Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

"Ist es hier nicht famos!"

Nach einer Weile trat Schiffer Rasmussen zu ihm heran. Thorborg war
ihm von einem andern entführt worden. Er war betrunken und erzählte dein
Pfarrer mit großer Wonne, daß drei Mädchen mannstoll geworden seien, und
daß man sie im Holzschuppen habe einschließen müssen, wo sie jetzt von zwei alten
Männern bewacht würden! -- Ob der Pfarrer Lust habe, sie zu sehen? Dann
"volle Jens Rasmussen sich schon Zutritt zum Holzschuppen verschaffen --!

Der Pfarrer mußte schließlich alle seine Bestimmtheit, ja seine Leibeskräfte
aufbieten, um hmauszugelcmgeu.

Ihm hatte davor gegraut, Thorborg nach dein Geschehenen wiederzusehen.
Aber sie kam zum Abendbrot ins Zimmer, -- munter und strahlend, erzählte von
den drei tollen Mädchen und fragte den Pfarrer, ob es nicht amüsant gewesen
sei, dem Tanz zuzusehen -- und verschwand dann nach Tische wieder in die
Gesindestube.

Herr Willatz hatte ausgelassen gelacht, und die Madame hatte nur lächelnd
den Kopf geschüttelt.

"Ja, diese Thorborg! diese Thorborg!"




Sie war ihm ein Rätsel. Und er grübelte oft über ihr Wesen nach, das
eigenartig fremd und fesselnd war. Wenn er allein war, geschah es wohl, daß er
in Gedanken von ihrem starken Blick und ihrer wunderlich dunklen Stimme verfolgt
wurde, die so sanft in ihren tiefen Tönen war. Und die er doch so gellend
abstoßend häßlich gehört hatte.




(Fortsetzung folg.t)



Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspienel

(Die Wahlrechtsvorlage in der Kommission. Herr v. Bethmann im Land¬
wirtschaftsrat. Zollfrieden mit Kanada. Nationalliberale Jnterpellation.)

Die Wahlrechtskommission des Abgeordnetenhauses hat ihre Arbeit begonnen.
Dabei wird sich wohl sehr bald herausstellen, ob die Wahlreform jauch in dem
bescheidenen Umfange, den die Regierungsvorlage vorsieht, irgendwelche Aussichten
hat. Neuerdings scheint sich die Wahrscheinlichkeit zu verstärken, daß die Vorlage
überhaupt scheitert. Die Konservativen haben überhaupt kein Interesse daran, daß
etwas zustande kommt. Allerdings würden sie wohl der Staatsregierung gegen¬
über ungern die Verantwortung für das Scheitern der Reform übernehmen; wenn
ihnen jedoch dieses Odium abgenommen wird, so würden sie herzlich froh sein,
daß aus der ganzen Sache nichts wird. Sie hätten dann sogar den Vorteil, daß
sie darauf hinweisen könnten, wie sie entgegen ihren Prinzipien und ihrem Partei¬
nutzen bereit gewesen seien, Zugeständnisse im Interesse des Ganzen zu machen;


Maßgebliches und Unmaßgebliches

„Ist es hier nicht famos!"

Nach einer Weile trat Schiffer Rasmussen zu ihm heran. Thorborg war
ihm von einem andern entführt worden. Er war betrunken und erzählte dein
Pfarrer mit großer Wonne, daß drei Mädchen mannstoll geworden seien, und
daß man sie im Holzschuppen habe einschließen müssen, wo sie jetzt von zwei alten
Männern bewacht würden! — Ob der Pfarrer Lust habe, sie zu sehen? Dann
»volle Jens Rasmussen sich schon Zutritt zum Holzschuppen verschaffen —!

Der Pfarrer mußte schließlich alle seine Bestimmtheit, ja seine Leibeskräfte
aufbieten, um hmauszugelcmgeu.

Ihm hatte davor gegraut, Thorborg nach dein Geschehenen wiederzusehen.
Aber sie kam zum Abendbrot ins Zimmer, — munter und strahlend, erzählte von
den drei tollen Mädchen und fragte den Pfarrer, ob es nicht amüsant gewesen
sei, dem Tanz zuzusehen — und verschwand dann nach Tische wieder in die
Gesindestube.

Herr Willatz hatte ausgelassen gelacht, und die Madame hatte nur lächelnd
den Kopf geschüttelt.

