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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Die Reichsfinanzreform

Für die Landwirtschaft sind hier die Schlagworte: Produktions¬
steigerung bei sinkendem. Produktionserschwernng bei steigendem
Zinsfuß, insbesondre Meliorationen bei billigem Kredit. Auch die
Entschuldungsmöglichkeit steht und fällt mit der Frage, ob der Zinsfuß sinkt
oder steigt.

In der Industrie leidet namentlich die Exportindustrie bei teueren
Kredit, weil die hierdurch hervorgerufnen hudern Verkaufspreise den Konkurrenz¬
kampf mit den fremden Ländern erschweren oder unmöglich machen.

Sehr zutreffend wird auch darauf hingewiesen, daß das volkswirtschaftlich
zu außerordentlicher Wichtigkeit gelangte Baugewerbe nur gedeihen kann,
wenn das Zinsniveau ein angemessen mäßiges ist. Ein höherer Zins ist geeignet,
die Tätigkeit des Baugewerbes zu lahmen, und damit gerade gerät dann das
fast alle andern Zweige der Volkswirtschaft alimentierende und von ihnen
alimentierte Gewerbe in Stockung.

Über Reichsfinanzreform und Handel und Bankwesen werden
die Äußerungen hervorragender Vertreter des deutschen Bankierstandes wie
Paul Mankiewitz und Max Warburg angeführt, von denen Warburg insbesondre
nachweist, daß die Folgen der Inanspruchnahme des Geldmarktes durch die
Schatzanweisungen und des allgemeinen Anlagemarktes durch die Reichsanleihe
auf Handel, Industrie und Landwirtschaft außerordentlich stark einwirken.

Alle die Kreise, die zusammengewirkt haben, durch einen Wandel der
Handelspolitik die deutsche Volkswirtschaft auf gesundere Grundlagen zu
stellen, haben jetzt ein Interesse daran, an der Wiedergesundung der deutschen
Finanzwirtschaft mitzuarbeiten. Gelingt die Finanzreform nicht, so werden der
Landwirtschaft die Gewinne aus den erhöhten Produktenpreisen wieder verloren
gehn durch die Verteuerung ihrer Kredite, durch den erhöhten Zins für Hypo¬
theken; die Intensität des landwirtschaftlichen Betriebs wird nicht gesteigert
werden können, damit wird auch dieser wichtige Faktor der Volkswirtschaft als
sich immer steigernder Absatzmarkt für die Industrie versagen, diese aber noch
besonders beschränkt werden in ihrer Ausfuhr, weil sie mit den mit billigern
Krediten arbeitenden ausländischen Industrien nicht konkurrieren kann, auch
die internationale Machtstellung ihres Baterlandes der seiner industriellen
Hauptkonkurrenten nicht die Wage halten kann.

Für die Lohnarbeiter

endlich ist die Finanzreform eben deshalb von
vitalen Interesse, weil der Beschäftigungsgrad der Arbeiter in der Industrie
wie in der Landwirtschaft nur dann ein zufriedenstellender sein kann, wenn
Landwirte und Industrielle die Möglichkeit haben, Produktion und Absatz aus¬
zudehnen. Wie auf so vielen andern Gebieten, so ist auch hier der Vorteil
von Arbeitgebern und Arbeitnehmern solidarisch. Auch die weitere Fortführung
der Maßnahmen auf dem Gebiete der Sozialpolitik würde gehemmt werden,
und die Interessen der Arbeiterschaft würden dadurch leiden, wenn es auf die


Die Reichsfinanzreform

Für die Landwirtschaft sind hier die Schlagworte: Produktions¬
steigerung bei sinkendem. Produktionserschwernng bei steigendem
Zinsfuß, insbesondre Meliorationen bei billigem Kredit. Auch die
Entschuldungsmöglichkeit steht und fällt mit der Frage, ob der Zinsfuß sinkt
oder steigt.

In der Industrie leidet namentlich die Exportindustrie bei teueren
Kredit, weil die hierdurch hervorgerufnen hudern Verkaufspreise den Konkurrenz¬
kampf mit den fremden Ländern erschweren oder unmöglich machen.

Sehr zutreffend wird auch darauf hingewiesen, daß das volkswirtschaftlich
zu außerordentlicher Wichtigkeit gelangte Baugewerbe nur gedeihen kann,
wenn das Zinsniveau ein angemessen mäßiges ist. Ein höherer Zins ist geeignet,
die Tätigkeit des Baugewerbes zu lahmen, und damit gerade gerät dann das
fast alle andern Zweige der Volkswirtschaft alimentierende und von ihnen
alimentierte Gewerbe in Stockung.

Über Reichsfinanzreform und Handel und Bankwesen werden
die Äußerungen hervorragender Vertreter des deutschen Bankierstandes wie
Paul Mankiewitz und Max Warburg angeführt, von denen Warburg insbesondre
nachweist, daß die Folgen der Inanspruchnahme des Geldmarktes durch die
Schatzanweisungen und des allgemeinen Anlagemarktes durch die Reichsanleihe
auf Handel, Industrie und Landwirtschaft außerordentlich stark einwirken.

