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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Lharlotte von Stein und Sophie von Löwenthal

Konfession, wie in den: Kulturkampf der siebziger Jahre, um ihre Lebens¬
interessen kämpfen muß. Ebenso wird die Verteidigung christlicher Sitte, der
Stellung der christlichen Kirchen, der Erhaltung der christlichen Schule gegebenen¬
falls die Anhänger "christlicher Weltanschauung" sogar zu positiver gemein¬
samer Aktion mit bestimmtem Zwecke zu sammeln geeignet sein. Aber auch da
ist es notwendig, die Grenzen des möglichen und nützlichen Zusammengehens
deutlich zu betonen. Mittelalterliches Kirchenstaatstum und staatliche Kirchen¬
hoheit, die Schule als Veranstaltung des Staates und die reine Kirchenschule,
die Beschränkung auf die konfessionelle Volksschule und die Konfessionalisierung
des gesamten Bildungswesens werden da dicht am Anfange stehende Marksteine
sein, an denen die Wege auseinandergehen. Der Wahlspruch dessen, der es
unternimmt, mit der Konfessionspartei unter dem Banner der "christlichen
Weltanschauung" eine Strecke weit im politischen Leben zu marschieren, wird
heißen müssen: "Trau, schau, wem!"

Dem christlichen Gedanken gehört wahrlich ein großes Gebiet im Leben
der Einzelnen und der Völker, wo er zu ihren: Heile zu herrschen berufen ist.
Hüte man sich, ihn, unbelehrt durch die Irrungen der Vergangenheit, gewaltsam
über die natürlichen Grenzen seiner befruchtenden Wirksamkeit in den Streit
des politischen Alltags hinauszerren zu wollen!




(Lharlotte von ^>dem und Sophie von Löwenthal
von August Hildebrand

n Lenaus Leben hat eine entscheidende Rolle Sophie von Löwenthal
gespielt. Die Liebesklcinge, Zettel in Tagebuchform, die Castle
erst kürzlich dank der Güte des Sohnes der Sophie vervollständigt
herausgeben konnte, gewähren nebst den übrigen Briefen einen
Einblick in diese das ganze Wesen des Dichters erfüllende Liebe.
Schon früh, ehe diese glühenden Bekenntnisse völlig bekannt waren und ehe
die Welt wußte, daß Sophie schriftstellerische Begabung besaß, hat man den
ungeheuren Einfluß erkannt, den sie auf sein Leben und Dichten ausgeübt hat,
und sie deswegen mit Frau von Stein verglichen, die in gleicher Weise für
Goethes Leben und Dichten von entscheidender Bedeutung geworden ist. Auf
den ersten Blick sollte man sich über diese Zusammenstellung wundern, besonders
wenn man an das Wesen der beiden Dichter denkt; dein: größere Gegensätze
als sie sind wohl kaum denkbar. Der eine eine lichte Gestalt, erhaben durch ihre
majestätische Ruhe, mit einem weiten^ weitumfassenden Blick, umstrahlt von der


Lharlotte von Stein und Sophie von Löwenthal

Konfession, wie in den: Kulturkampf der siebziger Jahre, um ihre Lebens¬
interessen kämpfen muß. Ebenso wird die Verteidigung christlicher Sitte, der
Stellung der christlichen Kirchen, der Erhaltung der christlichen Schule gegebenen¬
falls die Anhänger „christlicher Weltanschauung" sogar zu positiver gemein¬
samer Aktion mit bestimmtem Zwecke zu sammeln geeignet sein. Aber auch da
ist es notwendig, die Grenzen des möglichen und nützlichen Zusammengehens
deutlich zu betonen. Mittelalterliches Kirchenstaatstum und staatliche Kirchen¬
hoheit, die Schule als Veranstaltung des Staates und die reine Kirchenschule,
die Beschränkung auf die konfessionelle Volksschule und die Konfessionalisierung
des gesamten Bildungswesens werden da dicht am Anfange stehende Marksteine
sein, an denen die Wege auseinandergehen. Der Wahlspruch dessen, der es
unternimmt, mit der Konfessionspartei unter dem Banner der „christlichen
Weltanschauung" eine Strecke weit im politischen Leben zu marschieren, wird
heißen müssen: „Trau, schau, wem!"

Dem christlichen Gedanken gehört wahrlich ein großes Gebiet im Leben
der Einzelnen und der Völker, wo er zu ihren: Heile zu herrschen berufen ist.
Hüte man sich, ihn, unbelehrt durch die Irrungen der Vergangenheit, gewaltsam
über die natürlichen Grenzen seiner befruchtenden Wirksamkeit in den Streit
des politischen Alltags hinauszerren zu wollen!




