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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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vom thrakischen Meere

romantischer Züge, die sich in der bunten Geschichte der Dynastie ungesucht
finden, wie man denn etwa an den Grafen von Gleichen denkt, wenn man
liest, daß Graf Friedrich Magnus zu Castell im Jahre 1713 als junger
Witwer eine schon längst geliebte Türkin, Fatme, angeblich die Tochter eines
Paschas, heiratet, die der Gnade des Kurfürsten von Bayern bei der Er¬
oberung Ofens 1686 ihr Leben verdankte und schon zehn Jahre in der
Nähe ihres spätern Gatten lebte. Man wird bei Sperls Arbeit häufig an
Frchtags Bilder aus der deutschen Vergangenheit erinnert, und es wäre zu
wünschen, daß das fleißige und farbige Werk Sperls Nachfolger seiner Art
finden möchte.




vom thrakischen Meere
L. Fredrich vonSamothrake
(Schluß)

u Philipps Zeiten wurde der alte Tempel an alter Stätte stattlicher
aus Marmor neugebaut. Feierlich, altertümelnd graziös umschritten
ihn auf einem Friese Jungfrauen in jenem Reigen, der immer einen
Teil des Gottesdienstes ausmachte. Zu diesem Friese gehören jene
Platten, auf denen Cyriacus Musen zu erkennen glaubte; die best-
erhnltnen Stücke werden jetzt im Louvre aufbewahrt. Das drei-
figurige Tempelbild schuf kein Geringerer als Skopas. Zu Beginn des dritten
Jahrhunderts wurde westlich auf der Höhe, 10 Meter über dem Tempel, eine
103 Meter lange und 15 Meter tiefe Halle aus einheimischen Stein errichtet;
ein Zeichen für die wachsende Zahl der Besucher. Vor ihr mehrten sich die Statuen
und Denkmäler andrer Art. Das großartigste ließ nahe an ihrem Südende
Demetrios Poliorketes aufstellen, als er 294 König von Makedonien geworden
war: jene fast 3 Meter hohe Nike auf einem Postament, das die Form eines
Schisfsvorderteils hat. Seine Siegesgöttin, die 306 bei Salamis auf Cypern vom
Himmel ans sein Admircüschisf herabgeschwebt war und ihm aus der Hand Athenas
den Sieg in der Seeschlacht gebracht hatte, weihte er den Seegöttern, die mit
Makedonien sein eigen geworden waren. Das Werk fesselt noch hente den Besucher
des Louvre mehr als vieles andre durch seine Schönheit und die Kraft der Be¬
wegung, aber an seinem ursprünglichen Platze, von dem aus es den ganzen heiligen
Bezirk beherrschte, muß es noch viel stärker gewirkt haben. Doch nicht die Nike des
Demetrios, sondern die Gemahlin seines Nachfolgers sollte der gute Engel dieses
Platzes werden. Arsinoe, eine ägyptische Prinzessin, ließ als Königin von Makedonien
(286 bis 281) nördlich vom alten Tempel einen prächtigen Rundbau unbekannter
Bestimmung von 20 Metern Durchmesser aufführen. Während die Außenseite unten
glatt war, wurde sie oben durch Halbsäulen gegliedert, zwischen deren Basen eine
mit Stierschädeln und Rosetten verzierte Schranke herumgelegt war. Im spitz zu¬
laufenden Dache stieg der Bau zu 27 Metern Höhe auf. Als Arsinoe aber nach
dem Tode ihres Gemahls bei diesen ihr holden Göttern Zuflucht hatte suchen müssen
und später Königin von Ägypten geworden war, und auch Samothrake in ägyptischen


vom thrakischen Meere

romantischer Züge, die sich in der bunten Geschichte der Dynastie ungesucht
finden, wie man denn etwa an den Grafen von Gleichen denkt, wenn man
liest, daß Graf Friedrich Magnus zu Castell im Jahre 1713 als junger
Witwer eine schon längst geliebte Türkin, Fatme, angeblich die Tochter eines
Paschas, heiratet, die der Gnade des Kurfürsten von Bayern bei der Er¬
oberung Ofens 1686 ihr Leben verdankte und schon zehn Jahre in der
Nähe ihres spätern Gatten lebte. Man wird bei Sperls Arbeit häufig an
Frchtags Bilder aus der deutschen Vergangenheit erinnert, und es wäre zu
wünschen, daß das fleißige und farbige Werk Sperls Nachfolger seiner Art
finden möchte.




vom thrakischen Meere
L. Fredrich vonSamothrake
(Schluß)

