Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Entstanden aus der finanziellen Not eines Reiches, dessen Angehörige sich seit Politische Jahrbücher. Die eigenartige Entwicklung der deutschen Zeitungen, Maßgebliches und Unmaßgebliches Entstanden aus der finanziellen Not eines Reiches, dessen Angehörige sich seit Politische Jahrbücher. Die eigenartige Entwicklung der deutschen Zeitungen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0344" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/314047"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1508"> Entstanden aus der finanziellen Not eines Reiches, dessen Angehörige sich seit<lb/> Jahrzehnten einer wirtschaftlichen Entwicklung von erstaunlicher Kraft erfreuen, ent¬<lb/> standen aus dem Bedürfnis, die Mittel zur Aufrechterhaltung des Erreichten bereit¬<lb/> zustellen, darf die Reichsfinanzreform nicht Anlaß zu vergiftenden innerpolitischen<lb/> Kämpfen werden. Es gilt, unserm Volke das Einleben in mancherlei neue Wirt¬<lb/> schaftsbedingungen zu erleichtern, nicht zu erschweren. Dazu können die bürger¬<lb/> lichen Parteien, denen in schweren Kämpfen um den Weg dennoch ein gleiches Ziel<lb/> vor Augen stand, beitragen, indem sie den vergiftenden Streit ruhen lassen und<lb/> unter die Befehdungen der letzten Monate jetzt endlich einen Strich machen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head> Politische Jahrbücher.</head> <p xml:id="ID_1509" next="#ID_1510"> Die eigenartige Entwicklung der deutschen Zeitungen,<lb/> die sich immer mehr zu reinen Tagessammlungen von politischen Neuigkeiten und<lb/> Sensationsnachrichten, von Unglücksfällen, Verbrechen und pikanten Gerichtsverhand¬<lb/> lungen usw. herausbilden, sodaß sie keinen Raum mehr — vielleicht auch keine<lb/> Redakteure — für Übersichten und erläuternde Darstellungen haben, ist hinreichend<lb/> bekannt. Der Leser verliert bei dem bunten Durcheinander, für das höchstens als<lb/> leitender Gesichtspunkt gilt, daß mit Rücksicht auf die lokale Konkurrenz nur ja vom<lb/> Neusten nichts vergessen wird, den Überblick über den eigentlichen Gang der Er¬<lb/> eignisse und vermag sich aus der Überhäufung mit Nachrichten, Dementis, Gerüchten,<lb/> amtlichen Nachrichten und absichtlich parteiisch gehaltnen, lückenhaften Ausführungen<lb/> nur schwer ein Urteil zu bilden. Man hat sich darum in Deutschland längst daran<lb/> gewöhnt, die Presse als nichts andres wie als Lokalblatt, Jnseratenschau und Unter¬<lb/> haltungsstoff anzusehn, von dem man ohne Nachteil für die eigne Ausbildung gerade<lb/> so viel liest, als man Lust und Zeit hat. Die Sensationssucht und das Unterhaltungs¬<lb/> bedürfnis mögen ja dabei ihre Befriedigung finden, und für sie ist es auch un-<lb/> wesentlich, ob sich der tägliche sensationelle Unglücksfall, Kindsmord oder Pikante<lb/> Prozeß — das wird ja heute alles prompt telegraphiert — in Hinterindien oder<lb/> in der Nachbarschaft ereignet hat. Der ursprüngliche Zweck der Zeitungen, über den<lb/> Gang der Weltereignisse zu berichten, leidet aber unter dem Übergewicht des<lb/> sensationellen Stoffs, dem die abgerissene Berichterstattung in der Regel nichts<lb/> schadet, die aber für die Behandlung politischer Fragen nicht genügt. Dieser offen¬<lb/> kundige Mangel hat auf der einen Seite den Wunsch nach politischer Erziehung<lb/> durch die Schule, auf der andern das Bedürfnis nach übersichtlichen politischen<lb/> Darstellungen hervorgerufen. Zur Befriedigung dieses Bedürfnisses erscheinen seit<lb/> Jahren eine Anzahl von politischen Jahrbüchern, von denen hier drei der Redaktion<lb/> zugegangne besprochen werden sollen. Vorausgeschickt sei, daß alle drei ihrem auf<lb/> besondre Leserkreise berechneten Zwecke vollkommen entsprechen. Die politische<lb/> Jahresübersicht für 1908 (Stuttgart, Carl Krabbe Verlag, Erich Gußmann,<lb/> 1.50 Mark) von Gottlob Egelhaaf soll als Jahresergänzung zu des Verfassers<lb/> in demselben Verlag erschienenen Geschichte der neusten Zeit dienen. Darum ist die<lb/> Darstellung knapp gehalten, aber der Verfasser zeigt ein eigenartiges Geschick, das<lb/> Wichtigste und voraussichtlich für die Zukunft Bedeutsamste herauszugreifen und<lb/> ebenso übersichtlich wie fesselnd darzustellen. Als dokumentarischer Anhang ist bei¬<lb/> gegeben ein Auszug aus der Reichstagsrede des Abgeordneten von Payer am<lb/> 4. April 1908, der vielgenannte Artikel des Daily Telegraph samt der Antwort<lb/> des Pariser Temps, die Rede des Fürsten Bülow am 10. November 1908 im<lb/> Reichstag, die entscheidenden Aktenstücke über die Einverleibung von Bosnien und<lb/> der Herzegowina und die Thronrede zur Eröffnung des türkischen Parlaments. —-<lb/> Das Jahrbuch der Weltgeschichte, das Jahr 1908 (9. Jahrgang, bei Karl<lb/> Prochaska in Leipzig, Wien, Teschen. 1.50 Mark, gebunden 2 Mark) von Alb in<lb/> Geyer wendet sich vornehmlich an die gebildeten bürgerlichen Kreise. Der Verfasser<lb/> wird dem von der Verlagsbuchhandlung aufgestellten Programm, die handelnden</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0344]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Entstanden aus der finanziellen Not eines Reiches, dessen Angehörige sich seit
Jahrzehnten einer wirtschaftlichen Entwicklung von erstaunlicher Kraft erfreuen, ent¬
standen aus dem Bedürfnis, die Mittel zur Aufrechterhaltung des Erreichten bereit¬
zustellen, darf die Reichsfinanzreform nicht Anlaß zu vergiftenden innerpolitischen
Kämpfen werden. Es gilt, unserm Volke das Einleben in mancherlei neue Wirt¬
schaftsbedingungen zu erleichtern, nicht zu erschweren. Dazu können die bürger¬
lichen Parteien, denen in schweren Kämpfen um den Weg dennoch ein gleiches Ziel
vor Augen stand, beitragen, indem sie den vergiftenden Streit ruhen lassen und
unter die Befehdungen der letzten Monate jetzt endlich einen Strich machen.
