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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr.

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Franziskus von Assisi
Georg Born kämm vonin
1

!ranz von Assisi*) und Luther, wann wird der dritte kommen? . > ,
Die Menschheit bedarf von neuem eines Franziskus, eines Luther!
Mit diesen Worten schließt Henry Thode, der bekannte Kunst¬
historiker in Heidelberg, sein großes Werk über Franz von Assisi
!und die Anfänge der Renaissance in Italien. Die Nebeneinander¬
stellung von Franziskus und Luther -- wirkt sie nicht auf manchen von uns
frappierend? Ich meine sogar, sie könnte hier und da ein gewisses peinliches
Gefühl in uns lebendig machen. Daß man von Luther etwas weiß, verlangen
wir Evangelischen von jedem Gebildeten, auch wenn er der römischen Kirche
angehört. Und wenn das Bild, das sich dort drüben jemand von Luther macht,
ein Zerrbild ist, in dem Luthers Größe nicht entfernt gewürdigt wird, so klagen
wir -- und zwar mit Recht! -- über Ungerechtigkeit und geflissentliches Sich¬
verschließen. Wir Evangelischen aber -- was wissen die meisten von uns von
diesem Franziskus, den jener Kenner der Geschichte wert erachtet, daß er in
einem Atem genannt wird mit einem der größten Männer, die unser deutsches
Volk hervorgebracht hat!

Franz von Assisi und Luther! Wenn nun auch wirklich der Name jenes
Heiligen vielen unter uns nicht unbekannt geblieben ist -- es werden doch
wenige sein, die die Berechtigung dieser Verbindung von vornherein zugestehen.
Luther Hütte sich wohl vor allen Dingen selber gegen sie mit Händen und
Füßen gesträubt. Franz war ein Heiliger, ja ein gar vornehmer Heiliger der
römischen Kirche -- und die Heiligen standen bei Luther nicht hoch in Ehren.
Heiligendienst ist Götzendienst in seinen Augen, und Gottes Wort ist ihm wert¬
voller als alle Heiligen. Franz war ihm der Erneurer des mönchischen Lebens,
der Erneurer einer weltabgewandten, kulturfeindlichen Frömmigkeit. Er aber in
seiner gesunden Freude an den höchsten Gütern der Kultur, in seiner gesunden



*) Berger, Biographische Blätter, herausgegeben von A. Bettelheim, 1896, S. 260 ff.
Buchwald, So spricht Dr. M. Luther. A. Harnack, Das Mönchtum, seine Ideale und seine
Geschichte (6. Aufl.). K. v. Hase, Kirchengeschichte. Du Moulin-Eckart, Deutschland und Rom.
K, Müller, Kirchengeschichte. P. Sabatier, Das Leben des heiligen Franz von Assisi. Deutsch
von Marg. Lisco. (9. Aufl.) Henry Thode, Franz von Assisi und die Anfänge der Kunst
der Renaissance in Italien (2. Aufl.).


Franziskus von Assisi
Georg Born kämm vonin
1

!ranz von Assisi*) und Luther, wann wird der dritte kommen? . > ,
Die Menschheit bedarf von neuem eines Franziskus, eines Luther!
Mit diesen Worten schließt Henry Thode, der bekannte Kunst¬
historiker in Heidelberg, sein großes Werk über Franz von Assisi
!und die Anfänge der Renaissance in Italien. Die Nebeneinander¬
stellung von Franziskus und Luther — wirkt sie nicht auf manchen von uns
frappierend? Ich meine sogar, sie könnte hier und da ein gewisses peinliches
Gefühl in uns lebendig machen. Daß man von Luther etwas weiß, verlangen
wir Evangelischen von jedem Gebildeten, auch wenn er der römischen Kirche
angehört. Und wenn das Bild, das sich dort drüben jemand von Luther macht,
ein Zerrbild ist, in dem Luthers Größe nicht entfernt gewürdigt wird, so klagen
wir — und zwar mit Recht! — über Ungerechtigkeit und geflissentliches Sich¬
verschließen. Wir Evangelischen aber — was wissen die meisten von uns von
diesem Franziskus, den jener Kenner der Geschichte wert erachtet, daß er in
einem Atem genannt wird mit einem der größten Männer, die unser deutsches
Volk hervorgebracht hat!

