Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.Die Interessen Deutschlands in der Türkei Ansiedlungsversuche Die ersten größern deutschen Ansiedlungsversuche in der Türkei gingen Nachdem auch die in Georgien lebenden deutschen Sektierer vergeblich in Diese Bewegung des Tempels hat sich im Anfang der vierziger Jahre in Gegen diese religiösen und sozialen Mißstände ist Chr. Hoffmann, aus der Die Interessen Deutschlands in der Türkei Ansiedlungsversuche Die ersten größern deutschen Ansiedlungsversuche in der Türkei gingen Nachdem auch die in Georgien lebenden deutschen Sektierer vergeblich in Diese Bewegung des Tempels hat sich im Anfang der vierziger Jahre in Gegen diese religiösen und sozialen Mißstände ist Chr. Hoffmann, aus der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0512" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314215"/> <fw type="header" place="top"> Die Interessen Deutschlands in der Türkei</fw><lb/> </div> <div n="2"> <head> Ansiedlungsversuche</head><lb/> <p xml:id="ID_2498"> Die ersten größern deutschen Ansiedlungsversuche in der Türkei gingen<lb/> von ungefähr fünfzig protestantischen Familien aus, die im Anfang des neun¬<lb/> zehnten Jahrhunderts nach Südrußland ausgewandert waren und sich in¬<lb/> folge eines Ukases, durch den ihnen die beim Eintritt zugesicherten Vorrechte<lb/> wieder entzogen werden sollten, veranlaßt sahen, im Jahre 1842 das russische<lb/> Gebiet zu verlassen und in der Walachei eine neue Heimat zu suchen. Hier<lb/> schreckte sie die schlechte Behandlung der Negierung ab. Es zogen infolge¬<lb/> dessen viele von ihnen in die fruchtbaren Täter Bulgariens, und die noch<lb/> in der Walachei zurückgebliebnen Deutschen folgten bald nach. Da erließ die<lb/> türkische Negierung, wahrscheinlich auf Veranlassung Rußlands, das eine<lb/> Kolonisierung der Türkei durch Deutsche nicht gern sah, einen Befehl, die<lb/> sämtlichen Ansiedler auf das andre Donauufer zurückzubringen. Diese mußten<lb/> zum Teil in der Walachei, zum Teil in Rußland, von wo sie geflüchtet waren,<lb/> Leibeigne Fremder werden. Zu derselben Zeit wanderten mehrere süddeutsche<lb/> Familien nach Amasia aus und gründeten dort eine blühende Kolonie, die aber<lb/> nach funfzigjährigen Bestehn verfallen ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_2499"> Nachdem auch die in Georgien lebenden deutschen Sektierer vergeblich in<lb/> den vierziger Jahren Palästina zu kolonisieren versucht hatten, begann im<lb/> Jahre 1868 die bedeutungsvolle Auswandrung der Templer aus Württemberg<lb/> unter Leitung des tatkräftigen Idealisten G. D. Hardegg und des Gelehrten<lb/> Chr. Hoffmann, Bruder des Hofpredigers und Generalsuperintendenten W. Hoff¬<lb/> mann in Berlin. Ihr Zweck war ein religiöser. Sie wollten im Heiligen Lande<lb/> an der Aufrichtung des Reichs Gottes auf Erden (Tempel), wie solches von<lb/> den Propheten geweissagt worden ist, arbeiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2500"> Diese Bewegung des Tempels hat sich im Anfang der vierziger Jahre in<lb/> Württemberg erhoben, als die Bundestagsverwaltung schwer auf Deutschland<lb/> lastete, und die nationalen wie sozialen Bestrebungen niedergehalten wurden.<lb/> Die Unzufriedenheit, die im Volke herrschte, wurde durch die rationalistischen<lb/> Bestrebungen der Kirche, die sich besonders in Württemberg unter dem Einfluß<lb/> der kritischen Schule von Tübingen und der Schriften von D. Fr. Strauß<lb/> geltend gemacht haben, noch gesteigert.