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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Jur Umgestaltung des Rechtsstudiums

mit dem Fortschrittslöwen. Man läßt sich etwas vorschimpfen und ist befriedigt.
Man liest mit Feuereifer und räsoniert nachher über die "Judenblätter". Der
Redakteur als Bajazzo!

So wird das Reichstagswahlrecht für Preußen einige hunderttausendmal
täglich gefordert -- laut und stürmisch --, und niemand denkt im Ernst daran.
Dies ist die Psychologie der radikalen Presse in Deutschland.




Zur Umgestaltung des Rechtsstudiums
von Dr. zur. Johannes Dobermann 2

einahe zugleich mit meinem ersten Aufsatz obigen Titels*) er¬
schien über denselben Gegenstand vom Geheimen Justizrat Pro¬
fessor Dr. Zitelmann in Bonn ein Aufsatz in der Deutschen
Juristenzeitung**) und bald darauf eine ihn in erweiterter Form
wiedergebende Broschüre.***)^

Es ist mir eine besondre Genugtuung, daß von so maßgebender Seite
her nicht nur an der heutigen Einrichtung des Rechtsstudiums eben das als
Übelstand gekennzeichnet wird, was ich als solchen empfand, sondern daß auch
die Umgestaltungsvorschläge des genannten Verfassers eine Erfüllung der von
mir ausgesprochnen Wünsche mit enthalten. Im Mittelpunkte dieser Vor¬
schläge, deren warme und offne Sprache dem Verfasser jedenfalls die
Sympathien gerade der Jüngern sichern wird, steht freilich ein die jetzige
juristische Ausbildung völlig umwälzender Gedanke, ein Gedanke, der das
Ziel einer pädagogischer" Gestaltung des Rechtsstudiums in vollendeter Weise
verwirklicht.

Im Anschluß an meinen genannten Aufsatz möchte ich über die Zitel-
mannschen Vorschläge in Kürze hier berichten. Der Verfasser geht aus von
der Beobachtung des höchst mangelhaften Besuches der juristischen Vor¬
lesungen und Übungen und findet den Grund für diese beklagenswerte Er¬
scheinung in der sachlichen Einrichtung des Studiums selbst, insbesondre in
der Anordnung der Vorlesungen, die "so unpädagogisch wie nur irgend möglich"
sei- Eine durchgreifende Änderung tue dringend not. Nur aus praktischen
Gründen verzichtet er darauf, den ebenfalls dringend reformbedürftigen
Gymnasialunterricht in seine Vorschläge einzubeziehen, und beschränkt sich
auf die nach dem Gymnasium liegende Ausbildung. Er lehnt es jedoch ab,





**) Ur. 9.
*) Ur. 14 dieser Zeitschrift. -
Die Vorbildung der Juristen. Leipzig) Duncker und Humblot, 1909. 4S Seiten.
Jur Umgestaltung des Rechtsstudiums

mit dem Fortschrittslöwen. Man läßt sich etwas vorschimpfen und ist befriedigt.
Man liest mit Feuereifer und räsoniert nachher über die „Judenblätter". Der
Redakteur als Bajazzo!

So wird das Reichstagswahlrecht für Preußen einige hunderttausendmal
täglich gefordert — laut und stürmisch —, und niemand denkt im Ernst daran.
Dies ist die Psychologie der radikalen Presse in Deutschland.




Zur Umgestaltung des Rechtsstudiums
von Dr. zur. Johannes Dobermann 2

einahe zugleich mit meinem ersten Aufsatz obigen Titels*) er¬
schien über denselben Gegenstand vom Geheimen Justizrat Pro¬
fessor Dr. Zitelmann in Bonn ein Aufsatz in der Deutschen
Juristenzeitung**) und bald darauf eine ihn in erweiterter Form
wiedergebende Broschüre.***)^

Es ist mir eine besondre Genugtuung, daß von so maßgebender Seite
her nicht nur an der heutigen Einrichtung des Rechtsstudiums eben das als
Übelstand gekennzeichnet wird, was ich als solchen empfand, sondern daß auch
die Umgestaltungsvorschläge des genannten Verfassers eine Erfüllung der von
mir ausgesprochnen Wünsche mit enthalten. Im Mittelpunkte dieser Vor¬
schläge, deren warme und offne Sprache dem Verfasser jedenfalls die
Sympathien gerade der Jüngern sichern wird, steht freilich ein die jetzige
juristische Ausbildung völlig umwälzender Gedanke, ein Gedanke, der das
Ziel einer pädagogischer» Gestaltung des Rechtsstudiums in vollendeter Weise
verwirklicht.