u Philipps Zeiten wurde der alte Tempel an alter Stätte stattlicher
aus Marmor neugebaut. Feierlich, altertümelnd graziös umschritten
ihn auf einem Friese Jungfrauen in jenem Reigen, der immer einen
Teil des Gottesdienstes ausmachte. Zu diesem Friese gehören jene
Platten, auf denen Cyriacus Musen zu erkennen glaubte; die best-
erhnltnen Stücke werden jetzt im Louvre aufbewahrt. Das drei-
figurige Tempelbild schuf kein Geringerer als Skopas. Zu Beginn des dritten
Jahrhunderts wurde westlich auf der Höhe, 10 Meter über dem Tempel, eine
103 Meter lange und 15 Meter tiefe Halle aus einheimischen Stein errichtet;
ein Zeichen für die wachsende Zahl der Besucher. Vor ihr mehrten sich die Statuen
und Denkmäler andrer Art. Das großartigste ließ nahe an ihrem Südende
Demetrios Poliorketes aufstellen, als er 294 König von Makedonien geworden
war: jene fast 3 Meter hohe Nike auf einem Postament, das die Form eines
Schisfsvorderteils hat. Seine Siegesgöttin, die 306 bei Salamis auf Cypern vom
Himmel ans sein Admircüschisf herabgeschwebt war und ihm aus der Hand Athenas
den Sieg in der Seeschlacht gebracht hatte, weihte er den Seegöttern, die mit
Makedonien sein eigen geworden waren. Das Werk fesselt noch hente den Besucher
des Louvre mehr als vieles andre durch seine Schönheit und die Kraft der Be¬
wegung, aber an seinem ursprünglichen Platze, von dem aus es den ganzen heiligen
Bezirk beherrschte, muß es noch viel stärker gewirkt haben. Doch nicht die Nike des
Demetrios, sondern die Gemahlin seines Nachfolgers sollte der gute Engel dieses
Platzes werden. Arsinoe, eine ägyptische Prinzessin, ließ als Königin von Makedonien
(286 bis 281) nördlich vom alten Tempel einen prächtigen Rundbau unbekannter
Bestimmung von 20 Metern Durchmesser aufführen. Während die Außenseite unten
glatt war, wurde sie oben durch Halbsäulen gegliedert, zwischen deren Basen eine
mit Stierschädeln und Rosetten verzierte Schranke herumgelegt war. Im spitz zu¬
laufenden Dache stieg der Bau zu 27 Metern Höhe auf. Als Arsinoe aber nach
dem Tode ihres Gemahls bei diesen ihr holden Göttern Zuflucht hatte suchen müssen
und später Königin von Ägypten geworden war, und auch Samothrake in ägyptischen


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[0203] vom thrakischen Meere romantischer Züge, die sich in der bunten Geschichte der Dynastie ungesucht finden, wie man denn etwa an den Grafen von Gleichen denkt, wenn man liest, daß Graf Friedrich Magnus zu Castell im Jahre 1713 als junger Witwer eine schon längst geliebte Türkin, Fatme, angeblich die Tochter eines Paschas, heiratet, die der Gnade des Kurfürsten von Bayern bei der Er¬ oberung Ofens 1686 ihr Leben verdankte und schon zehn Jahre in der Nähe ihres spätern Gatten lebte. Man wird bei Sperls Arbeit häufig an Frchtags Bilder aus der deutschen Vergangenheit erinnert, und es wäre zu wünschen, daß das fleißige und farbige Werk Sperls Nachfolger seiner Art finden möchte. vom thrakischen Meere L. Fredrich vonSamothrake (Schluß) u Philipps Zeiten wurde der alte Tempel an alter Stätte stattlicher aus Marmor neugebaut. Feierlich, altertümelnd graziös umschritten ihn auf einem Friese Jungfrauen in jenem Reigen, der immer einen Teil des Gottesdienstes ausmachte. Zu diesem Friese gehören jene Platten, auf denen Cyriacus Musen zu erkennen glaubte; die best- erhnltnen Stücke werden jetzt im Louvre aufbewahrt. Das drei- figurige Tempelbild schuf kein Geringerer als Skopas. Zu Beginn des dritten Jahrhunderts wurde westlich auf der Höhe, 10 Meter über dem Tempel, eine 103 Meter lange und 15 Meter tiefe Halle aus einheimischen Stein errichtet; ein Zeichen für die wachsende Zahl der Besucher. Vor ihr mehrten sich die Statuen und Denkmäler andrer Art. Das großartigste ließ nahe an ihrem Südende Demetrios Poliorketes aufstellen, als er 294 König von Makedonien geworden war: jene fast 3 Meter hohe Nike auf einem Postament, das die Form eines Schisfsvorderteils hat. Seine Siegesgöttin, die 306 bei Salamis auf Cypern vom Himmel ans sein Admircüschisf herabgeschwebt war und ihm aus der Hand Athenas den Sieg in der Seeschlacht gebracht hatte, weihte er den Seegöttern, die mit Makedonien sein eigen geworden waren. Das Werk fesselt noch hente den Besucher des Louvre mehr als vieles andre durch seine Schönheit und die Kraft der Be¬ wegung, aber an seinem ursprünglichen Platze, von dem aus es den ganzen heiligen Bezirk beherrschte, muß es noch viel stärker gewirkt haben. Doch nicht die Nike des Demetrios, sondern die Gemahlin seines Nachfolgers sollte der gute Engel dieses Platzes werden. Arsinoe, eine ägyptische Prinzessin, ließ als Königin von Makedonien (286 bis 281) nördlich vom alten Tempel einen prächtigen Rundbau unbekannter Bestimmung von 20 Metern Durchmesser aufführen. Während die Außenseite unten glatt war, wurde sie oben durch Halbsäulen gegliedert, zwischen deren Basen eine mit Stierschädeln und Rosetten verzierte Schranke herumgelegt war. Im spitz zu¬ laufenden Dache stieg der Bau zu 27 Metern Höhe auf. Als Arsinoe aber nach dem Tode ihres Gemahls bei diesen ihr holden Göttern Zuflucht hatte suchen müssen und später Königin von Ägypten geworden war, und auch Samothrake in ägyptischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/203>, abgerufen am 03.07.2024.