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Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr.

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Oberlehrer Haut
Roman von Lernt Lie (Fortsetzung)

> s stürmte so heftig, daß der Kutscher ein verschiednen Stellen eins dem
Strandwege abspringen mußte, um das hohe Fuhrwerk zu halten.
Aber sie hatten den Sturm von hinten, und in fliegender Fahrt ging
!es dahin.

Daheim auf der Diele, während er den Rock abwarf, stürzte eins
I der Mädchen an ihm vorüber in die Küche.

Wie -- ?

Sie verschwand, ohne sich die Zeit zu lassen, ihm zu antworten. Und der
Oberlehrer ging ins Zimmer hinein. Dort kam ihm der Doktor entgegen.

Lieber, alter Freund, ich habe dich holen lassen.

Ja ja ja --?

Deine Frau ist sehr schlecht gewesen. Eine Ohnmacht -- von unheimlicher
Art -- augenblicklich ist sie vorüber --

Sie erholt sich doch wohl -- wie --? Lieber Doktor?

Für den Augenblick -- ach nein, es ist besser, wenn du jetzt hierbleibst!
Später, später kannst du hineingehn. Sie ist sehr erschöpft. Und die kleine Berry
ist bei ihr -- sie ist ein vortreffliches Mädchen, lieber Freund. Sehr tüchtig --
eine Weile sah es recht schlimm aus! --

Aber so sage mir doch . . .

Es ist ihr Herz. Meine alte Befürchtung. Es will nicht länger mitmachen.
Mein lieber Freund, du mußt dich darauf vorbereiten, daß deine Frau stirbt. Mein
lieber, lieber Freund!

Der Oberlehrer stand mit offnem Munde da und starrte vor sich hin --

Ich muß es dir sagen, so hart es auch ist. Denn es kann sich um Stunden
handeln. Bis morgen hält sie es nicht aus!

Der Doktor nahm den Oberlehrer beim Arm und führte ihn zu einem Stuhl.

Ich muß in die Stadt, um Medizin zu holen, ich will auch Doktor Kahrs
mitbringen. Bleib du jetzt nur sitzen, dann hole ich dir dein tapfres Töchterchen.
Sie ist eine kleine Heldin, das ist sie! Es sah schlimm aus, lieber Freund --
vorhin. Wir glaubten, daß alles vorbei sei --

Der Doktor ging und kam nicht wieder. Aber einen Augenblick später kam
Berry. Oberlehrer Haut saß da, die Hände auf den Knien, und starrte zusammen¬
gesunken vor sich hin. Berry setzte sich auf die Stuhllehne und schmiegte sich
an ihn.

Vater!

Da stand er auf.

Kind! sagte er, jetzt muß ich zur Mutter hineingehn.

Berry ließ ihn gehn.




Oberlehrer Haut
Roman von Lernt Lie (Fortsetzung)

> s stürmte so heftig, daß der Kutscher ein verschiednen Stellen eins dem
Strandwege abspringen mußte, um das hohe Fuhrwerk zu halten.
Aber sie hatten den Sturm von hinten, und in fliegender Fahrt ging
!es dahin.

Daheim auf der Diele, während er den Rock abwarf, stürzte eins
I der Mädchen an ihm vorüber in die Küche.

Wie — ?

Sie verschwand, ohne sich die Zeit zu lassen, ihm zu antworten. Und der
Oberlehrer ging ins Zimmer hinein. Dort kam ihm der Doktor entgegen.

Lieber, alter Freund, ich habe dich holen lassen.

Ja ja ja —?

Deine Frau ist sehr schlecht gewesen. Eine Ohnmacht — von unheimlicher
Art — augenblicklich ist sie vorüber —

Sie erholt sich doch wohl — wie —? Lieber Doktor?

Für den Augenblick — ach nein, es ist besser, wenn du jetzt hierbleibst!
Später, später kannst du hineingehn. Sie ist sehr erschöpft. Und die kleine Berry
ist bei ihr — sie ist ein vortreffliches Mädchen, lieber Freund. Sehr tüchtig —
eine Weile sah es recht schlimm aus! —

Aber so sage mir doch . . .

