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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr.

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Die Geschichte der tvilhelinshöhe

geschilderte Verfahren wegfiele und damit eine große Summe von Arbeitskraft
und Geld für andre Zwecke verwendbar würde. Eine Schädigung von Privat¬
personen kann dadurch nicht entstehn, da das Erbrecht keinen eigentlichen An¬
spruch auf das Vermögen eines andern bildet und überdies durch testamentarische
Bestimmung durchbrochen werden kann.

Die Testamentserrichtung ist ja jetzt so vereinfacht worden, daß jeder selbst
bei einiger Vorsicht seine letztwilligen Verfügungen jederzeit treffen und bei
sich aufbewahren kann, ohne gleich deren Ungiltigkeit befürchten zu müssen. Es
wird also niemand, der Verwandte weiterer Grade bedenken will, gezwungen,
sein Vermögen nach seinem Tode der Allgemeinheit zu überlassen, falls er
seinen letzten Willen in giltiger Weise kundgibt. Unendlich viel Schreibwerk
wird bei den Vormundschaftsbehörden erspart werden, wenn die Erbrechts¬
beschränkung eintritt, und wenn es allgemein bekannt wird, daß man nur noch
durch Testament weitere Verwandte bedenken kann. Die Gedankenlosigkeit und
Gleichgiltigkeit vieler Menschen ist in Testaments- und Erbschaftssachen noch
außerordentlich groß, insbesondre auf dem Lande; man scheut sich vor der
Errichtung eines Testaments, weil man fürchtet, dann bald sterben zu müssen,
und geht auch an Erbschaftsregelungen nur höchst ungern heran. Darum steht
im Grundbuche nicht selten noch der Urgroßvater, zum mindesten aber der
Großvater als Eigentümer eingetragen, trotzdem daß sich in Wahrheit längst
der Enkel des Besitzes erfreut oder auch ganz fremde Menschen auf dem Hofe
sitzen. Dabei gibt es dann am Ende ein Staunen und Wundern, daß die Be¬
hörden umständlich sind, allerlei Zeugnisse fordern und hohe Kosten für die
U R. Krieg mschreibungen ansetzen.




Die Geschichte der Mlhelmshöhe

es möchte das interessante, vom Verlag der bekannten Samm¬
lung "Stätten der Kultur" aufs schönste ausgestattete Werk über
die Geschichte der Wilhelmshöhe*) allen empfehlen, denen die
Wilhelmshöhe eine Erinnerung an liebe Sommertage bedeutet,
und die, während ihr Auge auf dem reizenden Bilde mit Entzücken
ruhte, darüber nachgedacht haben, wie das alles wohl einstmals entstanden sei.
und welche Vergangenheit sich wohl an dieses von der Natur und Kunst zu¬
gleich geschaffne Idyll anknüpfe. Die Wilhelmshöhe über Kassel wird ja all¬
jährlich von vielen Tausenden besucht. Sie durchwandern den prachtvollen,
in seiner Art einzigen Naturpark, weiden sich an dem künstlichen Spiel der



*) Paul Heidelbach. Geschichte der Wilhelmshöhe. (402 Seiten mit 192 Abbildungen und
Situationsplan.) Leipzig, Klinkhardt und Bierinann, 1909.
Die Geschichte der tvilhelinshöhe

geschilderte Verfahren wegfiele und damit eine große Summe von Arbeitskraft
und Geld für andre Zwecke verwendbar würde. Eine Schädigung von Privat¬
personen kann dadurch nicht entstehn, da das Erbrecht keinen eigentlichen An¬
spruch auf das Vermögen eines andern bildet und überdies durch testamentarische
Bestimmung durchbrochen werden kann.

Die Testamentserrichtung ist ja jetzt so vereinfacht worden, daß jeder selbst
bei einiger Vorsicht seine letztwilligen Verfügungen jederzeit treffen und bei
sich aufbewahren kann, ohne gleich deren Ungiltigkeit befürchten zu müssen. Es
wird also niemand, der Verwandte weiterer Grade bedenken will, gezwungen,
sein Vermögen nach seinem Tode der Allgemeinheit zu überlassen, falls er
seinen letzten Willen in giltiger Weise kundgibt. Unendlich viel Schreibwerk
wird bei den Vormundschaftsbehörden erspart werden, wenn die Erbrechts¬
beschränkung eintritt, und wenn es allgemein bekannt wird, daß man nur noch
durch Testament weitere Verwandte bedenken kann. Die Gedankenlosigkeit und
Gleichgiltigkeit vieler Menschen ist in Testaments- und Erbschaftssachen noch
außerordentlich groß, insbesondre auf dem Lande; man scheut sich vor der
Errichtung eines Testaments, weil man fürchtet, dann bald sterben zu müssen,
und geht auch an Erbschaftsregelungen nur höchst ungern heran. Darum steht
im Grundbuche nicht selten noch der Urgroßvater, zum mindesten aber der
Großvater als Eigentümer eingetragen, trotzdem daß sich in Wahrheit längst
der Enkel des Besitzes erfreut oder auch ganz fremde Menschen auf dem Hofe
sitzen. Dabei gibt es dann am Ende ein Staunen und Wundern, daß die Be¬
hörden umständlich sind, allerlei Zeugnisse fordern und hohe Kosten für die
U R. Krieg mschreibungen ansetzen.




