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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr.

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zu den naturwissenschaftlichen und technischen Artikeln ist das Werk ausreichend ver¬
sehen, mit schönen, gediegnen Kunstblattern verschwenderisch ausgestattet; solche zieren
nicht bloß die Hauptartikel: antike Kunst, byzantinische, romanische, gotische, neuere
Baukunst, Renaissance, Malerei usw., sondern auch die einzelnen großen Meister
wie van Eyck, Raffael, Tizian, Holbein, Rembrandt, Rubens usw. werden mit zahl¬
reichen Reproduktionen berühmter Galeriebilder charakterisiert. Demnach lohnt es
sich für solche Protestanten, denen 189 oder 210 Mark zuviel sind den Herder
,
Carl Zentsch einer Prüfung zu unterziehen.


Das Neueste vom "Bund für Mutterschutz".

Der famose Bund, über
den wir schon in der Faschingszeit des vorigen Jahres berichten konnten, hat kürzlich
in Berlin eine Versammlung abgehalten, bei der eine der Rednerinnen dem Ge¬
danken Ausdruck gab, daß ein Gebärstreik der Frauen, konsequent durchgeführt, den
Staat zwingen würde, nicht nur die Verfemung der unehelichen Mutterschaft auf¬
zuheben, sondern auch die Mntterleistung der Frau schlechthin zu bezahlen. Wir
wollen annehmen, daß nicht alle Teilnehmerinnen um der Versammlung mit der
Rednerin einverstanden gewesen sind, und daß wenigstens den noch weiblich empfindenden
unter ihnen die unglaubliche Roheit und Mißachtung des eignen Geschlechts, die
in der Forderung liegen, zum Bewußtsein gekommen sind. Daß aber eine solche
Rede überhaupt geholten werden konnte, beweist die Kritiklosigkeit der Vereinsleituug
gegenüber den Auswüchsen unsrer modernen Frauenemanzipation. Über den Gegen¬
stand der Rede selbst bedarf es keiner Auseinandersetzung. Wenn irgendwo die Kluft
zwischen Theorie und Praxis unüberbrückbar ist, so ist sie es in den Fragen des
Sexuallebens. Wir können also der Matrone, die den neuen Streik proklamiert, die
originelle Marotte gönnen; daß ihr selbst das Streiken nicht zu schwer fällt, dafür
wird schon die Natur gesorgt haben. Aber der Fall beansprucht ein gewisses psycho¬
logisches Interesse. Denn was aus der Forderung der Dame spricht, ist im Grunde
weiter nichts als der blinde Männerhaß eines unbefriedigten Weibes. In einer
Zeit, wo unverheiratete ältere Damen die Welt über die Geheimnisse des ehelichen
Lebens und der Säuglingserziehnng belehren, wo andre Vertreterinnen holder
Weiblichkeit auf die Gasse ziehen und die Kehrseite harmloser Schutzleute zu einem
Felde für ihren Tatendrang machen, braucht man über nichts mehr zu erstaunen.
Wäre es möglich, so würden diese Damen -- wenigstens in den für die Öffentlich¬
keit gemünzten Erörterungen - den bösen Manu ganz ausschalten, besonders da,
wo er bis zur Stunde leider noch nicht ganz zu entbehren ist: als Teilhaber in dein
Geschäfte, als dessen Endzweck die Fortpflanzung der Menschheit gilt.

