Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Auswanderung uach Brasilien

Die Reservisten sollen am zweiten Mobilmachungstage früh 0 Uhr nach
den Mobilmachungsversaminlnngsorten in Marsch gesetzt werden. Nach an¬
nähernder Schätzung soll die Mobilmachung der gesamten Armee in zwölf bis
achtzehn Tagen vollendet sein können. Doch läßt wohl die bevorzugte geographische
Lage Japans nach dieser Richtung einen nicht unbeträchtlichen Spielraum zu.
Im Kriege gegen Rußland wurde der Mobilmachungsbefehl vom 6. Februar
ab in kurzen Zwischenräumen an die zwölfte, zweite und die Gardedivision, die
zusammen die erste Armee bilden sollten, ausgegeben. Und schon am 13. Februar
konnte die zwölfte Division mit der Einschiffung in Nagasaki beginnen; in der
zweiten Hälfte Februar waren die zweite und die Gardedivision bei Hiroshima ver¬
sammelt. Die Beförderung mit der Bahn zur Versammlung konnte für die zuerst
marschbereiten Truppenteile schon am siebenten Mobilmachungstage beginnen.

Die Mobilmachung der Depottruppen soll zu derselben Zeit beginnen wie
die der Feldarmee. Mit ihrer Beendigung wird für den zwanzigsten bis fünf-
undzwanzigsten Mobilmachungstag gerechnet; zu annähernd demselben Termin
dürften auch die Neserveformationen bereit sein.




Zur Auswanderung nach Brasilien
Von Albert Ronda

enden die Aufnahmefähigkeit Nordamerikas für europäische In¬
telligenz und Muskelkraft geschwunden ist, wendet sich die Suche
nach günstigen Gebieten zur Unterbringung der überflüssigen
europäischen Menschenmassen und zu gewinnbringenden Unter¬
nehmungen für das europäische Kapital gern Südamerika zu.
Auch in einigen Kreisen Südamerikas richtet man die Blicke hilfesuchend nach
Europa. Was das europäische Kapital anlangt, ist dieses bekanntlich hier
immer willkommen gewesen, in betreff des Menschenmaterials und der In¬
telligenz hingegen hat man früher zuweilen eher Abneigung und ein gewisses
Mißtrauen wahrgenommen, was besonders von Brasilien gilt, während Argen¬
tinien, wenn es sich auch manchmal nicht gerade besonders bemüht hat, die
europäische Auswanderung anzuziehen, doch nichts getan hat, um diese abzu¬
stoßen. Brasilien hat seit sechs Jahren einen geschickten und weitschauendeu
Minister des Äußern, den frühern Gesandten in Berlin, Baron von Rio
Branco, der unermüdlich daran arbeitet, Brasiliens Einfluß und Bedeutung
ZU vermehren und es zum tonangebenden Staate Südamerikas zu machen.
Den Bestrebungen dieses Staatsmanns ist es hauptsächlich zu danken, daß
Brasilien aus dem Halbdunkel, worin es sich für Europa befand, heraus¬
getreten ist, daß es jede Gelegenheit benutzt, Zeichen seiner Existenz zu geben
und Reklame für sich zu machen. Die Entsendung Ruy Barbosas, des "ersten


Grenzboten III 1909 15
Zur Auswanderung uach Brasilien

Die Reservisten sollen am zweiten Mobilmachungstage früh 0 Uhr nach
den Mobilmachungsversaminlnngsorten in Marsch gesetzt werden. Nach an¬
nähernder Schätzung soll die Mobilmachung der gesamten Armee in zwölf bis
achtzehn Tagen vollendet sein können. Doch läßt wohl die bevorzugte geographische
Lage Japans nach dieser Richtung einen nicht unbeträchtlichen Spielraum zu.
Im Kriege gegen Rußland wurde der Mobilmachungsbefehl vom 6. Februar
ab in kurzen Zwischenräumen an die zwölfte, zweite und die Gardedivision, die
zusammen die erste Armee bilden sollten, ausgegeben. Und schon am 13. Februar
konnte die zwölfte Division mit der Einschiffung in Nagasaki beginnen; in der
zweiten Hälfte Februar waren die zweite und die Gardedivision bei Hiroshima ver¬
sammelt. Die Beförderung mit der Bahn zur Versammlung konnte für die zuerst
marschbereiten Truppenteile schon am siebenten Mobilmachungstage beginnen.

