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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Das Gnadenfest der heiligen Anna
Clara Hohrath von (Fortsetzung)

"iderstreitende Regungen waren während des Kindes Rede in des
jungen Menschen Seele aufgetaucht. Zwischen Ernst und Spott,
Rührung und Hohn hin und her gerissen, lachte er bald, bald wurden
seine ausdrucksvollen Seemannsaugen wieder ernst, fast andächtig.
Und dann blitzte wieder plötzlich ein tückischer Funke in diesen ver¬
räterischen Spiegeln seiner Seele auf, sodaß das Kind sich vor diesem
wilden, zügellosen Menschen gefürchtet haben würde, hätte seine große Unwissenheit
und Unschuld es nicht daran verhindert.

Du bietest mir ja viel auf einmal an, Jüngferlein, sagte er mit rauh klingender
Stimme. Haus und Hof, eine Fron und eine Mutter! Soviel ist mir noch von
keinem ausgewachsnen Mädchen jemals angeboten worden, weder in Spanien noch
"> Japan noch in der Türkei! Darüber müssen wir uns noch näher besprechen,
kleines Fräulein. Komm her, hier in die Bank, das ist ein trefflicher Beichtstuhl,
da kannst du mir dein jungfräuliches Herzchen ausschütten und mich weiter über
die Pflichten und Freuden meiner Zukunft belehren. Komm her, hier dicht zu mir,
meine kleine Braut!

Sie wußte nicht recht, ob er nun im Ernst oder im Spott gesprochen hatte,
aber sie setzte sich gehorsam an seine Seite und hob ihr sorgenvolles, altkluges
Gesichtchen fragend zu ihm auf. Willst du also der lieben Heiligen gehorchen und
mich heiraten? Du wirst sehn, daß du es bet mir nicht schlechter haben wirst,
als wenn dn eines der großen Mädchen heiraten würdest, ich kann ebensogut
haushalten wie sie. Da, sieh meine Hände an! Ganz hart und zerrissen sind sie,
das kommt vom Putzen, und die kleinen Runzeln hier, die kommen vom Waschen,
und die Schwielen, die hat das Bügeleisen gemacht, es ist so schwer und heiß.
Aber es plattet auch fein, da an meiner Haube kannst du es sehn, fühl sie an,
wie steif sie ist!

Die braune Hand des Mannes griff nach der Haube. Ja, sie ist hart wie
^" Brett, aber laß mich einmal deine Haare sehn, die darunter versteckt sind,
Gwennolmk!

Doch das kleine Mädchen fuhr erschrocken mit beiden Händen nach der Haube,
um sie krampfhaft festzuhalten.

Nein, sagte sie bestimmt, laß los, die Haube setz ich nicht ab!

Er lachte wieder, zog aber doch gehorsam die zudringliche Hand zurück. Du
bist eine echte Bretonin, sagte er. Überall sonst, in Frankreich und in allen andern
Ländern, tragen die Mädchen ihre Haare offen zu Schau, nur hier in der Bretagne
werden die schönen Frauenhaare sorgfältig versteckt. Warum denn, Gwennola?
Du bist ja so klug, du kannst mir das gewiß sagen, warum ihr bretonischen
Mädchen eure Haare vor uns Männern verberge? Oder bist du doch noch nicht
w klug wie die großen Mädchen? Die wüßten mir wohl darauf zu antworten!




Das Gnadenfest der heiligen Anna
Clara Hohrath von (Fortsetzung)

«iderstreitende Regungen waren während des Kindes Rede in des
jungen Menschen Seele aufgetaucht. Zwischen Ernst und Spott,
Rührung und Hohn hin und her gerissen, lachte er bald, bald wurden
seine ausdrucksvollen Seemannsaugen wieder ernst, fast andächtig.
Und dann blitzte wieder plötzlich ein tückischer Funke in diesen ver¬
räterischen Spiegeln seiner Seele auf, sodaß das Kind sich vor diesem
wilden, zügellosen Menschen gefürchtet haben würde, hätte seine große Unwissenheit
und Unschuld es nicht daran verhindert.

Du bietest mir ja viel auf einmal an, Jüngferlein, sagte er mit rauh klingender
Stimme. Haus und Hof, eine Fron und eine Mutter! Soviel ist mir noch von
keinem ausgewachsnen Mädchen jemals angeboten worden, weder in Spanien noch
«> Japan noch in der Türkei! Darüber müssen wir uns noch näher besprechen,
kleines Fräulein. Komm her, hier in die Bank, das ist ein trefflicher Beichtstuhl,
da kannst du mir dein jungfräuliches Herzchen ausschütten und mich weiter über
die Pflichten und Freuden meiner Zukunft belehren. Komm her, hier dicht zu mir,
meine kleine Braut!

