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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Die deutsche ltulturpartei

form der Kronkolonie hat sich in Hongkong praktisch vorzüglich bewährt,
trotz aller theoretisch ihr anhaftenden Mängel. Denn diese Art der Regierung
ist stark und durch ihre Stärke zugleich gerecht und frei.*) Eine wichtige
Aufgabe bleibt freilich der britischen Regierung, die sie jedoch von ihrer festen
Stellung in Hongkong aus zu lösen vermag, nämlich die endgiltige Unter¬
drückung des Opiumhandels im fernen Osten. Es wäre das eine bedeutende
Kulturtat. Auch haben schon Verhandlungen zwischen der britischen und der
chinesischen Negierung zu diesem Zwecke stattgefunden. Möchten sie zu einem
guten Ziele führen!




Die deutsche Kulturpartei
Aonsistorialrat Lie. Dr, Theodor Simon von

>le größten Mächte der Geschichte sind das politische und das
religiöse Leben. Das Politische bedeutet die äußere Gestaltung
des menschlichen Lebens, die Religion bedeutet den seelischen
Inhalt des Lebens." "Der glücklichste Zustand ist der, wenn
! beide einander decken, wenn der äußere Körper des Volkes in
der Gestalt des Staates ein getreues Spiegelbild des religiösen, seelischen
Gehaltes des Volkes ist." "Nichts kann die Bedeutung des Religiösen, die
Macht des Religiösen klarer lehren als ein flüchtiger Blick auf die Partei¬
verhältnisse der Gegenwart. Welche Parteien sind heute stark? Welche können
sich fest auf ihre Anhänger verlassen? Diejenigen, welche ein religiöses Ideal
im Hintergrunde haben, das sie trägt und stützt, das ihre Anhänger fest an
ihre Fahne kettet. Allen voran das Zentrum, als Vertreterin des katholischen
Kulturideals. Man gibt sich der Hoffnung hin, daß der Zentrumsturm wanke.
Diese Hoffnung ist gänzlich trügerisch. Dieser Turm steht fest, weil das
Zentrum kräftige religiöse Ideale im Bunde führt. Diese Ideale werden sich
nicht von heute auf morgen verflüchtigen." "Nicht anders ist es mit den
Konservativen. Auch diese haben ein klares bestimmtes Kulturideal, das in
der konservativen Partei seinen politischen Ausdruck findet."

Wo lesen wir diese Worte? Man sollte glauben, diese von einem klaren
und tiefen Blick in das Menschenherz und in die Zeit zeugenden Ausführungen
könnten nur in der Nähe des Zentrumsturmes oder im konservativen Lager
ihren Quell und Ursprung haben. Doch sie stammen aus der Feder eines
der schärfsten Kämpfer wider Kirche und Christentum. Dr. Ernst Horneffer,
der unermüdliche Apostel des Meisters Nietzsche, der schon seit längerer Zeit
auf seinen Wanderfahrten für seine neuen religiösen Ideale Anhänger wirbt,
gibt in seiner neu erschienenen Schrift "Die Kirche und die politischen Parteien"
(Verlag von or. Werner Klinkhardt, Leipzig) die programmatischen Gedanken



") Vgl. Colonel A. M. Muray, a. a, O. S. 91.
Die deutsche ltulturpartei

form der Kronkolonie hat sich in Hongkong praktisch vorzüglich bewährt,
trotz aller theoretisch ihr anhaftenden Mängel. Denn diese Art der Regierung
ist stark und durch ihre Stärke zugleich gerecht und frei.*) Eine wichtige
Aufgabe bleibt freilich der britischen Regierung, die sie jedoch von ihrer festen
Stellung in Hongkong aus zu lösen vermag, nämlich die endgiltige Unter¬
drückung des Opiumhandels im fernen Osten. Es wäre das eine bedeutende
Kulturtat. Auch haben schon Verhandlungen zwischen der britischen und der
chinesischen Negierung zu diesem Zwecke stattgefunden. Möchten sie zu einem
guten Ziele führen!