Die Mobilmachung der Depottruppen soll zu derselben Zeit beginnen wie
die der Feldarmee. Mit ihrer Beendigung wird für den zwanzigsten bis fünf-
undzwanzigsten Mobilmachungstag gerechnet; zu annähernd demselben Termin
dürften auch die Neserveformationen bereit sein.




Zur Auswanderung nach Brasilien
Von Albert Ronda

enden die Aufnahmefähigkeit Nordamerikas für europäische In¬
telligenz und Muskelkraft geschwunden ist, wendet sich die Suche
nach günstigen Gebieten zur Unterbringung der überflüssigen
europäischen Menschenmassen und zu gewinnbringenden Unter¬
nehmungen für das europäische Kapital gern Südamerika zu.
Auch in einigen Kreisen Südamerikas richtet man die Blicke hilfesuchend nach
Europa. Was das europäische Kapital anlangt, ist dieses bekanntlich hier
immer willkommen gewesen, in betreff des Menschenmaterials und der In¬
telligenz hingegen hat man früher zuweilen eher Abneigung und ein gewisses
Mißtrauen wahrgenommen, was besonders von Brasilien gilt, während Argen¬
tinien, wenn es sich auch manchmal nicht gerade besonders bemüht hat, die
europäische Auswanderung anzuziehen, doch nichts getan hat, um diese abzu¬
stoßen. Brasilien hat seit sechs Jahren einen geschickten und weitschauendeu
Minister des Äußern, den frühern Gesandten in Berlin, Baron von Rio
Branco, der unermüdlich daran arbeitet, Brasiliens Einfluß und Bedeutung
ZU vermehren und es zum tonangebenden Staate Südamerikas zu machen.
Den Bestrebungen dieses Staatsmanns ist es hauptsächlich zu danken, daß
Brasilien aus dem Halbdunkel, worin es sich für Europa befand, heraus¬
getreten ist, daß es jede Gelegenheit benutzt, Zeichen seiner Existenz zu geben
und Reklame für sich zu machen. Die Entsendung Ruy Barbosas, des „ersten