„Ja, diese Thorborg! diese Thorborg!"




Sie war ihm ein Rätsel. Und er grübelte oft über ihr Wesen nach, das
eigenartig fremd und fesselnd war. Wenn er allein war, geschah es wohl, daß er
in Gedanken von ihrem starken Blick und ihrer wunderlich dunklen Stimme verfolgt
wurde, die so sanft in ihren tiefen Tönen war. Und die er doch so gellend
abstoßend häßlich gehört hatte.




(Fortsetzung folg.t)



Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspienel

(Die Wahlrechtsvorlage in der Kommission. Herr v. Bethmann im Land¬
wirtschaftsrat. Zollfrieden mit Kanada. Nationalliberale Jnterpellation.)

Die Wahlrechtskommission des Abgeordnetenhauses hat ihre Arbeit begonnen.
Dabei wird sich wohl sehr bald herausstellen, ob die Wahlreform jauch in dem
bescheidenen Umfange, den die Regierungsvorlage vorsieht, irgendwelche Aussichten
hat. Neuerdings scheint sich die Wahrscheinlichkeit zu verstärken, daß die Vorlage
überhaupt scheitert. Die Konservativen haben überhaupt kein Interesse daran, daß
etwas zustande kommt. Allerdings würden sie wohl der Staatsregierung gegen¬
über ungern die Verantwortung für das Scheitern der Reform übernehmen; wenn
ihnen jedoch dieses Odium abgenommen wird, so würden sie herzlich froh sein,
daß aus der ganzen Sache nichts wird. Sie hätten dann sogar den Vorteil, daß
sie darauf hinweisen könnten, wie sie entgegen ihren Prinzipien und ihrem Partei¬
nutzen bereit gewesen seien, Zugeständnisse im Interesse des Ganzen zu machen;