Die deutsche Kulturpartei
Aonsistorialrat Lie. Dr, Theodor Simon von

>le größten Mächte der Geschichte sind das politische und das
religiöse Leben. Das Politische bedeutet die äußere Gestaltung
des menschlichen Lebens, die Religion bedeutet den seelischen
Inhalt des Lebens." „Der glücklichste Zustand ist der, wenn
! beide einander decken, wenn der äußere Körper des Volkes in
der Gestalt des Staates ein getreues Spiegelbild des religiösen, seelischen
Gehaltes des Volkes ist." „Nichts kann die Bedeutung des Religiösen, die
Macht des Religiösen klarer lehren als ein flüchtiger Blick auf die Partei¬
verhältnisse der Gegenwart. Welche Parteien sind heute stark? Welche können
sich fest auf ihre Anhänger verlassen? Diejenigen, welche ein religiöses Ideal
im Hintergrunde haben, das sie trägt und stützt, das ihre Anhänger fest an
ihre Fahne kettet. Allen voran das Zentrum, als Vertreterin des katholischen
Kulturideals. Man gibt sich der Hoffnung hin, daß der Zentrumsturm wanke.
Diese Hoffnung ist gänzlich trügerisch. Dieser Turm steht fest, weil das
Zentrum kräftige religiöse Ideale im Bunde führt. Diese Ideale werden sich
nicht von heute auf morgen verflüchtigen." „Nicht anders ist es mit den
Konservativen. Auch diese haben ein klares bestimmtes Kulturideal, das in
der konservativen Partei seinen politischen Ausdruck findet."

Wo lesen wir diese Worte? Man sollte glauben, diese von einem klaren
und tiefen Blick in das Menschenherz und in die Zeit zeugenden Ausführungen
könnten nur in der Nähe des Zentrumsturmes oder im konservativen Lager
ihren Quell und Ursprung haben. Doch sie stammen aus der Feder eines
der schärfsten Kämpfer wider Kirche und Christentum. Dr. Ernst Horneffer,
der unermüdliche Apostel des Meisters Nietzsche, der schon seit längerer Zeit
auf seinen Wanderfahrten für seine neuen religiösen Ideale Anhänger wirbt,
gibt in seiner neu erschienenen Schrift „Die Kirche und die politischen Parteien"
(Verlag von or. Werner Klinkhardt, Leipzig) die programmatischen Gedanken



") Vgl. Colonel A. M. Muray, a. a, O. S. 91.
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[0247] Die deutsche ltulturpartei form der Kronkolonie hat sich in Hongkong praktisch vorzüglich bewährt, trotz aller theoretisch ihr anhaftenden Mängel. Denn diese Art der Regierung ist stark und durch ihre Stärke zugleich gerecht und frei.*) Eine wichtige Aufgabe bleibt freilich der britischen Regierung, die sie jedoch von ihrer festen Stellung in Hongkong aus zu lösen vermag, nämlich die endgiltige Unter¬ drückung des Opiumhandels im fernen Osten. Es wäre das eine bedeutende Kulturtat. Auch haben schon Verhandlungen zwischen der britischen und der chinesischen Negierung zu diesem Zwecke stattgefunden. Möchten sie zu einem guten Ziele führen! Die deutsche Kulturpartei Aonsistorialrat Lie. Dr, Theodor Simon von >le größten Mächte der Geschichte sind das politische und das religiöse Leben. Das Politische bedeutet die äußere Gestaltung des menschlichen Lebens, die Religion bedeutet den seelischen Inhalt des Lebens." „Der glücklichste Zustand ist der, wenn ! beide einander decken, wenn der äußere Körper des Volkes in der Gestalt des Staates ein getreues Spiegelbild des religiösen, seelischen Gehaltes des Volkes ist." „Nichts kann die Bedeutung des Religiösen, die Macht des Religiösen klarer lehren als ein flüchtiger Blick auf die Partei¬ verhältnisse der Gegenwart. Welche Parteien sind heute stark? Welche können sich fest auf ihre Anhänger verlassen? Diejenigen, welche ein religiöses Ideal im Hintergrunde haben, das sie trägt und stützt, das ihre Anhänger fest an ihre Fahne kettet. Allen voran das Zentrum, als Vertreterin des katholischen Kulturideals. Man gibt sich der Hoffnung hin, daß der Zentrumsturm wanke. Diese Hoffnung ist gänzlich trügerisch. Dieser Turm steht fest, weil das Zentrum kräftige religiöse Ideale im Bunde führt. Diese Ideale werden sich nicht von heute auf morgen verflüchtigen." „Nicht anders ist es mit den Konservativen. Auch diese haben ein klares bestimmtes Kulturideal, das in der konservativen Partei seinen politischen Ausdruck findet." Wo lesen wir diese Worte? Man sollte glauben, diese von einem klaren und tiefen Blick in das Menschenherz und in die Zeit zeugenden Ausführungen könnten nur in der Nähe des Zentrumsturmes oder im konservativen Lager ihren Quell und Ursprung haben. Doch sie stammen aus der Feder eines der schärfsten Kämpfer wider Kirche und Christentum. Dr. Ernst Horneffer, der unermüdliche Apostel des Meisters Nietzsche, der schon seit längerer Zeit auf seinen Wanderfahrten für seine neuen religiösen Ideale Anhänger wirbt, gibt in seiner neu erschienenen Schrift „Die Kirche und die politischen Parteien" (Verlag von or. Werner Klinkhardt, Leipzig) die programmatischen Gedanken ") Vgl. Colonel A. M. Muray, a. a, O. S. 91.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/247>, abgerufen am 03.07.2024.