Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Wann wollen Sie bloß all diese entzückenden Sachen anziehn? fragte Miß Aber das muß ich dir noch einmal versichern, Kameradin, daß ich -- und Es ist noch zu heiß, zur Schule hinunter zu fahren. Darum gehn wir noch Der "liebe Pa" und "Klein-Deutschland waren zweimal hier innerhalb drei (Fortsetzung folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel (Der Kampf um die Nachlaß- und Erbschaftssteuer. Die Arbeiten des Reichs¬ tags. Österreich-Ungarn und Serbien.) Wie zu erwarten war. ist in der vergangnen Woche für das Schicksal der Nach den Triumphgesängen, die in der agrarischen Presse schon über den Grenzboten I 1909 79
Maßgebliches und Unmaßgebliches Wann wollen Sie bloß all diese entzückenden Sachen anziehn? fragte Miß Aber das muß ich dir noch einmal versichern, Kameradin, daß ich — und Es ist noch zu heiß, zur Schule hinunter zu fahren. Darum gehn wir noch Der „liebe Pa" und „Klein-Deutschland waren zweimal hier innerhalb drei (Fortsetzung folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel (Der Kampf um die Nachlaß- und Erbschaftssteuer. Die Arbeiten des Reichs¬ tags. Österreich-Ungarn und Serbien.) Wie zu erwarten war. ist in der vergangnen Woche für das Schicksal der Nach den Triumphgesängen, die in der agrarischen Presse schon über den Grenzboten I 1909 79
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0617" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/312968"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2537"> Wann wollen Sie bloß all diese entzückenden Sachen anziehn? fragte Miß<lb/> Dixon. Und wieder sank mir das Herz; denn sogar mein einfacher Kleidervorrat, fürs<lb/> sehnlicher berechnet, schien merkwürdig verschwenderisch und hier nicht am Platze.</p><lb/> <p xml:id="ID_2538"> Aber das muß ich dir noch einmal versichern, Kameradin, daß ich — und<lb/> wenn ich tausend Jahre hier bliebe — nie auf Jerseyjacken und achtjährige Hüte<lb/> herunterkommen will! Ich habe vor, auf eine gute Modenzeitung zu abonnieren,<lb/> damit ich wenigstens in Rufweite der Mode bleibe.</p><lb/> <p xml:id="ID_2539"> Es ist noch zu heiß, zur Schule hinunter zu fahren. Darum gehn wir noch<lb/> eine Woche in die Berge, ehe wir für das Herbstvterteljahr aufbrechen.<lb/> "</p><lb/> <p xml:id="ID_2540"> Der „liebe Pa" und „Klein-Deutschland waren zweimal hier innerhalb drei<lb/> Stunden, aber ich sah sie kommen und entschlüpfte. Briefe von daheim werden nicht<lb/> vor der nächsten Woche ankommen, und ich kann die Zeit kaum abwarten. Ich<lb/> bilde mir immer wieder ein, daß ich auf Besuch bin und bald zurückkehre. Ich lege<lb/> Sachen beiseite, um sie dir zu zeigen, und fange schon an, Geschenke für die Heimkehr<lb/> zu kaufen. Hab noch ein gut Teil zu lernen, nicht wahr?</p><lb/> <p xml:id="ID_2541"> (Fortsetzung folgt)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <div n="2"> <head> Reichsspiegel</head><lb/> <note type="argument"> (Der Kampf um die Nachlaß- und Erbschaftssteuer. Die Arbeiten des Reichs¬<lb/> tags. Österreich-Ungarn und Serbien.)</note><lb/> <p xml:id="ID_2542"> Wie zu erwarten war. ist in der vergangnen Woche für das Schicksal der<lb/> Reichsfinanzreform noch nichts entscheidendes geschehen. Und wahrscheinlich wird<lb/> man sich auch noch verhältnismäßig lange gedulden müssen, ehe die Entscheidung<lb/> fallt. Das Kompromiß hat zunächst die Folge gehabt, daß in weiten Kreisen die<lb/> Einsicht gestärkt worden ist, daß die Frage einer für die Zwecke der Reichsfinanz¬<lb/> reform geeigneten Besitzbesteuerung ohne die Rückkehr zu einer Heranziehung der<lb/> Hinterlassenschaften in irgendeiner Form nicht zu lösen sein wird. Diese grund¬<lb/> sätzliche Überzeugung muß sich durch das Scheitern andrer Vorschläge erst noch<lb/> weiter befestigen; eher kommen wir bei der demagogischen Verhetzung, der gerade<lb/> sonst Staatstreue und nüchterne Bevölkerungskreise in dieser Frage unterlegen sind,<lb/> nicht weiter. Und erst wenn das Prinzip als notwendig erkannt worden ist. wird es<lb/> möglich sein, eine Form zu finden, die auch denen genügt, die in dem bezeichneten<lb/> Ausweg aus den Schwierigkeiten zwar eine Notwendigkeit, aber allerdings ein not¬<lb/> wendiges Übel erkennen. Es ist also ganz richtig, was unlängst ein liberales Blatt<lb/> schrieb, daß der Kampf um die Nachlaßsteuer jetzt überhaupt erst anfängt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2543" next="#ID_2544"> Nach den Triumphgesängen, die in der agrarischen Presse schon über den<lb/> endgiltigen Fall der Nachlaßsteuer angestimmt wurden, muß das zähe Festhalten<lb/> der Regierungen und eines großen Teils der Presse an dem scheinbar in den<lb/> Orkus geworfnen Projekt die Agrarier in großen Zorn versetzen. Der Kampf<lb/> wird deshalb augenblicklich wieder mit besondrer Erbitterung geführt. Das uner¬<lb/> freuliche dabei ist, wie schon mehrfach an dieser Stelle betont worden ist. die Er¬<lb/> scheinung, daß die demagogischen Methoden immer mehr auch in Kreise getragen<lb/> werden, deren Stolz es sonst war, mit reinlichem Waffen zu kämpfen. Auf jede<lb/> Weise wird in den agrarischen Kreisen die Abneigung gegen das Prinzip der</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I 1909 79</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0617]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Wann wollen Sie bloß all diese entzückenden Sachen anziehn? fragte Miß
Dixon. Und wieder sank mir das Herz; denn sogar mein einfacher Kleidervorrat, fürs
sehnlicher berechnet, schien merkwürdig verschwenderisch und hier nicht am Platze.