Sie wußte nicht recht, ob er nun im Ernst oder im Spott gesprochen hatte,
aber sie setzte sich gehorsam an seine Seite und hob ihr sorgenvolles, altkluges
Gesichtchen fragend zu ihm auf. Willst du also der lieben Heiligen gehorchen und
mich heiraten? Du wirst sehn, daß du es bet mir nicht schlechter haben wirst,
als wenn dn eines der großen Mädchen heiraten würdest, ich kann ebensogut
haushalten wie sie. Da, sieh meine Hände an! Ganz hart und zerrissen sind sie,
das kommt vom Putzen, und die kleinen Runzeln hier, die kommen vom Waschen,
und die Schwielen, die hat das Bügeleisen gemacht, es ist so schwer und heiß.
Aber es plattet auch fein, da an meiner Haube kannst du es sehn, fühl sie an,
wie steif sie ist!

Die braune Hand des Mannes griff nach der Haube. Ja, sie ist hart wie
^» Brett, aber laß mich einmal deine Haare sehn, die darunter versteckt sind,
Gwennolmk!

Doch das kleine Mädchen fuhr erschrocken mit beiden Händen nach der Haube,
um sie krampfhaft festzuhalten.

Nein, sagte sie bestimmt, laß los, die Haube setz ich nicht ab!

Er lachte wieder, zog aber doch gehorsam die zudringliche Hand zurück. Du
bist eine echte Bretonin, sagte er. Überall sonst, in Frankreich und in allen andern
Ländern, tragen die Mädchen ihre Haare offen zu Schau, nur hier in der Bretagne
werden die schönen Frauenhaare sorgfältig versteckt. Warum denn, Gwennola?
Du bist ja so klug, du kannst mir das gewiß sagen, warum ihr bretonischen
Mädchen eure Haare vor uns Männern verberge? Oder bist du doch noch nicht
w klug wie die großen Mädchen? Die wüßten mir wohl darauf zu antworten!


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[0553] [Abbildung] Das Gnadenfest der heiligen Anna Clara Hohrath von (Fortsetzung) «iderstreitende Regungen waren während des Kindes Rede in des jungen Menschen Seele aufgetaucht. Zwischen Ernst und Spott, Rührung und Hohn hin und her gerissen, lachte er bald, bald wurden seine ausdrucksvollen Seemannsaugen wieder ernst, fast andächtig. Und dann blitzte wieder plötzlich ein tückischer Funke in diesen ver¬ räterischen Spiegeln seiner Seele auf, sodaß das Kind sich vor diesem wilden, zügellosen Menschen gefürchtet haben würde, hätte seine große Unwissenheit und Unschuld es nicht daran verhindert. Du bietest mir ja viel auf einmal an, Jüngferlein, sagte er mit rauh klingender Stimme. Haus und Hof, eine Fron und eine Mutter! Soviel ist mir noch von keinem ausgewachsnen Mädchen jemals angeboten worden, weder in Spanien noch «> Japan noch in der Türkei! Darüber müssen wir uns noch näher besprechen, kleines Fräulein. Komm her, hier in die Bank, das ist ein trefflicher Beichtstuhl, da kannst du mir dein jungfräuliches Herzchen ausschütten und mich weiter über die Pflichten und Freuden meiner Zukunft belehren. Komm her, hier dicht zu mir, meine kleine Braut! Sie wußte nicht recht, ob er nun im Ernst oder im Spott gesprochen hatte, aber sie setzte sich gehorsam an seine Seite und hob ihr sorgenvolles, altkluges Gesichtchen fragend zu ihm auf. Willst du also der lieben Heiligen gehorchen und mich heiraten? Du wirst sehn, daß du es bet mir nicht schlechter haben wirst, als wenn dn eines der großen Mädchen heiraten würdest, ich kann ebensogut haushalten wie sie. Da, sieh meine Hände an! Ganz hart und zerrissen sind sie, das kommt vom Putzen, und die kleinen Runzeln hier, die kommen vom Waschen, und die Schwielen, die hat das Bügeleisen gemacht, es ist so schwer und heiß. Aber es plattet auch fein, da an meiner Haube kannst du es sehn, fühl sie an, wie steif sie ist! Die braune Hand des Mannes griff nach der Haube. Ja, sie ist hart wie ^» Brett, aber laß mich einmal deine Haare sehn, die darunter versteckt sind, Gwennolmk! Doch das kleine Mädchen fuhr erschrocken mit beiden Händen nach der Haube, um sie krampfhaft festzuhalten. Nein, sagte sie bestimmt, laß los, die Haube setz ich nicht ab! Er lachte wieder, zog aber doch gehorsam die zudringliche Hand zurück. Du bist eine echte Bretonin, sagte er. Überall sonst, in Frankreich und in allen andern Ländern, tragen die Mädchen ihre Haare offen zu Schau, nur hier in der Bretagne werden die schönen Frauenhaare sorgfältig versteckt. Warum denn, Gwennola? Du bist ja so klug, du kannst mir das gewiß sagen, warum ihr bretonischen Mädchen eure Haare vor uns Männern verberge? Oder bist du doch noch nicht w klug wie die großen Mädchen? Die wüßten mir wohl darauf zu antworten!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/553>, abgerufen am 22.07.2024.