(Lharlotte von ^>dem und Sophie von Löwenthal
von August Hildebrand

n Lenaus Leben hat eine entscheidende Rolle Sophie von Löwenthal
gespielt. Die Liebesklcinge, Zettel in Tagebuchform, die Castle
erst kürzlich dank der Güte des Sohnes der Sophie vervollständigt
herausgeben konnte, gewähren nebst den übrigen Briefen einen
Einblick in diese das ganze Wesen des Dichters erfüllende Liebe.
Schon früh, ehe diese glühenden Bekenntnisse völlig bekannt waren und ehe
die Welt wußte, daß Sophie schriftstellerische Begabung besaß, hat man den
ungeheuren Einfluß erkannt, den sie auf sein Leben und Dichten ausgeübt hat,
und sie deswegen mit Frau von Stein verglichen, die in gleicher Weise für
Goethes Leben und Dichten von entscheidender Bedeutung geworden ist. Auf
den ersten Blick sollte man sich über diese Zusammenstellung wundern, besonders
wenn man an das Wesen der beiden Dichter denkt; dein: größere Gegensätze
als sie sind wohl kaum denkbar. Der eine eine lichte Gestalt, erhaben durch ihre
majestätische Ruhe, mit einem weiten^ weitumfassenden Blick, umstrahlt von der


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[0499] Lharlotte von Stein und Sophie von Löwenthal Konfession, wie in den: Kulturkampf der siebziger Jahre, um ihre Lebens¬ interessen kämpfen muß. Ebenso wird die Verteidigung christlicher Sitte, der Stellung der christlichen Kirchen, der Erhaltung der christlichen Schule gegebenen¬ falls die Anhänger „christlicher Weltanschauung" sogar zu positiver gemein¬ samer Aktion mit bestimmtem Zwecke zu sammeln geeignet sein. Aber auch da ist es notwendig, die Grenzen des möglichen und nützlichen Zusammengehens deutlich zu betonen. Mittelalterliches Kirchenstaatstum und staatliche Kirchen¬ hoheit, die Schule als Veranstaltung des Staates und die reine Kirchenschule, die Beschränkung auf die konfessionelle Volksschule und die Konfessionalisierung des gesamten Bildungswesens werden da dicht am Anfange stehende Marksteine sein, an denen die Wege auseinandergehen. Der Wahlspruch dessen, der es unternimmt, mit der Konfessionspartei unter dem Banner der „christlichen Weltanschauung" eine Strecke weit im politischen Leben zu marschieren, wird heißen müssen: „Trau, schau, wem!" Dem christlichen Gedanken gehört wahrlich ein großes Gebiet im Leben der Einzelnen und der Völker, wo er zu ihren: Heile zu herrschen berufen ist. Hüte man sich, ihn, unbelehrt durch die Irrungen der Vergangenheit, gewaltsam über die natürlichen Grenzen seiner befruchtenden Wirksamkeit in den Streit des politischen Alltags hinauszerren zu wollen! (Lharlotte von ^>dem und Sophie von Löwenthal von August Hildebrand n Lenaus Leben hat eine entscheidende Rolle Sophie von Löwenthal gespielt. Die Liebesklcinge, Zettel in Tagebuchform, die Castle erst kürzlich dank der Güte des Sohnes der Sophie vervollständigt herausgeben konnte, gewähren nebst den übrigen Briefen einen Einblick in diese das ganze Wesen des Dichters erfüllende Liebe. Schon früh, ehe diese glühenden Bekenntnisse völlig bekannt waren und ehe die Welt wußte, daß Sophie schriftstellerische Begabung besaß, hat man den ungeheuren Einfluß erkannt, den sie auf sein Leben und Dichten ausgeübt hat, und sie deswegen mit Frau von Stein verglichen, die in gleicher Weise für Goethes Leben und Dichten von entscheidender Bedeutung geworden ist. Auf den ersten Blick sollte man sich über diese Zusammenstellung wundern, besonders wenn man an das Wesen der beiden Dichter denkt; dein: größere Gegensätze als sie sind wohl kaum denkbar. Der eine eine lichte Gestalt, erhaben durch ihre majestätische Ruhe, mit einem weiten^ weitumfassenden Blick, umstrahlt von der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/499>, abgerufen am 23.07.2024.