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0385" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315382"/>
          <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1700"> &#x201E;Ist es hier nicht famos!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1701"> Nach einer Weile trat Schiffer Rasmussen zu ihm heran. Thorborg war<lb/>
ihm von einem andern entführt worden. Er war betrunken und erzählte dein<lb/>
Pfarrer mit großer Wonne, daß drei Mädchen mannstoll geworden seien, und<lb/>
daß man sie im Holzschuppen habe einschließen müssen, wo sie jetzt von zwei alten<lb/>
Männern bewacht würden! &#x2014; Ob der Pfarrer Lust habe, sie zu sehen? Dann<lb/>
»volle Jens Rasmussen sich schon Zutritt zum Holzschuppen verschaffen &#x2014;!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1702"> Der Pfarrer mußte schließlich alle seine Bestimmtheit, ja seine Leibeskräfte<lb/>
aufbieten, um hmauszugelcmgeu.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1703"> Ihm hatte davor gegraut, Thorborg nach dein Geschehenen wiederzusehen.<lb/>
Aber sie kam zum Abendbrot ins Zimmer, &#x2014; munter und strahlend, erzählte von<lb/>
den drei tollen Mädchen und fragte den Pfarrer, ob es nicht amüsant gewesen<lb/>
sei, dem Tanz zuzusehen &#x2014; und verschwand dann nach Tische wieder in die<lb/>
Gesindestube.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1704"> Herr Willatz hatte ausgelassen gelacht, und die Madame hatte nur lächelnd<lb/>
den Kopf geschüttelt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1705"> &#x201E;Ja, diese Thorborg! diese Thorborg!"</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1706"> Sie war ihm ein Rätsel. Und er grübelte oft über ihr Wesen nach, das<lb/>
eigenartig fremd und fesselnd war. Wenn er allein war, geschah es wohl, daß er<lb/>
in Gedanken von ihrem starken Blick und ihrer wunderlich dunklen Stimme verfolgt<lb/>
wurde, die so sanft in ihren tiefen Tönen war. Und die er doch so gellend<lb/>
abstoßend häßlich gehört hatte.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1707"> (Fortsetzung folg.t)</p><lb/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341891_314996/figures/grenzboten_341891_314996_315382_012.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Reichsspienel</head><lb/>
            <note type="argument"> (Die Wahlrechtsvorlage in der Kommission. Herr v. Bethmann im Land¬<lb/>
wirtschaftsrat. Zollfrieden mit Kanada. Nationalliberale Jnterpellation.)</note><lb/>
            <p xml:id="ID_1708" next="#ID_1709"> Die Wahlrechtskommission des Abgeordnetenhauses hat ihre Arbeit begonnen.<lb/>
Dabei wird sich wohl sehr bald herausstellen, ob die Wahlreform jauch in dem<lb/>
bescheidenen Umfange, den die Regierungsvorlage vorsieht, irgendwelche Aussichten<lb/>
hat. Neuerdings scheint sich die Wahrscheinlichkeit zu verstärken, daß die Vorlage<lb/>
überhaupt scheitert. Die Konservativen haben überhaupt kein Interesse daran, daß<lb/>
etwas zustande kommt. Allerdings würden sie wohl der Staatsregierung gegen¬<lb/>
über ungern die Verantwortung für das Scheitern der Reform übernehmen; wenn<lb/>
ihnen jedoch dieses Odium abgenommen wird, so würden sie herzlich froh sein,<lb/>
daß aus der ganzen Sache nichts wird. Sie hätten dann sogar den Vorteil, daß<lb/>
sie darauf hinweisen könnten, wie sie entgegen ihren Prinzipien und ihrem Partei¬<lb/>
nutzen bereit gewesen seien, Zugeständnisse im Interesse des Ganzen zu machen;</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0385] Maßgebliches und Unmaßgebliches „Ist es hier nicht famos!" Nach einer Weile trat Schiffer Rasmussen zu ihm heran. Thorborg war ihm von einem andern entführt worden. Er war betrunken und erzählte dein Pfarrer mit großer Wonne, daß drei Mädchen mannstoll geworden seien, und daß man sie im Holzschuppen habe einschließen müssen, wo sie jetzt von zwei alten Männern bewacht würden! — Ob der Pfarrer Lust habe, sie zu sehen? Dann »volle Jens Rasmussen sich schon Zutritt zum Holzschuppen verschaffen —! Der Pfarrer mußte schließlich alle seine Bestimmtheit, ja seine Leibeskräfte aufbieten, um hmauszugelcmgeu. Ihm hatte davor gegraut, Thorborg nach dein Geschehenen wiederzusehen. Aber sie kam zum Abendbrot ins Zimmer, — munter und strahlend, erzählte von den drei tollen Mädchen und fragte den Pfarrer, ob es nicht amüsant gewesen sei, dem Tanz zuzusehen — und verschwand dann nach Tische wieder in die Gesindestube. Herr Willatz hatte ausgelassen gelacht, und die Madame hatte nur lächelnd den Kopf geschüttelt. „Ja, diese Thorborg! diese Thorborg!" Sie war ihm ein Rätsel. Und er grübelte oft über ihr Wesen nach, das eigenartig fremd und fesselnd war. Wenn er allein war, geschah es wohl, daß er in Gedanken von ihrem starken Blick und ihrer wunderlich dunklen Stimme verfolgt wurde, die so sanft in ihren tiefen Tönen war. Und die er doch so gellend abstoßend häßlich gehört hatte. (Fortsetzung folg.t) [Abbildung] Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspienel (Die Wahlrechtsvorlage in der Kommission. Herr v. Bethmann im Land¬ wirtschaftsrat. Zollfrieden mit Kanada. Nationalliberale Jnterpellation.) Die Wahlrechtskommission des Abgeordnetenhauses hat ihre Arbeit begonnen. Dabei wird sich wohl sehr bald herausstellen, ob die Wahlreform jauch in dem bescheidenen Umfange, den die Regierungsvorlage vorsieht, irgendwelche Aussichten hat. Neuerdings scheint sich die Wahrscheinlichkeit zu verstärken, daß die Vorlage überhaupt scheitert. Die Konservativen haben überhaupt kein Interesse daran, daß etwas zustande kommt. Allerdings würden sie wohl der Staatsregierung gegen¬ über ungern die Verantwortung für das Scheitern der Reform übernehmen; wenn ihnen jedoch dieses Odium abgenommen wird, so würden sie herzlich froh sein, daß aus der ganzen Sache nichts wird. Sie hätten dann sogar den Vorteil, daß sie darauf hinweisen könnten, wie sie entgegen ihren Prinzipien und ihrem Partei¬ nutzen bereit gewesen seien, Zugeständnisse im Interesse des Ganzen zu machen;

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/385
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/385>, abgerufen am 21.12.2024.