Es ist ihr Herz. Meine alte Befürchtung. Es will nicht länger mitmachen.
Mein lieber Freund, du mußt dich darauf vorbereiten, daß deine Frau stirbt. Mein
lieber, lieber Freund!

Der Oberlehrer stand mit offnem Munde da und starrte vor sich hin —

Ich muß es dir sagen, so hart es auch ist. Denn es kann sich um Stunden
handeln. Bis morgen hält sie es nicht aus!

Der Doktor nahm den Oberlehrer beim Arm und führte ihn zu einem Stuhl.

Ich muß in die Stadt, um Medizin zu holen, ich will auch Doktor Kahrs
mitbringen. Bleib du jetzt nur sitzen, dann hole ich dir dein tapfres Töchterchen.
Sie ist eine kleine Heldin, das ist sie! Es sah schlimm aus, lieber Freund —
vorhin. Wir glaubten, daß alles vorbei sei —

Der Doktor ging und kam nicht wieder. Aber einen Augenblick später kam
Berry. Oberlehrer Haut saß da, die Hände auf den Knien, und starrte zusammen¬
gesunken vor sich hin. Berry setzte sich auf die Stuhllehne und schmiegte sich
an ihn.

Vater!

Da stand er auf.

Kind! sagte er, jetzt muß ich zur Mutter hineingehn.

Berry ließ ihn gehn.


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[0296] [Abbildung] Oberlehrer Haut Roman von Lernt Lie (Fortsetzung) > s stürmte so heftig, daß der Kutscher ein verschiednen Stellen eins dem Strandwege abspringen mußte, um das hohe Fuhrwerk zu halten. Aber sie hatten den Sturm von hinten, und in fliegender Fahrt ging !es dahin. Daheim auf der Diele, während er den Rock abwarf, stürzte eins I der Mädchen an ihm vorüber in die Küche. Wie — ? Sie verschwand, ohne sich die Zeit zu lassen, ihm zu antworten. Und der Oberlehrer ging ins Zimmer hinein. Dort kam ihm der Doktor entgegen. Lieber, alter Freund, ich habe dich holen lassen. Ja ja ja —? Deine Frau ist sehr schlecht gewesen. Eine Ohnmacht — von unheimlicher Art — augenblicklich ist sie vorüber — Sie erholt sich doch wohl — wie —? Lieber Doktor? Für den Augenblick — ach nein, es ist besser, wenn du jetzt hierbleibst! Später, später kannst du hineingehn. Sie ist sehr erschöpft. Und die kleine Berry ist bei ihr — sie ist ein vortreffliches Mädchen, lieber Freund. Sehr tüchtig — eine Weile sah es recht schlimm aus! — Aber so sage mir doch . . . Es ist ihr Herz. Meine alte Befürchtung. Es will nicht länger mitmachen. Mein lieber Freund, du mußt dich darauf vorbereiten, daß deine Frau stirbt. Mein lieber, lieber Freund! Der Oberlehrer stand mit offnem Munde da und starrte vor sich hin — Ich muß es dir sagen, so hart es auch ist. Denn es kann sich um Stunden handeln. Bis morgen hält sie es nicht aus! Der Doktor nahm den Oberlehrer beim Arm und führte ihn zu einem Stuhl. Ich muß in die Stadt, um Medizin zu holen, ich will auch Doktor Kahrs mitbringen. Bleib du jetzt nur sitzen, dann hole ich dir dein tapfres Töchterchen. Sie ist eine kleine Heldin, das ist sie! Es sah schlimm aus, lieber Freund — vorhin. Wir glaubten, daß alles vorbei sei — Der Doktor ging und kam nicht wieder. Aber einen Augenblick später kam Berry. Oberlehrer Haut saß da, die Hände auf den Knien, und starrte zusammen¬ gesunken vor sich hin. Berry setzte sich auf die Stuhllehne und schmiegte sich an ihn. Vater! Da stand er auf. Kind! sagte er, jetzt muß ich zur Mutter hineingehn. Berry ließ ihn gehn.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 67, 1908, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341887_310410/296>, abgerufen am 22.07.2024.