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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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Kirche und Staat in Frankreich

keine zweite deutsche Kolonie erschienen ist. Von einer Anzahl Druckfehler,
die u. ni. brasilianische Worte in irriger Schreibweise wiedergeben, will ich nur
nebenher sprechen. Nicht unerwähnt aber darf bleiben, daß er nach dem
Beispiel mancher Vorgänger auch über Dinge und Personen aburteilt, die er
offenbar nicht genau kennen gelernt hat. Es ist ein Leidwesen der deutschen
Publikationen über Brasilien, daß sich die Verfasser der Verantwortlichkeit
nicht bewußt zu sein scheinen, die sie nicht nur dem Publikum im allgemeinen,
sondern insbesondre dem brasilianischen Deutschtum gegenüber auf sich zu
nehmen haben. Wenn das brasilianische Volk in solchen Schriften in be¬
leidigender Form beurteilt, wenn ihm sogar die nationale Existenzberechtigung
abgesprochen wird, so sind die Autoren in erklärtem Widerspruche zu den An¬
sichten des in Brasilien lebenden Deutschtums, das am Ende ein richtigeres
Urteil in der Sache hat, weil es die Lusobrasilianer und ihre guten wie
schlechten Eigenschaften besser kennt. Es ist mit solchen Veröffentlichungen
schon schweres Unheil angerichtet worden. Die Nativisten haben um deswillen
das ganze Deutschtum verdächtigt und angefeindet. Und es ist klar -- wenn
zwei Nationalitäten in einem Lande friedlich nebeneinander Hausen sollen, so
müssen sie sich gegenseitig mit Achtung begegnen und dürfen einander die
Rücksicht und Höflichkeit uicht versagen, ohne die ein einträchtiges Zusammen¬
leben nun einmal nicht denkbar ist.

Nur zwei Möglichkeiten sind gegeben, entweder man fördert die deutsche
Auswandrung nach Südbrasilien, und dann muß man eine den Verhältnissen
entsprechende Politik beobachten und auf gute Harmonie mit den Luso-
brasilianern, den Herren des Landes, hinarbeiten; oder man läßt es bleiben,
auf Ablenkung der deutschen Auswandrung nach dem Süden Südamerikas
das Augenmerk hinzurichten. Aber auch in diesem Falle wäre es tadelnswert,
Ansichten und Ideen zu üußeru, die Empörung hervorrufen und eine Wirkung
zeitigen, die einer Aufhetzung der Eingebornen gegen unsre dort eingewanderten
Carl Bolle deutschen Stammesgenossen gleichkommt.




Kirche und Staat in Frankreich
Carl Ientsch von1

WW
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"MW
gestalten
über dies, dello ^i-M06 ist mit einem gewaltigen Satz -- hopp, hopp,
Mariannchen -- aus dem Weihrauchnebel katholischer Bigotterie
in die klare, kalte Luft eines kirchenlosen Rationalismus hinaus¬
gesprungen. Wie sich die Dinge auch weiter entwickeln mögen,
sie werden sich in jedem Falle zu einem belehrenden Experiment
für das die Christenheit der Kühnen dankbar sein darf. Anstatt
in Betracht kommenden Möglichkeiten,, zu denen wir in Erinnerung


Kirche und Staat in Frankreich

keine zweite deutsche Kolonie erschienen ist. Von einer Anzahl Druckfehler,
die u. ni. brasilianische Worte in irriger Schreibweise wiedergeben, will ich nur
nebenher sprechen. Nicht unerwähnt aber darf bleiben, daß er nach dem
Beispiel mancher Vorgänger auch über Dinge und Personen aburteilt, die er
offenbar nicht genau kennen gelernt hat. Es ist ein Leidwesen der deutschen
Publikationen über Brasilien, daß sich die Verfasser der Verantwortlichkeit
nicht bewußt zu sein scheinen, die sie nicht nur dem Publikum im allgemeinen,
sondern insbesondre dem brasilianischen Deutschtum gegenüber auf sich zu
nehmen haben. Wenn das brasilianische Volk in solchen Schriften in be¬
leidigender Form beurteilt, wenn ihm sogar die nationale Existenzberechtigung
abgesprochen wird, so sind die Autoren in erklärtem Widerspruche zu den An¬
sichten des in Brasilien lebenden Deutschtums, das am Ende ein richtigeres
Urteil in der Sache hat, weil es die Lusobrasilianer und ihre guten wie
schlechten Eigenschaften besser kennt. Es ist mit solchen Veröffentlichungen
schon schweres Unheil angerichtet worden. Die Nativisten haben um deswillen
das ganze Deutschtum verdächtigt und angefeindet. Und es ist klar — wenn
zwei Nationalitäten in einem Lande friedlich nebeneinander Hausen sollen, so
müssen sie sich gegenseitig mit Achtung begegnen und dürfen einander die
Rücksicht und Höflichkeit uicht versagen, ohne die ein einträchtiges Zusammen¬
leben nun einmal nicht denkbar ist.

