Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.Deutsch - amerikanische Angelegenheiten ndauernde Kriegsnot und die geringe Freude an dem macht¬ Wenn damals Deutsche nach Nordamerika gingen, so verschwanden sie Grenzboten IV 1907 79
Deutsch - amerikanische Angelegenheiten ndauernde Kriegsnot und die geringe Freude an dem macht¬ Wenn damals Deutsche nach Nordamerika gingen, so verschwanden sie Grenzboten IV 1907 79
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0613" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/304029"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341885_303415/figures/grenzboten_341885_303415_304029_000.jpg"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Deutsch - amerikanische Angelegenheiten</head><lb/> <p xml:id="ID_2688"> ndauernde Kriegsnot und die geringe Freude an dem macht¬<lb/> losen Vaterlande, in einzelnen Fällen auch noch religiöse Be¬<lb/> drückungen, haben in den letzten Jahrhunderten unzählige Deutsche<lb/> in die Fremde getrieben. Millionen deutscher Auswandrer haben<lb/> mit ihrem Blute Amerika, Australien und Afrika, Nußland und<lb/> Asien gedüngt. Die Vaterlandsliebe wird aber in fremden Weltteilen nur<lb/> von dem Bewußtsein der Zusammengehörigkeit mit einem großen nationalen<lb/> Ganzen und dem Bewußtsein aufrecht erhalten, daß der Einzelne unter dem<lb/> Schutze seines Vaterlands steht, das die Macht und auch den Willen hat,<lb/> jede etwaige Unbill mit Nachdruck zu sühnen. Ein Vaterland, von dem der<lb/> Deutsche im Auslande einen wirksamen Schutz hätte erhoffen können, war<lb/> nun Jahrhunderte hindurch nicht vorhanden gewesen, und darum hatte man<lb/> die unliebsame Erscheinung vor sich, daß deutsche Auswandrer in den meisten<lb/> Fällen selbst, sicher aber ihre Nachkommen ihre Nationalität abstreiften und<lb/> in dem fremden Volkstum aufgingen. Bei Franzosen und Engländern, die<lb/> einem seit vielen Generationen mächtigen Reiche angehörten, war dies nicht<lb/> der Fall. Es läßt sich aber jetzt schon ohne Selbsttäuschung feststellen, daß<lb/> seit dem noch nicht einmal anderthalb Menschenalter währenden Bestände des<lb/> Deutschen Reiches die freiwillige Entäußerung des Volkstums bei den Deutschen<lb/> im Auslande eine merkliche Abnahme erfahren hat. Am deutlichsten läßt sich<lb/> diese Wandlung an der deutschen Einwanderung nach Nordamerika erkennen,<lb/> die im vergangnen Jahrhundert überhaupt den Hauptstrom der Heimatver¬<lb/> drossenen dem Vaterlande entführte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2689" next="#ID_2690"> Wenn damals Deutsche nach Nordamerika gingen, so verschwanden sie<lb/> dort rasch in der Masse der Neuenglünder. Viele, sogar gebildete Kreise<lb/> sahen lange Zeit in den Vereinigten Staaten gegenüber dem der Reaktion<lb/> verfallnen Europa ein ideales Land. Wir denken jetzt anders darüber als<lb/> unsre Vorfahren, unter denen Dichter und Künstler voll Sehnsucht dem ge¬<lb/> lobten Lande der Freiheit zueilten, aber fast immer enttäuscht zurückkehrten wie</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1907 79</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0613]
[Abbildung]
Deutsch - amerikanische Angelegenheiten
ndauernde Kriegsnot und die geringe Freude an dem macht¬
losen Vaterlande, in einzelnen Fällen auch noch religiöse Be¬
drückungen, haben in den letzten Jahrhunderten unzählige Deutsche
in die Fremde getrieben. Millionen deutscher Auswandrer haben
mit ihrem Blute Amerika, Australien und Afrika, Nußland und
Asien gedüngt. Die Vaterlandsliebe wird aber in fremden Weltteilen nur
von dem Bewußtsein der Zusammengehörigkeit mit einem großen nationalen
Ganzen und dem Bewußtsein aufrecht erhalten, daß der Einzelne unter dem
Schutze seines Vaterlands steht, das die Macht und auch den Willen hat,
jede etwaige Unbill mit Nachdruck zu sühnen. Ein Vaterland, von dem der
Deutsche im Auslande einen wirksamen Schutz hätte erhoffen können, war
nun Jahrhunderte hindurch nicht vorhanden gewesen, und darum hatte man
die unliebsame Erscheinung vor sich, daß deutsche Auswandrer in den meisten
Fällen selbst, sicher aber ihre Nachkommen ihre Nationalität abstreiften und
in dem fremden Volkstum aufgingen. Bei Franzosen und Engländern, die
einem seit vielen Generationen mächtigen Reiche angehörten, war dies nicht
der Fall. Es läßt sich aber jetzt schon ohne Selbsttäuschung feststellen, daß
seit dem noch nicht einmal anderthalb Menschenalter währenden Bestände des
Deutschen Reiches die freiwillige Entäußerung des Volkstums bei den Deutschen
im Auslande eine merkliche Abnahme erfahren hat. Am deutlichsten läßt sich
diese Wandlung an der deutschen Einwanderung nach Nordamerika erkennen,
die im vergangnen Jahrhundert überhaupt den Hauptstrom der Heimatver¬
drossenen dem Vaterlande entführte.
Wenn damals Deutsche nach Nordamerika gingen, so verschwanden sie
dort rasch in der Masse der Neuenglünder. Viele, sogar gebildete Kreise
sahen lange Zeit in den Vereinigten Staaten gegenüber dem der Reaktion
verfallnen Europa ein ideales Land. Wir denken jetzt anders darüber als
unsre Vorfahren, unter denen Dichter und Künstler voll Sehnsucht dem ge¬
lobten Lande der Freiheit zueilten, aber fast immer enttäuscht zurückkehrten wie
Grenzboten IV 1907 79
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