Im Interesse der berechtigten Bestrebungen der Frauenemanzipation muß
man solche Auswüchse lebhaft bedauern. Wenn es Damen mit so ausgesprochen
pathologischer Veranlagung gelingt, eine gewisse führende Rolle in dieser Bewegung
zu spielen, so ist man doch genötigt, sich Gedanken darüber zu machen, ob und wie
weit das weibliche Geschlecht überhaupt befähigt ist, aus dem Rahmen der ihm von
N I- H. atur und Sitte zugewiesenen Wirksamkeit herauszutreten.




zu den naturwissenschaftlichen und technischen Artikeln ist das Werk ausreichend ver¬
sehen, mit schönen, gediegnen Kunstblattern verschwenderisch ausgestattet; solche zieren
nicht bloß die Hauptartikel: antike Kunst, byzantinische, romanische, gotische, neuere
Baukunst, Renaissance, Malerei usw., sondern auch die einzelnen großen Meister
wie van Eyck, Raffael, Tizian, Holbein, Rembrandt, Rubens usw. werden mit zahl¬
reichen Reproduktionen berühmter Galeriebilder charakterisiert. Demnach lohnt es
sich für solche Protestanten, denen 189 oder 210 Mark zuviel sind den Herder
,
Carl Zentsch einer Prüfung zu unterziehen.


Das Neueste vom „Bund für Mutterschutz".

Der famose Bund, über
den wir schon in der Faschingszeit des vorigen Jahres berichten konnten, hat kürzlich
in Berlin eine Versammlung abgehalten, bei der eine der Rednerinnen dem Ge¬
danken Ausdruck gab, daß ein Gebärstreik der Frauen, konsequent durchgeführt, den
Staat zwingen würde, nicht nur die Verfemung der unehelichen Mutterschaft auf¬
zuheben, sondern auch die Mntterleistung der Frau schlechthin zu bezahlen. Wir
wollen annehmen, daß nicht alle Teilnehmerinnen um der Versammlung mit der
Rednerin einverstanden gewesen sind, und daß wenigstens den noch weiblich empfindenden
unter ihnen die unglaubliche Roheit und Mißachtung des eignen Geschlechts, die
in der Forderung liegen, zum Bewußtsein gekommen sind. Daß aber eine solche
Rede überhaupt geholten werden konnte, beweist die Kritiklosigkeit der Vereinsleituug
gegenüber den Auswüchsen unsrer modernen Frauenemanzipation. Über den Gegen¬
stand der Rede selbst bedarf es keiner Auseinandersetzung. Wenn irgendwo die Kluft
zwischen Theorie und Praxis unüberbrückbar ist, so ist sie es in den Fragen des
Sexuallebens. Wir können also der Matrone, die den neuen Streik proklamiert, die
originelle Marotte gönnen; daß ihr selbst das Streiken nicht zu schwer fällt, dafür
wird schon die Natur gesorgt haben. Aber der Fall beansprucht ein gewisses psycho¬
logisches Interesse. Denn was aus der Forderung der Dame spricht, ist im Grunde
weiter nichts als der blinde Männerhaß eines unbefriedigten Weibes. In einer
Zeit, wo unverheiratete ältere Damen die Welt über die Geheimnisse des ehelichen
Lebens und der Säuglingserziehnng belehren, wo andre Vertreterinnen holder
Weiblichkeit auf die Gasse ziehen und die Kehrseite harmloser Schutzleute zu einem
Felde für ihren Tatendrang machen, braucht man über nichts mehr zu erstaunen.
Wäre es möglich, so würden diese Damen — wenigstens in den für die Öffentlich¬
keit gemünzten Erörterungen - den bösen Manu ganz ausschalten, besonders da,
wo er bis zur Stunde leider noch nicht ganz zu entbehren ist: als Teilhaber in dein
Geschäfte, als dessen Endzweck die Fortpflanzung der Menschheit gilt.

Im Interesse der berechtigten Bestrebungen der Frauenemanzipation muß
man solche Auswüchse lebhaft bedauern. Wenn es Damen mit so ausgesprochen
pathologischer Veranlagung gelingt, eine gewisse führende Rolle in dieser Bewegung
zu spielen, so ist man doch genötigt, sich Gedanken darüber zu machen, ob und wie
weit das weibliche Geschlecht überhaupt befähigt ist, aus dem Rahmen der ihm von
N I- H. atur und Sitte zugewiesenen Wirksamkeit herauszutreten.




