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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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S)Die Varbarina
von Prof. Dr, w. Berg

ntcressant ist es, daß der Geheime Rat und Polizeidirektor v. Kircheysen
A^DH^Mi am 4. Juli an den König berichtet, er habe dein "Lohn-Laquayen",
I der mit Mackenzie nach Hamburg gereist sei, die ihm anvertrauten
Briefe an die Barbnrina abgefordert und sende sie hiermit unter¬
tänigst dem Könige zu; der Mackenzie Habe sich von Hamburg nach
London embarquirt. Ein etwas eigentümliches Verfahren, das der
Herr Kircheysen hier beliebte, drei Harmlose Briefe anzuhalten und zu unterschlagen.
Der erste dieser Briefe trägt das Datum vom 29. Juni, ist französisch geschrieben,
ans Hamburg an die Barbarina gerichtet und lautet:

"Ich bin hier angekommen und muß mich morgen nach England einschiffen; ich
habe nicht umhin gekonnt, Dir eine Zeile durch meinen Bedienten, der nach Berlin
zurückkehrt, zukommen zu lassen. Ich war so überrascht von der Botschaft, welche
Se. Majestät mir sandte, daß ich nicht recht verstanden habe, ob er mir sagte, ich dürfte
durchaus keinen Briefwechsel mit Dir unterhalten, während ich in des Königs Staaten
mich aufhielte, oder während Du hier wendest; ich glaube, es war, während ich mich
hier aufhielt, so daß ich, weil ich nicht mehr hier bin, diese Zeilen an Dich zu schreiben
wage. Wie konnte ich es zugeben, Dich zu verlassenl Aber Du sagtest es vorher:
Das ist es, warum ich Dich nicht kränken wollte, indem ich es Dir ausführlich erzählte!
meine Abreise, so glaube ich, wird Dich genug ohne das gekostet haben. O Gott, daß
unser Los ein so unglückliches ist, meine reizende BabbyliI Wenn ich Gelegenheit gehabt
hätte, Majestät zu sehen, ich glaube, mir wäre dies nicht widerfahren. Aber gewisse
Leute haben Wohl darauf geachtet, daß ich mich dem Throne nicht nähere, weil sie
fürchten, ich würde ihnen unangenehme Wahrheiten sagen und Se. Majestät Wind
davon bekommen. Ich lasse meine Equipage für Dich da, es wird Dir nicht große
Schwierigkeiten kosten, sie über Wasser nach Berlin kommen zu lassen, aber man muß
einen Paß haben, damit sie keinen Zoll bezahlt, sonst wird es Dich zu viel kosten.
Mein Bedienter wird Dir sagen können, wo sie ist, die Equipage, und alsdann wirst
Du sie absenden lassen können. Das dürfte Dir zum Nutzen gereichen. Obwohl wir
getrennt und recht weit voneinander entfernt sind, kannst Du ganz auf mich rechnen,
wie, als wenn ich bei Dir wäre. Ich bin äußerst entschlossen, und wir sind zu fest
aneinandergeknüpft, als daß die Zeit uns einander vergessen machen könnte. Eine
Leidenschaft geht mit der Zeit oft vorüber, aber geheiligte Verbindungen, die durch die
Ehre festgehalten sind, kann keine Zeit zerstören, und ich glaube für mich bürgen zu
können, daß ich, wenn wir uns, ob auch nach langer Zeit, wiedersehen werden, völlig
dieselben Gefühle für Dich hegen werde, wie in dieser Stunde. Ich rechne auf Dich,
meine Seele, ebenso wie auf mich selbst und bin überzeugt, daß Du mich nicht verfehlen
wirst, wenn es Dir gestattet ist, mir zu schreiben. Ich hoffe, oft Neues von Dir zu
hören Rechne ganz auf nicht Adieu, meine Liebet ^illas um earissims, actio!

.
^ ^ Dein Unglücklicher."


