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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Ferdinand Georg Waldmüller

oder Ehrengerichte das beste Mittel dazu und also eine Notwendigkeit sind, so ist
der ganze Paragraph 70 gestrichen worden.

Das sind Ausführungen, die noch heute jeden preußischen und deutschen
Offizier mit einem Hochgefühl erfüllen müssen und wohl verdienten, auch
weitern Kreisen bekannt zu werden. Gerade in der heutigen Zeit, wo un¬
ausgesetzt die gehässigsten Angriffe gegen das Offizierkorps erfolgen, sollten
die Worte auf fruchtbaren Boden fallen: "aber ungerecht ist es, durch das
geflissentliche Ausbeuten solcher Einzelfalle dem Offizierstande im ganzen zu
schaden und vom einzelnen Rückschlüsse auf die Totalität zu machen."

Damit sind in der Hauptsache die Gedanken wiedergegeben, die in der
Broschüre niedergelegt sind. Tragen sie auch vornehmlich militärischen Cha¬
rakter und atmen militärischen Geist, werden sie infolgedessen den und jenen
Leser finden, der sich mit ihnen in Einzelheiten nicht einverstanden erklären
kann, so muß doch jeder billigdenkende die Begeisterung, die der Verfasser
seinem Stoffe entgegenbringt, anerkennen, die gründliche Beherrschung bis in
die kleinsten Einzelheiten, die klare Darstellung, die flüssige und eindringliche
Sprache. Ohne in den Verdacht des Byzantinismus zu kommen, darf man
angesichts dieser Schrift ruhig sagen, daß. wenn der Prinz unter die Schrift¬
steller ging, er das mit Fug und Recht, erfüllt von dem Bewußtsein seiner
Fähigkeiten, tun durfte.




Ferdinand Georg waldmüller

u den Sternen am Kunsthimmel, die uns die deutsche Jahr¬
hundertausstellung in der Berliner Nationalgalerie wieder in den
Gesichtskreis gerückt hat. gehört der Wiener Ferdinand Wald¬
müller. Wenn wir heute seine Bilder betrachten, drängt sich
uns die Frage auf: Wie war es möglich, daß ein Meister von
so ausgesprochner Realistik, ein so feiner Naturbeobachter und kühner Pleinairist
w dem künstlerisch so unfreien, in der Süßlichkeit des Rokoko, im unwahren
Pathos des Klassizismus, in der falschen Naivität des Nazarenertums be¬
fangnen Wien der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erstehn und sich
trotz der Teilnahmlosigkeit des Publikums, der Mißgunst der Akademiker und
der Böswilligkeit bornierter Schranzen schließlich durchsetzen konnte? Besäßen
wir von Waldmüller weiter nichts als die Briefe, die der von seinen Lands¬
leuten so schmählich verkannte Künstler an die ..hochlöbliche k. k. Steuer-
Administration" , an den Staatskanzler Fürsten Metternich und den Staats-
nnnister Anton Freiherrn von Schmerling gerichtet hat, so würden wir schon
aus diesen Dokumenten einer stolzen Bescheidenheit und eines unerschütter-


Ferdinand Georg Waldmüller

oder Ehrengerichte das beste Mittel dazu und also eine Notwendigkeit sind, so ist
der ganze Paragraph 70 gestrichen worden.

Das sind Ausführungen, die noch heute jeden preußischen und deutschen
Offizier mit einem Hochgefühl erfüllen müssen und wohl verdienten, auch
weitern Kreisen bekannt zu werden. Gerade in der heutigen Zeit, wo un¬
ausgesetzt die gehässigsten Angriffe gegen das Offizierkorps erfolgen, sollten
die Worte auf fruchtbaren Boden fallen: „aber ungerecht ist es, durch das
geflissentliche Ausbeuten solcher Einzelfalle dem Offizierstande im ganzen zu
schaden und vom einzelnen Rückschlüsse auf die Totalität zu machen."

Damit sind in der Hauptsache die Gedanken wiedergegeben, die in der
Broschüre niedergelegt sind. Tragen sie auch vornehmlich militärischen Cha¬
rakter und atmen militärischen Geist, werden sie infolgedessen den und jenen
Leser finden, der sich mit ihnen in Einzelheiten nicht einverstanden erklären
kann, so muß doch jeder billigdenkende die Begeisterung, die der Verfasser
seinem Stoffe entgegenbringt, anerkennen, die gründliche Beherrschung bis in
die kleinsten Einzelheiten, die klare Darstellung, die flüssige und eindringliche
Sprache. Ohne in den Verdacht des Byzantinismus zu kommen, darf man
angesichts dieser Schrift ruhig sagen, daß. wenn der Prinz unter die Schrift¬
steller ging, er das mit Fug und Recht, erfüllt von dem Bewußtsein seiner
Fähigkeiten, tun durfte.




