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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Jakob Julius Oavid

widereinander der göttlichen Vorsehung anheimstellte, die sich in der un¬
zweideutigsten Sprache weltgeschichtlicher Tatsachen zweifellos dahin aus¬
gesprochen hat, daß diese zwei einstweilen nebeneinander leben sollen."
Ein verständiger, ein vortrefflicher und, bei gutem Willen, leicht ausführ¬
Carl Ientsch barer Rat! _
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Jakob Julius T>avid
von Heinrich Spiero

us dem Bilde, das der von Ernst Heilborn und Erich Schmidt
besorgten Gesamtausgabe von I. I. Davids Werken (München und
Leipzig, R. Piper K Co.) vorgeheftet ist, schaut uns der Kopf eines
von Schmerzen und Leiden gerüttelten und gequälten, aber, wie
wir deutlich fühlen, nicht bezwnngnen Mannes entgegen. Die
eingesunknen Schläfen, der von Sorgenfalten umzogne Mund, die
eingefallnen Wangen deuten auf körperliche Leiden und Entbehrungen, die
schön gewölbte Stirn und der bewußte, klare, ernste Blick der großen Augen
auf innerliche Überwindung irdischer Anfechtung. Und auf sie weist auch hin,
was der Dichter selbst als sein Testament dem ältern der beiden Herausgeber zu¬
ruft; von seinem letzten Krankenbett schreibt er da: "Noch hatten die Ärzte
Hoffnung oder taten so. Ein schlimmer Sommer zerstörte auch den Rest davon,
und ich habe eben nur schwerer sterben müssen, wie mir das Leben nicht
leicht geworden ist. Das muß man eben nehmen, wie es verhängt ist und
kommt, und wenn ich die Gesamtheit überblicke, die ja eine ganz hübsche Spanne
Zeit umfaßt, so darf ich mir das Zeugnis nicht versagen: wie es mich nicht
weich gewiegt hat, so bin ich nicht weich geworden und habe die Dinge ge¬
nommen und getragen, wie sie gefallen sind." Und nachher mit tief ergreifenden
Tönen aus dem Quellpunkt von Herzensempfiudungen, die sich erst vor dem
Tode nach außen ergießen: "Zu essen haben Weib und Kind zur Not; sie
haben sich an meiner Seite bescheiden gelernt, aber sie sollen die Gewähr
haben, daß der Mann, den sie dulden, immer von neuem seine Kraft aufraffen,
den sie siechen und Schritt vor Schritt sterben sahn, kein Phantast war, daß
er mehr der Ungunst der Sterne als der Unkraft der Arme erlegen ist." Die
Freunde, die sich solchem Anruf nicht entziehen konnten, haben recht getan,
daß sie uns so bald nach des Dichters Tode in einer schönen Ausgabe die
Gesammelten Werke vorlegten. Es ist für ein noch nicht fünfzig Jahre
währendes, kämpfevolles Leben eine sehr stattliche Ernte, sechs Bände Er¬
zählungen, Gedichte und Dramen, ein Band Essays, denen noch die Arbeiten
über Anzengruber und Mitterwurzer (aus den Sammlungen "Die Dichtung"
und "Das Theater" bei Schuster Ä Löffler in Berlin) beizugesellen sind.

Jakob Julius David stammte aus Mähren, in Mährisch-Weißkirchen war
er am 6. Februar 1859 geboren worden, hat aber seine Kindheit in dem Kuh-
ländchen verlebt, unter Hannaken, in einer Landschaft, deren Erinnerungen von
Hussitenschrecken durchklungen sind. Aus dürftigen Verhältnissen zu Hause in
dürftige aus der Universität Wien hineingekommen, hat er trotz unermüdlichem
Fleiß immer am Rande schwerer materieller Not, oft mitten in ihr als


Jakob Julius Oavid

widereinander der göttlichen Vorsehung anheimstellte, die sich in der un¬
zweideutigsten Sprache weltgeschichtlicher Tatsachen zweifellos dahin aus¬
gesprochen hat, daß diese zwei einstweilen nebeneinander leben sollen."
Ein verständiger, ein vortrefflicher und, bei gutem Willen, leicht ausführ¬
Carl Ientsch barer Rat! _
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Jakob Julius T>avid
von Heinrich Spiero

us dem Bilde, das der von Ernst Heilborn und Erich Schmidt
besorgten Gesamtausgabe von I. I. Davids Werken (München und
Leipzig, R. Piper K Co.) vorgeheftet ist, schaut uns der Kopf eines
von Schmerzen und Leiden gerüttelten und gequälten, aber, wie
wir deutlich fühlen, nicht bezwnngnen Mannes entgegen. Die
eingesunknen Schläfen, der von Sorgenfalten umzogne Mund, die
eingefallnen Wangen deuten auf körperliche Leiden und Entbehrungen, die
schön gewölbte Stirn und der bewußte, klare, ernste Blick der großen Augen
auf innerliche Überwindung irdischer Anfechtung. Und auf sie weist auch hin,
was der Dichter selbst als sein Testament dem ältern der beiden Herausgeber zu¬
ruft; von seinem letzten Krankenbett schreibt er da: „Noch hatten die Ärzte
Hoffnung oder taten so. Ein schlimmer Sommer zerstörte auch den Rest davon,
und ich habe eben nur schwerer sterben müssen, wie mir das Leben nicht
leicht geworden ist. Das muß man eben nehmen, wie es verhängt ist und
kommt, und wenn ich die Gesamtheit überblicke, die ja eine ganz hübsche Spanne
Zeit umfaßt, so darf ich mir das Zeugnis nicht versagen: wie es mich nicht
weich gewiegt hat, so bin ich nicht weich geworden und habe die Dinge ge¬
nommen und getragen, wie sie gefallen sind." Und nachher mit tief ergreifenden
Tönen aus dem Quellpunkt von Herzensempfiudungen, die sich erst vor dem
Tode nach außen ergießen: „Zu essen haben Weib und Kind zur Not; sie
haben sich an meiner Seite bescheiden gelernt, aber sie sollen die Gewähr
haben, daß der Mann, den sie dulden, immer von neuem seine Kraft aufraffen,
den sie siechen und Schritt vor Schritt sterben sahn, kein Phantast war, daß
er mehr der Ungunst der Sterne als der Unkraft der Arme erlegen ist." Die
Freunde, die sich solchem Anruf nicht entziehen konnten, haben recht getan,
daß sie uns so bald nach des Dichters Tode in einer schönen Ausgabe die
Gesammelten Werke vorlegten. Es ist für ein noch nicht fünfzig Jahre
währendes, kämpfevolles Leben eine sehr stattliche Ernte, sechs Bände Er¬
zählungen, Gedichte und Dramen, ein Band Essays, denen noch die Arbeiten
über Anzengruber und Mitterwurzer (aus den Sammlungen „Die Dichtung"
und „Das Theater" bei Schuster Ä Löffler in Berlin) beizugesellen sind.