S)Die Varbarina
von Prof. Dr, w. Berg

ntcressant ist es, daß der Geheime Rat und Polizeidirektor v. Kircheysen
A^DH^Mi am 4. Juli an den König berichtet, er habe dein „Lohn-Laquayen",
I der mit Mackenzie nach Hamburg gereist sei, die ihm anvertrauten
Briefe an die Barbnrina abgefordert und sende sie hiermit unter¬
tänigst dem Könige zu; der Mackenzie Habe sich von Hamburg nach
London embarquirt. Ein etwas eigentümliches Verfahren, das der
Herr Kircheysen hier beliebte, drei Harmlose Briefe anzuhalten und zu unterschlagen.
Der erste dieser Briefe trägt das Datum vom 29. Juni, ist französisch geschrieben,
ans Hamburg an die Barbarina gerichtet und lautet:

„Ich bin hier angekommen und muß mich morgen nach England einschiffen; ich
habe nicht umhin gekonnt, Dir eine Zeile durch meinen Bedienten, der nach Berlin
zurückkehrt, zukommen zu lassen. Ich war so überrascht von der Botschaft, welche
Se. Majestät mir sandte, daß ich nicht recht verstanden habe, ob er mir sagte, ich dürfte
durchaus keinen Briefwechsel mit Dir unterhalten, während ich in des Königs Staaten
mich aufhielte, oder während Du hier wendest; ich glaube, es war, während ich mich
hier aufhielt, so daß ich, weil ich nicht mehr hier bin, diese Zeilen an Dich zu schreiben
wage. Wie konnte ich es zugeben, Dich zu verlassenl Aber Du sagtest es vorher:
Das ist es, warum ich Dich nicht kränken wollte, indem ich es Dir ausführlich erzählte!
meine Abreise, so glaube ich, wird Dich genug ohne das gekostet haben. O Gott, daß
unser Los ein so unglückliches ist, meine reizende BabbyliI Wenn ich Gelegenheit gehabt
hätte, Majestät zu sehen, ich glaube, mir wäre dies nicht widerfahren. Aber gewisse
Leute haben Wohl darauf geachtet, daß ich mich dem Throne nicht nähere, weil sie
fürchten, ich würde ihnen unangenehme Wahrheiten sagen und Se. Majestät Wind
davon bekommen. Ich lasse meine Equipage für Dich da, es wird Dir nicht große
Schwierigkeiten kosten, sie über Wasser nach Berlin kommen zu lassen, aber man muß
einen Paß haben, damit sie keinen Zoll bezahlt, sonst wird es Dich zu viel kosten.
Mein Bedienter wird Dir sagen können, wo sie ist, die Equipage, und alsdann wirst
Du sie absenden lassen können. Das dürfte Dir zum Nutzen gereichen. Obwohl wir
getrennt und recht weit voneinander entfernt sind, kannst Du ganz auf mich rechnen,
wie, als wenn ich bei Dir wäre. Ich bin äußerst entschlossen, und wir sind zu fest
aneinandergeknüpft, als daß die Zeit uns einander vergessen machen könnte. Eine
Leidenschaft geht mit der Zeit oft vorüber, aber geheiligte Verbindungen, die durch die
Ehre festgehalten sind, kann keine Zeit zerstören, und ich glaube für mich bürgen zu
können, daß ich, wenn wir uns, ob auch nach langer Zeit, wiedersehen werden, völlig
dieselben Gefühle für Dich hegen werde, wie in dieser Stunde. Ich rechne auf Dich,
meine Seele, ebenso wie auf mich selbst und bin überzeugt, daß Du mich nicht verfehlen
wirst, wenn es Dir gestattet ist, mir zu schreiben. Ich hoffe, oft Neues von Dir zu
hören Rechne ganz auf nicht Adieu, meine Liebet ^illas um earissims, actio!

.
^ ^ Dein Unglücklicher."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/79>, abgerufen am 23.07.2024.