</p><lb/> <p xml:id="ID_2501"> Gegen diese religiösen und sozialen Mißstände ist Chr. Hoffmann, aus der<lb/> württembergischen Stadt Leonberg, zuerst mit Schrift und Wort, später als<lb/> Vertreter der Pietisten im Parlament zu Frankfurt aufgetreten. Als er ver¬<lb/> gebens im politischen Betriebe den Kampfe gegen die Verhältnisse aufgenommen<lb/> hatte, führten ihn seine Forschungen in der Bibel, in der er die Wege zur<lb/> Heilung der Zerrüttung Deutschlands zu finden glaubte, zu der Überzeugung,<lb/> daß „die Heilung der Völkerkrankheit" in dem Bau eines Tempels, das heißt<lb/> in der Bildung einer neuen, unabhängig von den bestehenden Kirchen auf<lb/> christlicher Grundlage organisierten Gesellschaft, ähnlich der ersten Christen¬<lb/> gemeinde, beruhe.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0512]
Die Interessen Deutschlands in der Türkei
Ansiedlungsversuche
Die ersten größern deutschen Ansiedlungsversuche in der Türkei gingen
von ungefähr fünfzig protestantischen Familien aus, die im Anfang des neun¬
zehnten Jahrhunderts nach Südrußland ausgewandert waren und sich in¬
folge eines Ukases, durch den ihnen die beim Eintritt zugesicherten Vorrechte
wieder entzogen werden sollten, veranlaßt sahen, im Jahre 1842 das russische
Gebiet zu verlassen und in der Walachei eine neue Heimat zu suchen. Hier
schreckte sie die schlechte Behandlung der Negierung ab. Es zogen infolge¬
dessen viele von ihnen in die fruchtbaren Täter Bulgariens, und die noch
in der Walachei zurückgebliebnen Deutschen folgten bald nach. Da erließ die
türkische Negierung, wahrscheinlich auf Veranlassung Rußlands, das eine
Kolonisierung der Türkei durch Deutsche nicht gern sah, einen Befehl, die
sämtlichen Ansiedler auf das andre Donauufer zurückzubringen. Diese mußten
zum Teil in der Walachei, zum Teil in Rußland, von wo sie geflüchtet waren,
Leibeigne Fremder werden. Zu derselben Zeit wanderten mehrere süddeutsche
Familien nach Amasia aus und gründeten dort eine blühende Kolonie, die aber
nach funfzigjährigen Bestehn verfallen ist.
Nachdem auch die in Georgien lebenden deutschen Sektierer vergeblich in
den vierziger Jahren Palästina zu kolonisieren versucht hatten, begann im
Jahre 1868 die bedeutungsvolle Auswandrung der Templer aus Württemberg
unter Leitung des tatkräftigen Idealisten G. D. Hardegg und des Gelehrten
Chr. Hoffmann, Bruder des Hofpredigers und Generalsuperintendenten W. Hoff¬
mann in Berlin. Ihr Zweck war ein religiöser. Sie wollten im Heiligen Lande
an der Aufrichtung des Reichs Gottes auf Erden (Tempel), wie solches von
den Propheten geweissagt worden ist, arbeiten.
Diese Bewegung des Tempels hat sich im Anfang der vierziger Jahre in
Württemberg erhoben, als die Bundestagsverwaltung schwer auf Deutschland
lastete, und die nationalen wie sozialen Bestrebungen niedergehalten wurden.
Die Unzufriedenheit, die im Volke herrschte, wurde durch die rationalistischen
Bestrebungen der Kirche, die sich besonders in Württemberg unter dem Einfluß
der kritischen Schule von Tübingen und der Schriften von D. Fr. Strauß
geltend gemacht haben, noch gesteigert.
Gegen diese religiösen und sozialen Mißstände ist Chr. Hoffmann, aus der
württembergischen Stadt Leonberg, zuerst mit Schrift und Wort, später als
Vertreter der Pietisten im Parlament zu Frankfurt aufgetreten. Als er ver¬
gebens im politischen Betriebe den Kampfe gegen die Verhältnisse aufgenommen
hatte, führten ihn seine Forschungen in der Bibel, in der er die Wege zur
Heilung der Zerrüttung Deutschlands zu finden glaubte, zu der Überzeugung,
daß „die Heilung der Völkerkrankheit" in dem Bau eines Tempels, das heißt
in der Bildung einer neuen, unabhängig von den bestehenden Kirchen auf
christlicher Grundlage organisierten Gesellschaft, ähnlich der ersten Christen¬
gemeinde, beruhe.
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