Grenzboten III 1909 15
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0117" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/313820"/>
            <fw type="header" place="top"> Zur Auswanderung uach Brasilien</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_437"> Die Reservisten sollen am zweiten Mobilmachungstage früh 0 Uhr nach<lb/>
den Mobilmachungsversaminlnngsorten in Marsch gesetzt werden. Nach an¬<lb/>
nähernder Schätzung soll die Mobilmachung der gesamten Armee in zwölf bis<lb/>
achtzehn Tagen vollendet sein können. Doch läßt wohl die bevorzugte geographische<lb/>
Lage Japans nach dieser Richtung einen nicht unbeträchtlichen Spielraum zu.<lb/>
Im Kriege gegen Rußland wurde der Mobilmachungsbefehl vom 6. Februar<lb/>
ab in kurzen Zwischenräumen an die zwölfte, zweite und die Gardedivision, die<lb/>
zusammen die erste Armee bilden sollten, ausgegeben. Und schon am 13. Februar<lb/>
konnte die zwölfte Division mit der Einschiffung in Nagasaki beginnen; in der<lb/>
zweiten Hälfte Februar waren die zweite und die Gardedivision bei Hiroshima ver¬<lb/>
sammelt. Die Beförderung mit der Bahn zur Versammlung konnte für die zuerst<lb/>
marschbereiten Truppenteile schon am siebenten Mobilmachungstage beginnen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_438"> Die Mobilmachung der Depottruppen soll zu derselben Zeit beginnen wie<lb/>
die der Feldarmee. Mit ihrer Beendigung wird für den zwanzigsten bis fünf-<lb/>
undzwanzigsten Mobilmachungstag gerechnet; zu annähernd demselben Termin<lb/>
dürften auch die Neserveformationen bereit sein.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Zur Auswanderung nach Brasilien<lb/><note type="byline"> Von Albert Ronda </note></head><lb/>
          <p xml:id="ID_439" next="#ID_440"> enden die Aufnahmefähigkeit Nordamerikas für europäische In¬<lb/>
telligenz und Muskelkraft geschwunden ist, wendet sich die Suche<lb/>
nach günstigen Gebieten zur Unterbringung der überflüssigen<lb/>
europäischen Menschenmassen und zu gewinnbringenden Unter¬<lb/>
nehmungen für das europäische Kapital gern Südamerika zu.<lb/>
Auch in einigen Kreisen Südamerikas richtet man die Blicke hilfesuchend nach<lb/>
Europa. Was das europäische Kapital anlangt, ist dieses bekanntlich hier<lb/>
immer willkommen gewesen, in betreff des Menschenmaterials und der In¬<lb/>
telligenz hingegen hat man früher zuweilen eher Abneigung und ein gewisses<lb/>
Mißtrauen wahrgenommen, was besonders von Brasilien gilt, während Argen¬<lb/>
tinien, wenn es sich auch manchmal nicht gerade besonders bemüht hat, die<lb/>
europäische Auswanderung anzuziehen, doch nichts getan hat, um diese abzu¬<lb/>
stoßen. Brasilien hat seit sechs Jahren einen geschickten und weitschauendeu<lb/>
Minister des Äußern, den frühern Gesandten in Berlin, Baron von Rio<lb/>
Branco, der unermüdlich daran arbeitet, Brasiliens Einfluß und Bedeutung<lb/>
ZU vermehren und es zum tonangebenden Staate Südamerikas zu machen.<lb/>
Den Bestrebungen dieses Staatsmanns ist es hauptsächlich zu danken, daß<lb/>
Brasilien aus dem Halbdunkel, worin es sich für Europa befand, heraus¬<lb/>
getreten ist, daß es jede Gelegenheit benutzt, Zeichen seiner Existenz zu geben<lb/>
und Reklame für sich zu machen. Die Entsendung Ruy Barbosas, des &#x201E;ersten</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1909 15</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0117] Zur Auswanderung uach Brasilien Die Reservisten sollen am zweiten Mobilmachungstage früh 0 Uhr nach den Mobilmachungsversaminlnngsorten in Marsch gesetzt werden. Nach an¬ nähernder Schätzung soll die Mobilmachung der gesamten Armee in zwölf bis achtzehn Tagen vollendet sein können. Doch läßt wohl die bevorzugte geographische Lage Japans nach dieser Richtung einen nicht unbeträchtlichen Spielraum zu. Im Kriege gegen Rußland wurde der Mobilmachungsbefehl vom 6. Februar ab in kurzen Zwischenräumen an die zwölfte, zweite und die Gardedivision, die zusammen die erste Armee bilden sollten, ausgegeben. Und schon am 13. Februar konnte die zwölfte Division mit der Einschiffung in Nagasaki beginnen; in der zweiten Hälfte Februar waren die zweite und die Gardedivision bei Hiroshima ver¬ sammelt. Die Beförderung mit der Bahn zur Versammlung konnte für die zuerst marschbereiten Truppenteile schon am siebenten Mobilmachungstage beginnen. Die Mobilmachung der Depottruppen soll zu derselben Zeit beginnen wie die der Feldarmee. Mit ihrer Beendigung wird für den zwanzigsten bis fünf- undzwanzigsten Mobilmachungstag gerechnet; zu annähernd demselben Termin dürften auch die Neserveformationen bereit sein. Zur Auswanderung nach Brasilien Von Albert Ronda enden die Aufnahmefähigkeit Nordamerikas für europäische In¬ telligenz und Muskelkraft geschwunden ist, wendet sich die Suche nach günstigen Gebieten zur Unterbringung der überflüssigen europäischen Menschenmassen und zu gewinnbringenden Unter¬ nehmungen für das europäische Kapital gern Südamerika zu. Auch in einigen Kreisen Südamerikas richtet man die Blicke hilfesuchend nach Europa. Was das europäische Kapital anlangt, ist dieses bekanntlich hier immer willkommen gewesen, in betreff des Menschenmaterials und der In¬ telligenz hingegen hat man früher zuweilen eher Abneigung und ein gewisses Mißtrauen wahrgenommen, was besonders von Brasilien gilt, während Argen¬ tinien, wenn es sich auch manchmal nicht gerade besonders bemüht hat, die europäische Auswanderung anzuziehen, doch nichts getan hat, um diese abzu¬ stoßen. Brasilien hat seit sechs Jahren einen geschickten und weitschauendeu Minister des Äußern, den frühern Gesandten in Berlin, Baron von Rio Branco, der unermüdlich daran arbeitet, Brasiliens Einfluß und Bedeutung ZU vermehren und es zum tonangebenden Staate Südamerikas zu machen. Den Bestrebungen dieses Staatsmanns ist es hauptsächlich zu danken, daß Brasilien aus dem Halbdunkel, worin es sich für Europa befand, heraus¬ getreten ist, daß es jede Gelegenheit benutzt, Zeichen seiner Existenz zu geben und Reklame für sich zu machen. Die Entsendung Ruy Barbosas, des „ersten Grenzboten III 1909 15

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/117
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_313702/117>, abgerufen am 30.12.2024.