Aber das muß ich dir noch einmal versichern, Kameradin, daß ich — und
wenn ich tausend Jahre hier bliebe — nie auf Jerseyjacken und achtjährige Hüte
herunterkommen will! Ich habe vor, auf eine gute Modenzeitung zu abonnieren,
damit ich wenigstens in Rufweite der Mode bleibe.
Es ist noch zu heiß, zur Schule hinunter zu fahren. Darum gehn wir noch
eine Woche in die Berge, ehe wir für das Herbstvterteljahr aufbrechen.
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Der „liebe Pa" und „Klein-Deutschland waren zweimal hier innerhalb drei
Stunden, aber ich sah sie kommen und entschlüpfte. Briefe von daheim werden nicht
vor der nächsten Woche ankommen, und ich kann die Zeit kaum abwarten. Ich
bilde mir immer wieder ein, daß ich auf Besuch bin und bald zurückkehre. Ich lege
Sachen beiseite, um sie dir zu zeigen, und fange schon an, Geschenke für die Heimkehr
zu kaufen. Hab noch ein gut Teil zu lernen, nicht wahr?
(Fortsetzung folgt)
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel
(Der Kampf um die Nachlaß- und Erbschaftssteuer. Die Arbeiten des Reichs¬
tags. Österreich-Ungarn und Serbien.)
Wie zu erwarten war. ist in der vergangnen Woche für das Schicksal der
Reichsfinanzreform noch nichts entscheidendes geschehen. Und wahrscheinlich wird
man sich auch noch verhältnismäßig lange gedulden müssen, ehe die Entscheidung
fallt. Das Kompromiß hat zunächst die Folge gehabt, daß in weiten Kreisen die
Einsicht gestärkt worden ist, daß die Frage einer für die Zwecke der Reichsfinanz¬
reform geeigneten Besitzbesteuerung ohne die Rückkehr zu einer Heranziehung der
Hinterlassenschaften in irgendeiner Form nicht zu lösen sein wird. Diese grund¬
sätzliche Überzeugung muß sich durch das Scheitern andrer Vorschläge erst noch
weiter befestigen; eher kommen wir bei der demagogischen Verhetzung, der gerade
sonst Staatstreue und nüchterne Bevölkerungskreise in dieser Frage unterlegen sind,
nicht weiter. Und erst wenn das Prinzip als notwendig erkannt worden ist. wird es
möglich sein, eine Form zu finden, die auch denen genügt, die in dem bezeichneten
Ausweg aus den Schwierigkeiten zwar eine Notwendigkeit, aber allerdings ein not¬
wendiges Übel erkennen. Es ist also ganz richtig, was unlängst ein liberales Blatt
schrieb, daß der Kampf um die Nachlaßsteuer jetzt überhaupt erst anfängt.
Nach den Triumphgesängen, die in der agrarischen Presse schon über den
endgiltigen Fall der Nachlaßsteuer angestimmt wurden, muß das zähe Festhalten
der Regierungen und eines großen Teils der Presse an dem scheinbar in den
Orkus geworfnen Projekt die Agrarier in großen Zorn versetzen. Der Kampf
wird deshalb augenblicklich wieder mit besondrer Erbitterung geführt. Das uner¬
freuliche dabei ist, wie schon mehrfach an dieser Stelle betont worden ist. die Er¬
scheinung, daß die demagogischen Methoden immer mehr auch in Kreise getragen
werden, deren Stolz es sonst war, mit reinlichem Waffen zu kämpfen. Auf jede
Weise wird in den agrarischen Kreisen die Abneigung gegen das Prinzip der
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