Franz von Assisi und Luther! Wenn nun auch wirklich der Name jenes
Heiligen vielen unter uns nicht unbekannt geblieben ist — es werden doch
wenige sein, die die Berechtigung dieser Verbindung von vornherein zugestehen.
Luther Hütte sich wohl vor allen Dingen selber gegen sie mit Händen und
Füßen gesträubt. Franz war ein Heiliger, ja ein gar vornehmer Heiliger der
römischen Kirche — und die Heiligen standen bei Luther nicht hoch in Ehren.
Heiligendienst ist Götzendienst in seinen Augen, und Gottes Wort ist ihm wert¬
voller als alle Heiligen. Franz war ihm der Erneurer des mönchischen Lebens,
der Erneurer einer weltabgewandten, kulturfeindlichen Frömmigkeit. Er aber in
seiner gesunden Freude an den höchsten Gütern der Kultur, in seiner gesunden



*) Berger, Biographische Blätter, herausgegeben von A. Bettelheim, 1896, S. 260 ff.
Buchwald, So spricht Dr. M. Luther. A. Harnack, Das Mönchtum, seine Ideale und seine
Geschichte (6. Aufl.). K. v. Hase, Kirchengeschichte. Du Moulin-Eckart, Deutschland und Rom.
K, Müller, Kirchengeschichte. P. Sabatier, Das Leben des heiligen Franz von Assisi. Deutsch
von Marg. Lisco. (9. Aufl.) Henry Thode, Franz von Assisi und die Anfänge der Kunst
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[0564] [Abbildung] Franziskus von Assisi Georg Born kämm vonin 1 !ranz von Assisi*) und Luther, wann wird der dritte kommen? . > , Die Menschheit bedarf von neuem eines Franziskus, eines Luther! Mit diesen Worten schließt Henry Thode, der bekannte Kunst¬ historiker in Heidelberg, sein großes Werk über Franz von Assisi !und die Anfänge der Renaissance in Italien. Die Nebeneinander¬ stellung von Franziskus und Luther — wirkt sie nicht auf manchen von uns frappierend? Ich meine sogar, sie könnte hier und da ein gewisses peinliches Gefühl in uns lebendig machen. Daß man von Luther etwas weiß, verlangen wir Evangelischen von jedem Gebildeten, auch wenn er der römischen Kirche angehört. Und wenn das Bild, das sich dort drüben jemand von Luther macht, ein Zerrbild ist, in dem Luthers Größe nicht entfernt gewürdigt wird, so klagen wir — und zwar mit Recht! — über Ungerechtigkeit und geflissentliches Sich¬ verschließen. Wir Evangelischen aber — was wissen die meisten von uns von diesem Franziskus, den jener Kenner der Geschichte wert erachtet, daß er in einem Atem genannt wird mit einem der größten Männer, die unser deutsches Volk hervorgebracht hat! Franz von Assisi und Luther! Wenn nun auch wirklich der Name jenes Heiligen vielen unter uns nicht unbekannt geblieben ist — es werden doch wenige sein, die die Berechtigung dieser Verbindung von vornherein zugestehen. Luther Hütte sich wohl vor allen Dingen selber gegen sie mit Händen und Füßen gesträubt. Franz war ein Heiliger, ja ein gar vornehmer Heiliger der römischen Kirche — und die Heiligen standen bei Luther nicht hoch in Ehren. Heiligendienst ist Götzendienst in seinen Augen, und Gottes Wort ist ihm wert¬ voller als alle Heiligen. Franz war ihm der Erneurer des mönchischen Lebens, der Erneurer einer weltabgewandten, kulturfeindlichen Frömmigkeit. Er aber in seiner gesunden Freude an den höchsten Gütern der Kultur, in seiner gesunden *) Berger, Biographische Blätter, herausgegeben von A. Bettelheim, 1896, S. 260 ff. Buchwald, So spricht Dr. M. Luther. A. Harnack, Das Mönchtum, seine Ideale und seine Geschichte (6. Aufl.). K. v. Hase, Kirchengeschichte. Du Moulin-Eckart, Deutschland und Rom. K, Müller, Kirchengeschichte. P. Sabatier, Das Leben des heiligen Franz von Assisi. Deutsch von Marg. Lisco. (9. Aufl.) Henry Thode, Franz von Assisi und die Anfänge der Kunst der Renaissance in Italien (2. Aufl.).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_302701/564>, abgerufen am 04.12.2024.