Jakob Julius David stammte aus Mähren, in Mährisch-Weißkirchen war
er am 6. Februar 1859 geboren worden, hat aber seine Kindheit in dem Kuh-
ländchen verlebt, unter Hannaken, in einer Landschaft, deren Erinnerungen von
Hussitenschrecken durchklungen sind. Aus dürftigen Verhältnissen zu Hause in
dürftige aus der Universität Wien hineingekommen, hat er trotz unermüdlichem
Fleiß immer am Rande schwerer materieller Not, oft mitten in ihr als


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[0658] Jakob Julius Oavid widereinander der göttlichen Vorsehung anheimstellte, die sich in der un¬ zweideutigsten Sprache weltgeschichtlicher Tatsachen zweifellos dahin aus¬ gesprochen hat, daß diese zwei einstweilen nebeneinander leben sollen." Ein verständiger, ein vortrefflicher und, bei gutem Willen, leicht ausführ¬ Carl Ientsch barer Rat! _ ' Jakob Julius T>avid von Heinrich Spiero us dem Bilde, das der von Ernst Heilborn und Erich Schmidt besorgten Gesamtausgabe von I. I. Davids Werken (München und Leipzig, R. Piper K Co.) vorgeheftet ist, schaut uns der Kopf eines von Schmerzen und Leiden gerüttelten und gequälten, aber, wie wir deutlich fühlen, nicht bezwnngnen Mannes entgegen. Die eingesunknen Schläfen, der von Sorgenfalten umzogne Mund, die eingefallnen Wangen deuten auf körperliche Leiden und Entbehrungen, die schön gewölbte Stirn und der bewußte, klare, ernste Blick der großen Augen auf innerliche Überwindung irdischer Anfechtung. Und auf sie weist auch hin, was der Dichter selbst als sein Testament dem ältern der beiden Herausgeber zu¬ ruft; von seinem letzten Krankenbett schreibt er da: „Noch hatten die Ärzte Hoffnung oder taten so. Ein schlimmer Sommer zerstörte auch den Rest davon, und ich habe eben nur schwerer sterben müssen, wie mir das Leben nicht leicht geworden ist. Das muß man eben nehmen, wie es verhängt ist und kommt, und wenn ich die Gesamtheit überblicke, die ja eine ganz hübsche Spanne Zeit umfaßt, so darf ich mir das Zeugnis nicht versagen: wie es mich nicht weich gewiegt hat, so bin ich nicht weich geworden und habe die Dinge ge¬ nommen und getragen, wie sie gefallen sind." Und nachher mit tief ergreifenden Tönen aus dem Quellpunkt von Herzensempfiudungen, die sich erst vor dem Tode nach außen ergießen: „Zu essen haben Weib und Kind zur Not; sie haben sich an meiner Seite bescheiden gelernt, aber sie sollen die Gewähr haben, daß der Mann, den sie dulden, immer von neuem seine Kraft aufraffen, den sie siechen und Schritt vor Schritt sterben sahn, kein Phantast war, daß er mehr der Ungunst der Sterne als der Unkraft der Arme erlegen ist." Die Freunde, die sich solchem Anruf nicht entziehen konnten, haben recht getan, daß sie uns so bald nach des Dichters Tode in einer schönen Ausgabe die Gesammelten Werke vorlegten. Es ist für ein noch nicht fünfzig Jahre währendes, kämpfevolles Leben eine sehr stattliche Ernte, sechs Bände Er¬ zählungen, Gedichte und Dramen, ein Band Essays, denen noch die Arbeiten über Anzengruber und Mitterwurzer (aus den Sammlungen „Die Dichtung" und „Das Theater" bei Schuster Ä Löffler in Berlin) beizugesellen sind. Jakob Julius David stammte aus Mähren, in Mährisch-Weißkirchen war er am 6. Februar 1859 geboren worden, hat aber seine Kindheit in dem Kuh- ländchen verlebt, unter Hannaken, in einer Landschaft, deren Erinnerungen von Hussitenschrecken durchklungen sind. Aus dürftigen Verhältnissen zu Hause in dürftige aus der Universität Wien hineingekommen, hat er trotz unermüdlichem Fleiß immer am Rande schwerer materieller Not, oft mitten in ihr als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/658>, abgerufen am 22.07.2024.