Alle die Kreise, die zusammengewirkt haben, durch einen Wandel der
Handelspolitik die deutsche Volkswirtschaft auf gesundere Grundlagen zu
stellen, haben jetzt ein Interesse daran, an der Wiedergesundung der deutschen
Finanzwirtschaft mitzuarbeiten. Gelingt die Finanzreform nicht, so werden der
Landwirtschaft die Gewinne aus den erhöhten Produktenpreisen wieder verloren
gehn durch die Verteuerung ihrer Kredite, durch den erhöhten Zins für Hypo¬
theken; die Intensität des landwirtschaftlichen Betriebs wird nicht gesteigert
werden können, damit wird auch dieser wichtige Faktor der Volkswirtschaft als
sich immer steigernder Absatzmarkt für die Industrie versagen, diese aber noch
besonders beschränkt werden in ihrer Ausfuhr, weil sie mit den mit billigern
Krediten arbeitenden ausländischen Industrien nicht konkurrieren kann, auch
die internationale Machtstellung ihres Baterlandes der seiner industriellen
Hauptkonkurrenten nicht die Wage halten kann.

Für die Lohnarbeiter

endlich ist die Finanzreform eben deshalb von
vitalen Interesse, weil der Beschäftigungsgrad der Arbeiter in der Industrie
wie in der Landwirtschaft nur dann ein zufriedenstellender sein kann, wenn
Landwirte und Industrielle die Möglichkeit haben, Produktion und Absatz aus¬
zudehnen. Wie auf so vielen andern Gebieten, so ist auch hier der Vorteil
von Arbeitgebern und Arbeitnehmern solidarisch. Auch die weitere Fortführung
der Maßnahmen auf dem Gebiete der Sozialpolitik würde gehemmt werden,
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[0534] Die Reichsfinanzreform Für die Landwirtschaft sind hier die Schlagworte: Produktions¬ steigerung bei sinkendem. Produktionserschwernng bei steigendem Zinsfuß, insbesondre Meliorationen bei billigem Kredit. Auch die Entschuldungsmöglichkeit steht und fällt mit der Frage, ob der Zinsfuß sinkt oder steigt. In der Industrie leidet namentlich die Exportindustrie bei teueren Kredit, weil die hierdurch hervorgerufnen hudern Verkaufspreise den Konkurrenz¬ kampf mit den fremden Ländern erschweren oder unmöglich machen. Sehr zutreffend wird auch darauf hingewiesen, daß das volkswirtschaftlich zu außerordentlicher Wichtigkeit gelangte Baugewerbe nur gedeihen kann, wenn das Zinsniveau ein angemessen mäßiges ist. Ein höherer Zins ist geeignet, die Tätigkeit des Baugewerbes zu lahmen, und damit gerade gerät dann das fast alle andern Zweige der Volkswirtschaft alimentierende und von ihnen alimentierte Gewerbe in Stockung. Über Reichsfinanzreform und Handel und Bankwesen werden die Äußerungen hervorragender Vertreter des deutschen Bankierstandes wie Paul Mankiewitz und Max Warburg angeführt, von denen Warburg insbesondre nachweist, daß die Folgen der Inanspruchnahme des Geldmarktes durch die Schatzanweisungen und des allgemeinen Anlagemarktes durch die Reichsanleihe auf Handel, Industrie und Landwirtschaft außerordentlich stark einwirken. Alle die Kreise, die zusammengewirkt haben, durch einen Wandel der Handelspolitik die deutsche Volkswirtschaft auf gesundere Grundlagen zu stellen, haben jetzt ein Interesse daran, an der Wiedergesundung der deutschen Finanzwirtschaft mitzuarbeiten. Gelingt die Finanzreform nicht, so werden der Landwirtschaft die Gewinne aus den erhöhten Produktenpreisen wieder verloren gehn durch die Verteuerung ihrer Kredite, durch den erhöhten Zins für Hypo¬ theken; die Intensität des landwirtschaftlichen Betriebs wird nicht gesteigert werden können, damit wird auch dieser wichtige Faktor der Volkswirtschaft als sich immer steigernder Absatzmarkt für die Industrie versagen, diese aber noch besonders beschränkt werden in ihrer Ausfuhr, weil sie mit den mit billigern Krediten arbeitenden ausländischen Industrien nicht konkurrieren kann, auch die internationale Machtstellung ihres Baterlandes der seiner industriellen Hauptkonkurrenten nicht die Wage halten kann. Für die Lohnarbeiter endlich ist die Finanzreform eben deshalb von vitalen Interesse, weil der Beschäftigungsgrad der Arbeiter in der Industrie wie in der Landwirtschaft nur dann ein zufriedenstellender sein kann, wenn Landwirte und Industrielle die Möglichkeit haben, Produktion und Absatz aus¬ zudehnen. Wie auf so vielen andern Gebieten, so ist auch hier der Vorteil von Arbeitgebern und Arbeitnehmern solidarisch. Auch die weitere Fortführung der Maßnahmen auf dem Gebiete der Sozialpolitik würde gehemmt werden, und die Interessen der Arbeiterschaft würden dadurch leiden, wenn es auf die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/534>, abgerufen am 22.07.2024.