Politische Jahrbücher. Die eigenartige Entwicklung der deutschen Zeitungen,
die sich immer mehr zu reinen Tagessammlungen von politischen Neuigkeiten und
Sensationsnachrichten, von Unglücksfällen, Verbrechen und pikanten Gerichtsverhand¬
lungen usw. herausbilden, sodaß sie keinen Raum mehr — vielleicht auch keine
Redakteure — für Übersichten und erläuternde Darstellungen haben, ist hinreichend
bekannt. Der Leser verliert bei dem bunten Durcheinander, für das höchstens als
leitender Gesichtspunkt gilt, daß mit Rücksicht auf die lokale Konkurrenz nur ja vom
Neusten nichts vergessen wird, den Überblick über den eigentlichen Gang der Er¬
eignisse und vermag sich aus der Überhäufung mit Nachrichten, Dementis, Gerüchten,
amtlichen Nachrichten und absichtlich parteiisch gehaltnen, lückenhaften Ausführungen
nur schwer ein Urteil zu bilden. Man hat sich darum in Deutschland längst daran
gewöhnt, die Presse als nichts andres wie als Lokalblatt, Jnseratenschau und Unter¬
haltungsstoff anzusehn, von dem man ohne Nachteil für die eigne Ausbildung gerade
so viel liest, als man Lust und Zeit hat. Die Sensationssucht und das Unterhaltungs¬
bedürfnis mögen ja dabei ihre Befriedigung finden, und für sie ist es auch un-
wesentlich, ob sich der tägliche sensationelle Unglücksfall, Kindsmord oder Pikante
Prozeß — das wird ja heute alles prompt telegraphiert — in Hinterindien oder
in der Nachbarschaft ereignet hat. Der ursprüngliche Zweck der Zeitungen, über den
Gang der Weltereignisse zu berichten, leidet aber unter dem Übergewicht des
sensationellen Stoffs, dem die abgerissene Berichterstattung in der Regel nichts
schadet, die aber für die Behandlung politischer Fragen nicht genügt. Dieser offen¬
kundige Mangel hat auf der einen Seite den Wunsch nach politischer Erziehung
durch die Schule, auf der andern das Bedürfnis nach übersichtlichen politischen
Darstellungen hervorgerufen. Zur Befriedigung dieses Bedürfnisses erscheinen seit
Jahren eine Anzahl von politischen Jahrbüchern, von denen hier drei der Redaktion
zugegangne besprochen werden sollen. Vorausgeschickt sei, daß alle drei ihrem auf
besondre Leserkreise berechneten Zwecke vollkommen entsprechen. Die politische
Jahresübersicht für 1908 (Stuttgart, Carl Krabbe Verlag, Erich Gußmann,
1.50 Mark) von Gottlob Egelhaaf soll als Jahresergänzung zu des Verfassers
in demselben Verlag erschienenen Geschichte der neusten Zeit dienen. Darum ist die
Darstellung knapp gehalten, aber der Verfasser zeigt ein eigenartiges Geschick, das
Wichtigste und voraussichtlich für die Zukunft Bedeutsamste herauszugreifen und
ebenso übersichtlich wie fesselnd darzustellen. Als dokumentarischer Anhang ist bei¬
gegeben ein Auszug aus der Reichstagsrede des Abgeordneten von Payer am
4. April 1908, der vielgenannte Artikel des Daily Telegraph samt der Antwort
des Pariser Temps, die Rede des Fürsten Bülow am 10. November 1908 im
Reichstag, die entscheidenden Aktenstücke über die Einverleibung von Bosnien und
der Herzegowina und die Thronrede zur Eröffnung des türkischen Parlaments. —-
Das Jahrbuch der Weltgeschichte, das Jahr 1908 (9. Jahrgang, bei Karl
Prochaska in Leipzig, Wien, Teschen. 1.50 Mark, gebunden 2 Mark) von Alb in
Geyer wendet sich vornehmlich an die gebildeten bürgerlichen Kreise. Der Verfasser
wird dem von der Verlagsbuchhandlung aufgestellten Programm, die handelnden
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