Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Viertes Vierteljahr.Literarische Rundschau In einer Preßfehde, die jetzt fast vergessen ist, für künftige Literar¬ Literarische Rundschau In einer Preßfehde, die jetzt fast vergessen ist, für künftige Literar¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0302" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/303718"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341885_303415/figures/grenzboten_341885_303415_303718_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Literarische Rundschau</head><lb/> <p xml:id="ID_1255"> In einer Preßfehde, die jetzt fast vergessen ist, für künftige Literar¬<lb/> historiker aber ein dankbares Doktorandenthema abgeben wird,<lb/> Ihat Hermann Sudermann für sich und andre Dramatiker von<lb/> Idem kritischen Betrachter ihrer mißlungnen Werke mit Goethischen<lb/> »Worten ein anständiges Bedauern gefordert. So wenig dieser<lb/> Anspruch mit Recht von all denen geltend gemacht werden kann, die Suder¬<lb/> mann nennt und meint, so sehr möchte ich ihn doch für eine erlesne Zahl und<lb/> für ihn selbst mit allem Nachdruck als berechtigt anerkennen. Wer den Roman<lb/> „Fran Sorge" geschrieben hat, ein Buch, das in seiner Art von keinem der<lb/> mit und nach Sudermann emporgekommnen Dichter übertroffen, von kaum einem<lb/> erreicht worden ist — der darf allerdings erwarten, daß ihm gegenüber bei<lb/> aller deutlichen Abgrenzung der Hut in der Hand bleibt. Nie und nimmer<lb/> kann man den Mann, der dieses Werk und nach ihm neben andern: die<lb/> „Schmetterlingsschlacht", den „Johannes", die „Drei Reiherfedern" geschaffen<lb/> hat, einen bloßen Macher nennen, so bedauerlich auch alles ist, was uns die<lb/> letzten Jahre von ihm gebracht haben. Und, was das Schlimmste dabei bleibt:<lb/> es fehlt immer mehr die Handhabe einer Wertung von irgendeiner Seite her.<lb/> Sudermanns Werke aus den letzten Jahren, etwa das Schauspiel „Stein unter<lb/> Steinen", lassen einfach kalt, gleichgiltig. Und so sind auch die vier Einakter,<lb/> die er jetzt unter dem Gesamttitel „Rosen" hat erscheinen lassen (Cotta, Stutt¬<lb/> gart und Berlin), völlig „unerheblich"; ich finde wirklich kein besseres Wort.<lb/> Sie fordern so wenig wie zu innerm Beifall zu starkem Widerspruch auf und<lb/> fallen einem aus den Fingern wie farblose und charakterlose, duftlose Blüten.<lb/> Wozu hat Sudermann das geschrieben und, wenn er es schrieb, veröffentlicht?<lb/> Das ist eine Frage, um die man nicht herumkommt, und für die wohl die<lb/> Antwort mit einiger Aussicht auf innere Wahrheit nur lauten kann: weil er<lb/> nun einmal nicht stark genug ist, ein paar Jahre ganz zu schweigen, sich ganz<lb/> vom Auf und Ab der Bühne zurückzuziehen, bewußt alle Türen um sich zu<lb/> schließen und reifen zu lassen, was, wie „Frau Sorge", nun einmal nur in<lb/> der Stille gedeiht. Ich gebe die Hoffnung auf eine Entwicklung Sudermanns<lb/> noch nicht auf, wäre auch schon zufrieden, wenn er auf den alten, ja nicht aus¬<lb/> zutretenden Wegen jenes Romans etwas Neues schüfe — aber die letzten Werke<lb/> machen einem den Glauben freilich schwer.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0302]
[Abbildung]
Literarische Rundschau
In einer Preßfehde, die jetzt fast vergessen ist, für künftige Literar¬
historiker aber ein dankbares Doktorandenthema abgeben wird,
Ihat Hermann Sudermann für sich und andre Dramatiker von
Idem kritischen Betrachter ihrer mißlungnen Werke mit Goethischen
»Worten ein anständiges Bedauern gefordert. So wenig dieser
Anspruch mit Recht von all denen geltend gemacht werden kann, die Suder¬
mann nennt und meint, so sehr möchte ich ihn doch für eine erlesne Zahl und
für ihn selbst mit allem Nachdruck als berechtigt anerkennen. Wer den Roman
„Fran Sorge" geschrieben hat, ein Buch, das in seiner Art von keinem der
mit und nach Sudermann emporgekommnen Dichter übertroffen, von kaum einem
erreicht worden ist — der darf allerdings erwarten, daß ihm gegenüber bei
aller deutlichen Abgrenzung der Hut in der Hand bleibt. Nie und nimmer
kann man den Mann, der dieses Werk und nach ihm neben andern: die
„Schmetterlingsschlacht", den „Johannes", die „Drei Reiherfedern" geschaffen
hat, einen bloßen Macher nennen, so bedauerlich auch alles ist, was uns die
letzten Jahre von ihm gebracht haben. Und, was das Schlimmste dabei bleibt:
es fehlt immer mehr die Handhabe einer Wertung von irgendeiner Seite her.
Sudermanns Werke aus den letzten Jahren, etwa das Schauspiel „Stein unter
Steinen", lassen einfach kalt, gleichgiltig. Und so sind auch die vier Einakter,
die er jetzt unter dem Gesamttitel „Rosen" hat erscheinen lassen (Cotta, Stutt¬
gart und Berlin), völlig „unerheblich"; ich finde wirklich kein besseres Wort.
Sie fordern so wenig wie zu innerm Beifall zu starkem Widerspruch auf und
fallen einem aus den Fingern wie farblose und charakterlose, duftlose Blüten.
Wozu hat Sudermann das geschrieben und, wenn er es schrieb, veröffentlicht?
Das ist eine Frage, um die man nicht herumkommt, und für die wohl die
Antwort mit einiger Aussicht auf innere Wahrheit nur lauten kann: weil er
nun einmal nicht stark genug ist, ein paar Jahre ganz zu schweigen, sich ganz
vom Auf und Ab der Bühne zurückzuziehen, bewußt alle Türen um sich zu
schließen und reifen zu lassen, was, wie „Frau Sorge", nun einmal nur in
der Stille gedeiht. Ich gebe die Hoffnung auf eine Entwicklung Sudermanns
noch nicht auf, wäre auch schon zufrieden, wenn er auf den alten, ja nicht aus¬
zutretenden Wegen jenes Romans etwas Neues schüfe — aber die letzten Werke
machen einem den Glauben freilich schwer.
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