Nur zwei Möglichkeiten sind gegeben, entweder man fördert die deutsche
Auswandrung nach Südbrasilien, und dann muß man eine den Verhältnissen
entsprechende Politik beobachten und auf gute Harmonie mit den Luso-
brasilianern, den Herren des Landes, hinarbeiten; oder man läßt es bleiben,
auf Ablenkung der deutschen Auswandrung nach dem Süden Südamerikas
das Augenmerk hinzurichten. Aber auch in diesem Falle wäre es tadelnswert,
Ansichten und Ideen zu üußeru, die Empörung hervorrufen und eine Wirkung
zeitigen, die einer Aufhetzung der Eingebornen gegen unsre dort eingewanderten
Carl Bolle deutschen Stammesgenossen gleichkommt.




Kirche und Staat in Frankreich
Carl Ientsch von1

WW
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gestalten
über dies, dello ^i-M06 ist mit einem gewaltigen Satz — hopp, hopp,
Mariannchen — aus dem Weihrauchnebel katholischer Bigotterie
in die klare, kalte Luft eines kirchenlosen Rationalismus hinaus¬
gesprungen. Wie sich die Dinge auch weiter entwickeln mögen,
sie werden sich in jedem Falle zu einem belehrenden Experiment
für das die Christenheit der Kühnen dankbar sein darf. Anstatt
in Betracht kommenden Möglichkeiten,, zu denen wir in Erinnerung


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[0516] Kirche und Staat in Frankreich keine zweite deutsche Kolonie erschienen ist. Von einer Anzahl Druckfehler, die u. ni. brasilianische Worte in irriger Schreibweise wiedergeben, will ich nur nebenher sprechen. Nicht unerwähnt aber darf bleiben, daß er nach dem Beispiel mancher Vorgänger auch über Dinge und Personen aburteilt, die er offenbar nicht genau kennen gelernt hat. Es ist ein Leidwesen der deutschen Publikationen über Brasilien, daß sich die Verfasser der Verantwortlichkeit nicht bewußt zu sein scheinen, die sie nicht nur dem Publikum im allgemeinen, sondern insbesondre dem brasilianischen Deutschtum gegenüber auf sich zu nehmen haben. Wenn das brasilianische Volk in solchen Schriften in be¬ leidigender Form beurteilt, wenn ihm sogar die nationale Existenzberechtigung abgesprochen wird, so sind die Autoren in erklärtem Widerspruche zu den An¬ sichten des in Brasilien lebenden Deutschtums, das am Ende ein richtigeres Urteil in der Sache hat, weil es die Lusobrasilianer und ihre guten wie schlechten Eigenschaften besser kennt. Es ist mit solchen Veröffentlichungen schon schweres Unheil angerichtet worden. Die Nativisten haben um deswillen das ganze Deutschtum verdächtigt und angefeindet. Und es ist klar — wenn zwei Nationalitäten in einem Lande friedlich nebeneinander Hausen sollen, so müssen sie sich gegenseitig mit Achtung begegnen und dürfen einander die Rücksicht und Höflichkeit uicht versagen, ohne die ein einträchtiges Zusammen¬ leben nun einmal nicht denkbar ist. Nur zwei Möglichkeiten sind gegeben, entweder man fördert die deutsche Auswandrung nach Südbrasilien, und dann muß man eine den Verhältnissen entsprechende Politik beobachten und auf gute Harmonie mit den Luso- brasilianern, den Herren des Landes, hinarbeiten; oder man läßt es bleiben, auf Ablenkung der deutschen Auswandrung nach dem Süden Südamerikas das Augenmerk hinzurichten. Aber auch in diesem Falle wäre es tadelnswert, Ansichten und Ideen zu üußeru, die Empörung hervorrufen und eine Wirkung zeitigen, die einer Aufhetzung der Eingebornen gegen unsre dort eingewanderten Carl Bolle deutschen Stammesgenossen gleichkommt. Kirche und Staat in Frankreich Carl Ientsch von1 WW ßW «MW gestalten über dies, dello ^i-M06 ist mit einem gewaltigen Satz — hopp, hopp, Mariannchen — aus dem Weihrauchnebel katholischer Bigotterie in die klare, kalte Luft eines kirchenlosen Rationalismus hinaus¬ gesprungen. Wie sich die Dinge auch weiter entwickeln mögen, sie werden sich in jedem Falle zu einem belehrenden Experiment für das die Christenheit der Kühnen dankbar sein darf. Anstatt in Betracht kommenden Möglichkeiten,, zu denen wir in Erinnerung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/516>, abgerufen am 22.07.2024.