Im Anschluß an meinen genannten Aufsatz möchte ich über die Zitel-
mannschen Vorschläge in Kürze hier berichten. Der Verfasser geht aus von
der Beobachtung des höchst mangelhaften Besuches der juristischen Vor¬
lesungen und Übungen und findet den Grund für diese beklagenswerte Er¬
scheinung in der sachlichen Einrichtung des Studiums selbst, insbesondre in
der Anordnung der Vorlesungen, die „so unpädagogisch wie nur irgend möglich"
sei- Eine durchgreifende Änderung tue dringend not. Nur aus praktischen
Gründen verzichtet er darauf, den ebenfalls dringend reformbedürftigen
Gymnasialunterricht in seine Vorschläge einzubeziehen, und beschränkt sich
auf die nach dem Gymnasium liegende Ausbildung. Er lehnt es jedoch ab,





**) Ur. 9.
*) Ur. 14 dieser Zeitschrift. -
Die Vorbildung der Juristen. Leipzig) Duncker und Humblot, 1909. 4S Seiten.
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[0260] Jur Umgestaltung des Rechtsstudiums mit dem Fortschrittslöwen. Man läßt sich etwas vorschimpfen und ist befriedigt. Man liest mit Feuereifer und räsoniert nachher über die „Judenblätter". Der Redakteur als Bajazzo! So wird das Reichstagswahlrecht für Preußen einige hunderttausendmal täglich gefordert — laut und stürmisch —, und niemand denkt im Ernst daran. Dies ist die Psychologie der radikalen Presse in Deutschland. Zur Umgestaltung des Rechtsstudiums von Dr. zur. Johannes Dobermann 2 einahe zugleich mit meinem ersten Aufsatz obigen Titels*) er¬ schien über denselben Gegenstand vom Geheimen Justizrat Pro¬ fessor Dr. Zitelmann in Bonn ein Aufsatz in der Deutschen Juristenzeitung**) und bald darauf eine ihn in erweiterter Form wiedergebende Broschüre.***)^ Es ist mir eine besondre Genugtuung, daß von so maßgebender Seite her nicht nur an der heutigen Einrichtung des Rechtsstudiums eben das als Übelstand gekennzeichnet wird, was ich als solchen empfand, sondern daß auch die Umgestaltungsvorschläge des genannten Verfassers eine Erfüllung der von mir ausgesprochnen Wünsche mit enthalten. Im Mittelpunkte dieser Vor¬ schläge, deren warme und offne Sprache dem Verfasser jedenfalls die Sympathien gerade der Jüngern sichern wird, steht freilich ein die jetzige juristische Ausbildung völlig umwälzender Gedanke, ein Gedanke, der das Ziel einer pädagogischer» Gestaltung des Rechtsstudiums in vollendeter Weise verwirklicht. Im Anschluß an meinen genannten Aufsatz möchte ich über die Zitel- mannschen Vorschläge in Kürze hier berichten. Der Verfasser geht aus von der Beobachtung des höchst mangelhaften Besuches der juristischen Vor¬ lesungen und Übungen und findet den Grund für diese beklagenswerte Er¬ scheinung in der sachlichen Einrichtung des Studiums selbst, insbesondre in der Anordnung der Vorlesungen, die „so unpädagogisch wie nur irgend möglich" sei- Eine durchgreifende Änderung tue dringend not. Nur aus praktischen Gründen verzichtet er darauf, den ebenfalls dringend reformbedürftigen Gymnasialunterricht in seine Vorschläge einzubeziehen, und beschränkt sich auf die nach dem Gymnasium liegende Ausbildung. Er lehnt es jedoch ab, **) Ur. 9. *) Ur. 14 dieser Zeitschrift. - Die Vorbildung der Juristen. Leipzig) Duncker und Humblot, 1909. 4S Seiten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/260>, abgerufen am 24.07.2024.