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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.

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Tod des Raimondo Grsini

Verfassung, also die preußische Gesetzesvorlage annehmen sollte, ist ihr im Reichs¬
tage bei der heutigen Stellung der Parteien unter allen Umständen die Mehrheit
gesichert. Die Einführung von Abgaben auf unseren natürlichen Wasserstraßen
würde dann ein weiteres Stück einer Politik sein, die allein nach fiskalischen
Gesichtspunkten gestaltet wird. Erst die Schiffahrtsabgaben, dann Verteuerungen
und Erschwernisse im Fcrusprechwesen, dann vielleicht eine Erhöhung, sicherlich
aber keine Erinüßiguug der Eisenbahntarife. Und das alles im alleinigen
Interesse der gesamten Volkswirtschaft und zum "Schutze der nationalen Arbeit"!




Tod des Raimondo Grsini, 5>illa ^avelli
und Gttctvio Rusticucci
im Aampf mit den Abirren unter Gregor XIII. (^583).
Aus einer altitalienischen Handschrift übersetzt von Friedrich". Gppeln-Bronikowski.

Henri Beyle, der sich nach Winckelmanns deutscher Vaterstadt Stendhal
nannte und jetzt, siebzig Jahre nach seinem Tode, einen späten Nuhm
erlebt, den die Zeitgenossen ihm verweigerten, den er selbst jedoch voraussah,
hatte in den langen Jahren seines italienischen Aufenthalts dreizehn Fvliobände
anonymer Chroniken der Renaissancezeit gesammelt und diese als Unterlage
für seine "Chroniaucs Jtaliennes" (deutsch als "Renaissancenovcllen", Band IV
der deutschen Gesamtausgabe bon Stendhals Werken, Eugen Diederichs Verlag
in Jena) benutzt. Auch in seinen berühmten Roman "Die Knrtause von
Parma" (Band VI u. VII der deutschen Ausgabe) hat er eine dieser Chroniken
verwoben, ja aus eiuer anderen die ganze Fabel dieses Romans heraus¬
gesponnen. Sein Plötzlicher Tod im Jahre 1342 vereitelte die Fortführung
dieses Unternehmens, gerade an dem Tage, als ihm die Revue des Deux
Mondes eine größere Summe für neue Nenaissanccnovellen vorgeschossen hatte.
Die dreizehn Foliobände gingen 1861 in den Besitz der Pariser Ncitional-
biblivthek über, sind aber von der französischen Stendhalforschung bis heute
noch nicht zum Quellenstudium der "Chronigues Jtaliennes" herangezogen
worden. Friedrich von OPPeln-Bromkowski, der Herausgeber der deutschen
Stendhalausgabe, hat diese Arbeit übernommen und wird anläßlich der in
Vorbereitung befindlichen 2. Auflage der "Nenaissancenovellen" nicht nnr diese
Quellenanalyse vornehmen, sondern auch eine Reihe anziehender Varianten aus
den alten Chroniken schöpfen. Die nachfolgende Chronik gehört in den Dunstkreis
der Novelle "Vittoria Accoramboni". Sie schildert ungemein anschaulich die
heillosen Rechtszustände im Rom des ausgehenden Cinquecento und erscheint
D. Schriftltg. hier zum ersten Male im Druck.

Folgende seltsame und verhängnisvolle Tragödie ist des Mitleids und der
Tränen wert. Es ging das Gerücht, daß ein großer Bandit (Verbannter)
nachts durch die Straßen Roms streifte und kecke Nachetaten verübte. Zahl-


Tod des Raimondo Grsini

Verfassung, also die preußische Gesetzesvorlage annehmen sollte, ist ihr im Reichs¬
tage bei der heutigen Stellung der Parteien unter allen Umständen die Mehrheit
gesichert. Die Einführung von Abgaben auf unseren natürlichen Wasserstraßen
würde dann ein weiteres Stück einer Politik sein, die allein nach fiskalischen
Gesichtspunkten gestaltet wird. Erst die Schiffahrtsabgaben, dann Verteuerungen
und Erschwernisse im Fcrusprechwesen, dann vielleicht eine Erhöhung, sicherlich
aber keine Erinüßiguug der Eisenbahntarife. Und das alles im alleinigen
Interesse der gesamten Volkswirtschaft und zum „Schutze der nationalen Arbeit"!




Tod des Raimondo Grsini, 5>illa ^avelli
und Gttctvio Rusticucci
im Aampf mit den Abirren unter Gregor XIII. (^583).
Aus einer altitalienischen Handschrift übersetzt von Friedrich». Gppeln-Bronikowski.

