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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Goethes letztes Lebensjahr
Lin Mosaikbild

Die Hauptsache ist, daß man ein großes Wollen habe,
auch Geschick und Beharrlichkeit besitze, es auszuführen.

, den 17. Februar 18Ü2


Gcspr, mit Sorct
1

> it Fug und Recht wird in den gangbaren Biographien Goethes
die Zeit von 1824 bis 1832 zusammenfassend in einem Ab¬
schnitte behandelt. Das Jahr 1823 mit den beiden ernsten
Krankheitsanfällen und den starken gemütlichen Aufregungen im
! Sommer und Herbst bildet ohne Zweifel einen Wendepunkt im
Leben des Dichters. Die Besucher gegen Ende des Jahres fanden den bis dahin
wunderbar Frischer und Rüstigen merklich gealtert. Jedenfalls hat sich dieser
von 1824 bis zu seinem Tode nur ganz selten und nicht weiter als bis Jena,
Dornburg, Ilmenau von Weimar entfernt, sich vom Hofe und der großen
Geselligkeit, auch vom Theaterbesuch je länger je mehr ferngehalten, sodaß die
letzten acht Jahre, abgesehn von Jubilüumsfesten und schmerzlichen Trauertagen,
bemerkenswerte Erlebnisse nur in geringer Zahl bieten. Auch war diese letzte
"testamentarische" Zeit vornehmlich dem Sammeln, Sichten und Ergänzen des
in frühern Jahren gearbeiteten gewidmet; wesentlich Neues hat Goethe in ihr
nicht mehr in Angriff genommen.

Immerhin hat diese Zusammenfassung der langen Zeit von 1824 bis 1832
den Nachteil im Gefolge, daß die Höhepunkte im Leben des Dichters wohl
gebührend hervorgehoben, im übrigen aber einigermaßen zerfließende Bilder
gezeichnet werden. Vielleicht erscheint es deshalb manchen als eine dankens¬
werte Ergänzung der Goethebiographien, wenn im nachstehenden das Bild
eines einzelnen Jahres, aus Hunderten kleiner und kleinster Mosaikstückchen
zusammengesetzt, vorgeführt wird. Befremdend mag zunächst erscheinen, daß zu
diesem Behufe gerade das Jahr von Mürz 1831 bis ebendahin 1832 ausge¬
wählt worden ist. Vielleicht rechtfertigt sich die Wahl durch die Ausführung.

Der angemessene Gang ist wohl, daß mit dem Äußerlichen, mehr Profanen
begonnen wird, erst nach und nach die Schilderung zu Höheren, Bedeutenderem
aufsteigt. Soll das Bild genügend scharf und genau werden, so wird unver¬
meidlich auch Kleines und Kleinstes mit herbeiznziehn sein. Ob hierin zu weit
gegangen worden ist, möge man entscheiden, wenn man das Ganze übersieht.

Um mit dem Gesundheitlichen zu beginnen, werde festgestellt, daß sich
Goethe 1831 im Leiblichen wohler gefühlt hat als in manchem Jahre vorher.




Goethes letztes Lebensjahr
Lin Mosaikbild

Die Hauptsache ist, daß man ein großes Wollen habe,
auch Geschick und Beharrlichkeit besitze, es auszuführen.

, den 17. Februar 18Ü2


Gcspr, mit Sorct
1

> it Fug und Recht wird in den gangbaren Biographien Goethes
die Zeit von 1824 bis 1832 zusammenfassend in einem Ab¬
schnitte behandelt. Das Jahr 1823 mit den beiden ernsten
Krankheitsanfällen und den starken gemütlichen Aufregungen im
! Sommer und Herbst bildet ohne Zweifel einen Wendepunkt im
Leben des Dichters. Die Besucher gegen Ende des Jahres fanden den bis dahin
wunderbar Frischer und Rüstigen merklich gealtert. Jedenfalls hat sich dieser
von 1824 bis zu seinem Tode nur ganz selten und nicht weiter als bis Jena,
Dornburg, Ilmenau von Weimar entfernt, sich vom Hofe und der großen
Geselligkeit, auch vom Theaterbesuch je länger je mehr ferngehalten, sodaß die
letzten acht Jahre, abgesehn von Jubilüumsfesten und schmerzlichen Trauertagen,
bemerkenswerte Erlebnisse nur in geringer Zahl bieten. Auch war diese letzte
„testamentarische" Zeit vornehmlich dem Sammeln, Sichten und Ergänzen des
in frühern Jahren gearbeiteten gewidmet; wesentlich Neues hat Goethe in ihr
nicht mehr in Angriff genommen.

