder ob sie sich den Entschlüssen des
Herrenhauses unterwirft. "Dabei wird sie sich", so heißt es in der gestrigen
Veröffentlichung der "Norddeutschen Allgemeinen Zeitung", "wie bisher nur von
dem sachlichen Interesse leiten lassen, das darin besteht, die Reform in einer
Gestalt zu verwirklichen, die offenbare Mängel der Dreiklassenwahl
beseitigt oder mildert und die daher Dauer verspricht."




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel

(Die Wahlrechtsfrage. Reichs-Wertzmvachssteuer. Kali.)

Während der letzten Woche ist die preußische Wahlrechtsfrage nicht ein Stück
voran gekommen. Die gut gemeinten Vorschläge zu einem Ausgleich, die während
der Osterwoche vou Freikonservativen und Nationalliberalen unter Mitwirkung der
Regierung erörtert wurden (vgl. Leitartikel in Nummer 13) haben dank der
Halsstarrigkeit derer um Heydebraud zu keinem Ergebnis geführt. Die Partei¬
leitung der Deutschkonservativen zeigt vielmehr durch verschiedne Äußerungen, daß
ihr an dem Zustandekommen eines neuen Wahlgesetzes nichts gelegen ist. Sie ist
also zu dem von ihr bereits im Januar eingenommenen, aber immer wieder geschickt
verschleierten Standpunkte zurückgekehrt. Wie sich diese Haltung mit konservativer
Gesinnung verträgt, ist uns gänzlich unverständlich. Nachdem das Wort des
Königs für die Wahlreform verpfändet wurde, scheint es uns die Pflicht aller
monarchisch gesinnten Männer, alle Kräfte für die Erreichung eines praktischen
Ergebnisses im Sinne des königlichen Gebots einsetzen zu müssen. Die Deutsch¬
konservativen sind sich des eben gekennzeichneten Widerspruchs auch durchaus
bewußt. Infolgedessen ist ihr heißes Bemühen vor allen Dingen darauf gerichtet,
ihre dem monarchischen Gedanken so überaus schädliche Haltung gegenüber den
königstreuen Wählern im Lande zu erklären und zu bemänteln. Aus diesem
Bemühn heraus ist es verständlich, warum sie auf die Mitglieder des
Herrenhauses in ihrem Sinne drücken, alle Vermittlungsvorschlüge des Minister¬
präsidenten abzulehnen: es gilt die Verantwortung von der Fraktion des Landtages
auf das Herrenhaus abzuwälzen; dort gibt es keine Parteien, dort raten die
geistigen Spitzen des Landes aus allen gebildeten Ständen; wenn diese Notabeln-
versammlung von den Vorschlägen der Vegierung nichts wissen will, dann heißt
das ebensoviel wie eine anerkennende Beurteilung der Tätigkeit der Deutsch¬
konservativen im Landtage. Trotz dieser tatsächlichen Verhältnisse setzt der Herr
Ministerpräsident seine Bemühungen fort, um das Herrenhaus wenigstens für die
Überbleibsel seiner Vorlage zu gewinnen; wie ein getreuer Eckehart sucht er die
alte preußische Tradition vor dem Parteiregiment zu bewahren. Was bisher
aus den Kommissionen gekommen ist, sieht allerdings wenig tröstlich aus. Am
Donnerstag, den 28. d. M., soll die Entscheidung darüber fallen, ob die Regierung
ihren Entwurf überhaupt noch aufrecht erhält oder ob sie sich den Entschlüssen des
Herrenhauses unterwirft. „Dabei wird sie sich", so heißt es in der gestrigen
Veröffentlichung der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung", „wie bisher nur von
dem sachlichen Interesse leiten lassen, das darin besteht, die Reform in einer
Gestalt zu verwirklichen, die offenbare Mängel der Dreiklassenwahl
beseitigt oder mildert und die daher Dauer verspricht."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/190>, abgerufen am 29.06.2024.