Henri Beyle, der sich nach Winckelmanns deutscher Vaterstadt Stendhal
nannte und jetzt, siebzig Jahre nach seinem Tode, einen späten Nuhm
erlebt, den die Zeitgenossen ihm verweigerten, den er selbst jedoch voraussah,
hatte in den langen Jahren seines italienischen Aufenthalts dreizehn Fvliobände
anonymer Chroniken der Renaissancezeit gesammelt und diese als Unterlage
für seine „Chroniaucs Jtaliennes" (deutsch als „Renaissancenovcllen", Band IV
der deutschen Gesamtausgabe bon Stendhals Werken, Eugen Diederichs Verlag
in Jena) benutzt. Auch in seinen berühmten Roman „Die Knrtause von
Parma" (Band VI u. VII der deutschen Ausgabe) hat er eine dieser Chroniken
verwoben, ja aus eiuer anderen die ganze Fabel dieses Romans heraus¬
gesponnen. Sein Plötzlicher Tod im Jahre 1342 vereitelte die Fortführung
dieses Unternehmens, gerade an dem Tage, als ihm die Revue des Deux
Mondes eine größere Summe für neue Nenaissanccnovellen vorgeschossen hatte.
Die dreizehn Foliobände gingen 1861 in den Besitz der Pariser Ncitional-
biblivthek über, sind aber von der französischen Stendhalforschung bis heute
noch nicht zum Quellenstudium der „Chronigues Jtaliennes" herangezogen
worden. Friedrich von OPPeln-Bromkowski, der Herausgeber der deutschen
Stendhalausgabe, hat diese Arbeit übernommen und wird anläßlich der in
Vorbereitung befindlichen 2. Auflage der „Nenaissancenovellen" nicht nnr diese
Quellenanalyse vornehmen, sondern auch eine Reihe anziehender Varianten aus
den alten Chroniken schöpfen. Die nachfolgende Chronik gehört in den Dunstkreis
der Novelle „Vittoria Accoramboni". Sie schildert ungemein anschaulich die
heillosen Rechtszustände im Rom des ausgehenden Cinquecento und erscheint
D. Schriftltg. hier zum ersten Male im Druck.

Folgende seltsame und verhängnisvolle Tragödie ist des Mitleids und der
Tränen wert. Es ging das Gerücht, daß ein großer Bandit (Verbannter)
nachts durch die Straßen Roms streifte und kecke Nachetaten verübte. Zahl-


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[0270] Tod des Raimondo Grsini Verfassung, also die preußische Gesetzesvorlage annehmen sollte, ist ihr im Reichs¬ tage bei der heutigen Stellung der Parteien unter allen Umständen die Mehrheit gesichert. Die Einführung von Abgaben auf unseren natürlichen Wasserstraßen würde dann ein weiteres Stück einer Politik sein, die allein nach fiskalischen Gesichtspunkten gestaltet wird. Erst die Schiffahrtsabgaben, dann Verteuerungen und Erschwernisse im Fcrusprechwesen, dann vielleicht eine Erhöhung, sicherlich aber keine Erinüßiguug der Eisenbahntarife. Und das alles im alleinigen Interesse der gesamten Volkswirtschaft und zum „Schutze der nationalen Arbeit"! Tod des Raimondo Grsini, 5>illa ^avelli und Gttctvio Rusticucci im Aampf mit den Abirren unter Gregor XIII. (^583). Aus einer altitalienischen Handschrift übersetzt von Friedrich». Gppeln-Bronikowski. Henri Beyle, der sich nach Winckelmanns deutscher Vaterstadt Stendhal nannte und jetzt, siebzig Jahre nach seinem Tode, einen späten Nuhm erlebt, den die Zeitgenossen ihm verweigerten, den er selbst jedoch voraussah, hatte in den langen Jahren seines italienischen Aufenthalts dreizehn Fvliobände anonymer Chroniken der Renaissancezeit gesammelt und diese als Unterlage für seine „Chroniaucs Jtaliennes" (deutsch als „Renaissancenovcllen", Band IV der deutschen Gesamtausgabe bon Stendhals Werken, Eugen Diederichs Verlag in Jena) benutzt. Auch in seinen berühmten Roman „Die Knrtause von Parma" (Band VI u. VII der deutschen Ausgabe) hat er eine dieser Chroniken verwoben, ja aus eiuer anderen die ganze Fabel dieses Romans heraus¬ gesponnen. Sein Plötzlicher Tod im Jahre 1342 vereitelte die Fortführung dieses Unternehmens, gerade an dem Tage, als ihm die Revue des Deux Mondes eine größere Summe für neue Nenaissanccnovellen vorgeschossen hatte. Die dreizehn Foliobände gingen 1861 in den Besitz der Pariser Ncitional- biblivthek über, sind aber von der französischen Stendhalforschung bis heute noch nicht zum Quellenstudium der „Chronigues Jtaliennes" herangezogen worden. Friedrich von OPPeln-Bromkowski, der Herausgeber der deutschen Stendhalausgabe, hat diese Arbeit übernommen und wird anläßlich der in Vorbereitung befindlichen 2. Auflage der „Nenaissancenovellen" nicht nnr diese Quellenanalyse vornehmen, sondern auch eine Reihe anziehender Varianten aus den alten Chroniken schöpfen. Die nachfolgende Chronik gehört in den Dunstkreis der Novelle „Vittoria Accoramboni". Sie schildert ungemein anschaulich die heillosen Rechtszustände im Rom des ausgehenden Cinquecento und erscheint D. Schriftltg. hier zum ersten Male im Druck. Folgende seltsame und verhängnisvolle Tragödie ist des Mitleids und der Tränen wert. Es ging das Gerücht, daß ein großer Bandit (Verbannter) nachts durch die Straßen Roms streifte und kecke Nachetaten verübte. Zahl-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_314996/270>, abgerufen am 04.07.2024.