Immerhin hat diese Zusammenfassung der langen Zeit von 1824 bis 1832
den Nachteil im Gefolge, daß die Höhepunkte im Leben des Dichters wohl
gebührend hervorgehoben, im übrigen aber einigermaßen zerfließende Bilder
gezeichnet werden. Vielleicht erscheint es deshalb manchen als eine dankens¬
werte Ergänzung der Goethebiographien, wenn im nachstehenden das Bild
eines einzelnen Jahres, aus Hunderten kleiner und kleinster Mosaikstückchen
zusammengesetzt, vorgeführt wird. Befremdend mag zunächst erscheinen, daß zu
diesem Behufe gerade das Jahr von Mürz 1831 bis ebendahin 1832 ausge¬
wählt worden ist. Vielleicht rechtfertigt sich die Wahl durch die Ausführung.

Der angemessene Gang ist wohl, daß mit dem Äußerlichen, mehr Profanen
begonnen wird, erst nach und nach die Schilderung zu Höheren, Bedeutenderem
aufsteigt. Soll das Bild genügend scharf und genau werden, so wird unver¬
meidlich auch Kleines und Kleinstes mit herbeiznziehn sein. Ob hierin zu weit
gegangen worden ist, möge man entscheiden, wenn man das Ganze übersieht.

Um mit dem Gesundheitlichen zu beginnen, werde festgestellt, daß sich
Goethe 1831 im Leiblichen wohler gefühlt hat als in manchem Jahre vorher.


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[0076] [Abbildung] Goethes letztes Lebensjahr Lin Mosaikbild Die Hauptsache ist, daß man ein großes Wollen habe, auch Geschick und Beharrlichkeit besitze, es auszuführen. , den 17. Februar 18Ü2 Gcspr, mit Sorct 1 > it Fug und Recht wird in den gangbaren Biographien Goethes die Zeit von 1824 bis 1832 zusammenfassend in einem Ab¬ schnitte behandelt. Das Jahr 1823 mit den beiden ernsten Krankheitsanfällen und den starken gemütlichen Aufregungen im ! Sommer und Herbst bildet ohne Zweifel einen Wendepunkt im Leben des Dichters. Die Besucher gegen Ende des Jahres fanden den bis dahin wunderbar Frischer und Rüstigen merklich gealtert. Jedenfalls hat sich dieser von 1824 bis zu seinem Tode nur ganz selten und nicht weiter als bis Jena, Dornburg, Ilmenau von Weimar entfernt, sich vom Hofe und der großen Geselligkeit, auch vom Theaterbesuch je länger je mehr ferngehalten, sodaß die letzten acht Jahre, abgesehn von Jubilüumsfesten und schmerzlichen Trauertagen, bemerkenswerte Erlebnisse nur in geringer Zahl bieten. Auch war diese letzte „testamentarische" Zeit vornehmlich dem Sammeln, Sichten und Ergänzen des in frühern Jahren gearbeiteten gewidmet; wesentlich Neues hat Goethe in ihr nicht mehr in Angriff genommen. Immerhin hat diese Zusammenfassung der langen Zeit von 1824 bis 1832 den Nachteil im Gefolge, daß die Höhepunkte im Leben des Dichters wohl gebührend hervorgehoben, im übrigen aber einigermaßen zerfließende Bilder gezeichnet werden. Vielleicht erscheint es deshalb manchen als eine dankens¬ werte Ergänzung der Goethebiographien, wenn im nachstehenden das Bild eines einzelnen Jahres, aus Hunderten kleiner und kleinster Mosaikstückchen zusammengesetzt, vorgeführt wird. Befremdend mag zunächst erscheinen, daß zu diesem Behufe gerade das Jahr von Mürz 1831 bis ebendahin 1832 ausge¬ wählt worden ist. Vielleicht rechtfertigt sich die Wahl durch die Ausführung. Der angemessene Gang ist wohl, daß mit dem Äußerlichen, mehr Profanen begonnen wird, erst nach und nach die Schilderung zu Höheren, Bedeutenderem aufsteigt. Soll das Bild genügend scharf und genau werden, so wird unver¬ meidlich auch Kleines und Kleinstes mit herbeiznziehn sein. Ob hierin zu weit gegangen worden ist, möge man entscheiden, wenn man das Ganze übersieht. Um mit dem Gesundheitlichen zu beginnen, werde festgestellt, daß sich Goethe 1831 im Leiblichen wohler gefühlt hat als in manchem Jahre vorher.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/76>, abgerufen am 22.07.2024.