Ferdinand Georg waldmüller

u den Sternen am Kunsthimmel, die uns die deutsche Jahr¬
hundertausstellung in der Berliner Nationalgalerie wieder in den
Gesichtskreis gerückt hat. gehört der Wiener Ferdinand Wald¬
müller. Wenn wir heute seine Bilder betrachten, drängt sich
uns die Frage auf: Wie war es möglich, daß ein Meister von
so ausgesprochner Realistik, ein so feiner Naturbeobachter und kühner Pleinairist
w dem künstlerisch so unfreien, in der Süßlichkeit des Rokoko, im unwahren
Pathos des Klassizismus, in der falschen Naivität des Nazarenertums be¬
fangnen Wien der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erstehn und sich
trotz der Teilnahmlosigkeit des Publikums, der Mißgunst der Akademiker und
der Böswilligkeit bornierter Schranzen schließlich durchsetzen konnte? Besäßen
wir von Waldmüller weiter nichts als die Briefe, die der von seinen Lands¬
leuten so schmählich verkannte Künstler an die ..hochlöbliche k. k. Steuer-
Administration" , an den Staatskanzler Fürsten Metternich und den Staats-
nnnister Anton Freiherrn von Schmerling gerichtet hat, so würden wir schon
aus diesen Dokumenten einer stolzen Bescheidenheit und eines unerschütter-


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[0607] Ferdinand Georg Waldmüller oder Ehrengerichte das beste Mittel dazu und also eine Notwendigkeit sind, so ist der ganze Paragraph 70 gestrichen worden. Das sind Ausführungen, die noch heute jeden preußischen und deutschen Offizier mit einem Hochgefühl erfüllen müssen und wohl verdienten, auch weitern Kreisen bekannt zu werden. Gerade in der heutigen Zeit, wo un¬ ausgesetzt die gehässigsten Angriffe gegen das Offizierkorps erfolgen, sollten die Worte auf fruchtbaren Boden fallen: „aber ungerecht ist es, durch das geflissentliche Ausbeuten solcher Einzelfalle dem Offizierstande im ganzen zu schaden und vom einzelnen Rückschlüsse auf die Totalität zu machen." Damit sind in der Hauptsache die Gedanken wiedergegeben, die in der Broschüre niedergelegt sind. Tragen sie auch vornehmlich militärischen Cha¬ rakter und atmen militärischen Geist, werden sie infolgedessen den und jenen Leser finden, der sich mit ihnen in Einzelheiten nicht einverstanden erklären kann, so muß doch jeder billigdenkende die Begeisterung, die der Verfasser seinem Stoffe entgegenbringt, anerkennen, die gründliche Beherrschung bis in die kleinsten Einzelheiten, die klare Darstellung, die flüssige und eindringliche Sprache. Ohne in den Verdacht des Byzantinismus zu kommen, darf man angesichts dieser Schrift ruhig sagen, daß. wenn der Prinz unter die Schrift¬ steller ging, er das mit Fug und Recht, erfüllt von dem Bewußtsein seiner Fähigkeiten, tun durfte. Ferdinand Georg waldmüller u den Sternen am Kunsthimmel, die uns die deutsche Jahr¬ hundertausstellung in der Berliner Nationalgalerie wieder in den Gesichtskreis gerückt hat. gehört der Wiener Ferdinand Wald¬ müller. Wenn wir heute seine Bilder betrachten, drängt sich uns die Frage auf: Wie war es möglich, daß ein Meister von so ausgesprochner Realistik, ein so feiner Naturbeobachter und kühner Pleinairist w dem künstlerisch so unfreien, in der Süßlichkeit des Rokoko, im unwahren Pathos des Klassizismus, in der falschen Naivität des Nazarenertums be¬ fangnen Wien der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts erstehn und sich trotz der Teilnahmlosigkeit des Publikums, der Mißgunst der Akademiker und der Böswilligkeit bornierter Schranzen schließlich durchsetzen konnte? Besäßen wir von Waldmüller weiter nichts als die Briefe, die der von seinen Lands¬ leuten so schmählich verkannte Künstler an die ..hochlöbliche k. k. Steuer- Administration" , an den Staatskanzler Fürsten Metternich und den Staats- nnnister Anton Freiherrn von Schmerling gerichtet hat, so würden wir schon aus diesen Dokumenten einer stolzen Bescheidenheit und eines unerschütter-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/607>, abgerufen am 22.07.2024.