Die Geschichte der Mlhelmshöhe

es möchte das interessante, vom Verlag der bekannten Samm¬
lung „Stätten der Kultur" aufs schönste ausgestattete Werk über
die Geschichte der Wilhelmshöhe*) allen empfehlen, denen die
Wilhelmshöhe eine Erinnerung an liebe Sommertage bedeutet,
und die, während ihr Auge auf dem reizenden Bilde mit Entzücken
ruhte, darüber nachgedacht haben, wie das alles wohl einstmals entstanden sei.
und welche Vergangenheit sich wohl an dieses von der Natur und Kunst zu¬
gleich geschaffne Idyll anknüpfe. Die Wilhelmshöhe über Kassel wird ja all¬
jährlich von vielen Tausenden besucht. Sie durchwandern den prachtvollen,
in seiner Art einzigen Naturpark, weiden sich an dem künstlichen Spiel der



*) Paul Heidelbach. Geschichte der Wilhelmshöhe. (402 Seiten mit 192 Abbildungen und
Situationsplan.) Leipzig, Klinkhardt und Bierinann, 1909.
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[0133] Die Geschichte der tvilhelinshöhe geschilderte Verfahren wegfiele und damit eine große Summe von Arbeitskraft und Geld für andre Zwecke verwendbar würde. Eine Schädigung von Privat¬ personen kann dadurch nicht entstehn, da das Erbrecht keinen eigentlichen An¬ spruch auf das Vermögen eines andern bildet und überdies durch testamentarische Bestimmung durchbrochen werden kann. Die Testamentserrichtung ist ja jetzt so vereinfacht worden, daß jeder selbst bei einiger Vorsicht seine letztwilligen Verfügungen jederzeit treffen und bei sich aufbewahren kann, ohne gleich deren Ungiltigkeit befürchten zu müssen. Es wird also niemand, der Verwandte weiterer Grade bedenken will, gezwungen, sein Vermögen nach seinem Tode der Allgemeinheit zu überlassen, falls er seinen letzten Willen in giltiger Weise kundgibt. Unendlich viel Schreibwerk wird bei den Vormundschaftsbehörden erspart werden, wenn die Erbrechts¬ beschränkung eintritt, und wenn es allgemein bekannt wird, daß man nur noch durch Testament weitere Verwandte bedenken kann. Die Gedankenlosigkeit und Gleichgiltigkeit vieler Menschen ist in Testaments- und Erbschaftssachen noch außerordentlich groß, insbesondre auf dem Lande; man scheut sich vor der Errichtung eines Testaments, weil man fürchtet, dann bald sterben zu müssen, und geht auch an Erbschaftsregelungen nur höchst ungern heran. Darum steht im Grundbuche nicht selten noch der Urgroßvater, zum mindesten aber der Großvater als Eigentümer eingetragen, trotzdem daß sich in Wahrheit längst der Enkel des Besitzes erfreut oder auch ganz fremde Menschen auf dem Hofe sitzen. Dabei gibt es dann am Ende ein Staunen und Wundern, daß die Be¬ hörden umständlich sind, allerlei Zeugnisse fordern und hohe Kosten für die U R. Krieg mschreibungen ansetzen. Die Geschichte der Mlhelmshöhe es möchte das interessante, vom Verlag der bekannten Samm¬ lung „Stätten der Kultur" aufs schönste ausgestattete Werk über die Geschichte der Wilhelmshöhe*) allen empfehlen, denen die Wilhelmshöhe eine Erinnerung an liebe Sommertage bedeutet, und die, während ihr Auge auf dem reizenden Bilde mit Entzücken ruhte, darüber nachgedacht haben, wie das alles wohl einstmals entstanden sei. und welche Vergangenheit sich wohl an dieses von der Natur und Kunst zu¬ gleich geschaffne Idyll anknüpfe. Die Wilhelmshöhe über Kassel wird ja all¬ jährlich von vielen Tausenden besucht. Sie durchwandern den prachtvollen, in seiner Art einzigen Naturpark, weiden sich an dem künstlichen Spiel der *) Paul Heidelbach. Geschichte der Wilhelmshöhe. (402 Seiten mit 192 Abbildungen und Situationsplan.) Leipzig, Klinkhardt und Bierinann, 1909.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_312350/133>, abgerufen am 22.07.2024.