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[0404] zu den naturwissenschaftlichen und technischen Artikeln ist das Werk ausreichend ver¬ sehen, mit schönen, gediegnen Kunstblattern verschwenderisch ausgestattet; solche zieren nicht bloß die Hauptartikel: antike Kunst, byzantinische, romanische, gotische, neuere Baukunst, Renaissance, Malerei usw., sondern auch die einzelnen großen Meister wie van Eyck, Raffael, Tizian, Holbein, Rembrandt, Rubens usw. werden mit zahl¬ reichen Reproduktionen berühmter Galeriebilder charakterisiert. Demnach lohnt es sich für solche Protestanten, denen 189 oder 210 Mark zuviel sind den Herder , Carl Zentsch einer Prüfung zu unterziehen. Das Neueste vom „Bund für Mutterschutz". Der famose Bund, über den wir schon in der Faschingszeit des vorigen Jahres berichten konnten, hat kürzlich in Berlin eine Versammlung abgehalten, bei der eine der Rednerinnen dem Ge¬ danken Ausdruck gab, daß ein Gebärstreik der Frauen, konsequent durchgeführt, den Staat zwingen würde, nicht nur die Verfemung der unehelichen Mutterschaft auf¬ zuheben, sondern auch die Mntterleistung der Frau schlechthin zu bezahlen. Wir wollen annehmen, daß nicht alle Teilnehmerinnen um der Versammlung mit der Rednerin einverstanden gewesen sind, und daß wenigstens den noch weiblich empfindenden unter ihnen die unglaubliche Roheit und Mißachtung des eignen Geschlechts, die in der Forderung liegen, zum Bewußtsein gekommen sind. Daß aber eine solche Rede überhaupt geholten werden konnte, beweist die Kritiklosigkeit der Vereinsleituug gegenüber den Auswüchsen unsrer modernen Frauenemanzipation. Über den Gegen¬ stand der Rede selbst bedarf es keiner Auseinandersetzung. Wenn irgendwo die Kluft zwischen Theorie und Praxis unüberbrückbar ist, so ist sie es in den Fragen des Sexuallebens. Wir können also der Matrone, die den neuen Streik proklamiert, die originelle Marotte gönnen; daß ihr selbst das Streiken nicht zu schwer fällt, dafür wird schon die Natur gesorgt haben. Aber der Fall beansprucht ein gewisses psycho¬ logisches Interesse. Denn was aus der Forderung der Dame spricht, ist im Grunde weiter nichts als der blinde Männerhaß eines unbefriedigten Weibes. In einer Zeit, wo unverheiratete ältere Damen die Welt über die Geheimnisse des ehelichen Lebens und der Säuglingserziehnng belehren, wo andre Vertreterinnen holder Weiblichkeit auf die Gasse ziehen und die Kehrseite harmloser Schutzleute zu einem Felde für ihren Tatendrang machen, braucht man über nichts mehr zu erstaunen. Wäre es möglich, so würden diese Damen — wenigstens in den für die Öffentlich¬ keit gemünzten Erörterungen - den bösen Manu ganz ausschalten, besonders da, wo er bis zur Stunde leider noch nicht ganz zu entbehren ist: als Teilhaber in dein Geschäfte, als dessen Endzweck die Fortpflanzung der Menschheit gilt. Im Interesse der berechtigten Bestrebungen der Frauenemanzipation muß man solche Auswüchse lebhaft bedauern. Wenn es Damen mit so ausgesprochen pathologischer Veranlagung gelingt, eine gewisse führende Rolle in dieser Bewegung zu spielen, so ist man doch genötigt, sich Gedanken darüber zu machen, ob und wie weit das weibliche Geschlecht überhaupt befähigt ist, aus dem Rahmen der ihm von N I- H. atur und Sitte zugewiesenen Wirksamkeit herauszutreten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_311080/404>, abgerufen am 27.06.2024.