Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel. ( Das Ende des Schulstreiks. Das preußische Kultusministerium. Stimmungsmache gegen den Fürsten Biilow. Die auswärtige Lage.) Seit der Reichstag in die Osterferien gegangen ist, ruht für eine Weile das Welches die Gründe sind, die Herrn von Stube einstweilen noch im Amte Maßgebliches und Unmaßgebliches Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel. ( Das Ende des Schulstreiks. Das preußische Kultusministerium. Stimmungsmache gegen den Fürsten Biilow. Die auswärtige Lage.) Seit der Reichstag in die Osterferien gegangen ist, ruht für eine Weile das Welches die Gründe sind, die Herrn von Stube einstweilen noch im Amte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0053" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302041"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <div n="2"> <head> Reichsspiegel. (</head><lb/> <note type="argument"> Das Ende des Schulstreiks. Das preußische Kultusministerium.</note><lb/> <note type="argument"> Stimmungsmache gegen den Fürsten Biilow. Die auswärtige Lage.)</note><lb/> <p xml:id="ID_223"> Seit der Reichstag in die Osterferien gegangen ist, ruht für eine Weile das<lb/> Getriebe der innern Politik. Das heißt, was man so „ruhen" nennt! Die Er¬<lb/> örterungen in den Zeitungen gehen natürlich weiter, und je weniger in Wahrheit<lb/> geschieht, desto mehr Betrachtungen werden darüber angestellt, was möglicherweise<lb/> geschehen könnte. Dazu fehlt es nicht an Stoff, weil heute die ganze politische<lb/> Berichterstattung von der Jagd nach dem sensationellen beherrscht wird, und<lb/> mancherlei sich ereignet hat, was in dieser Richtung ausgebeutet werden kann. Mit<lb/> Vorliebe beschäftigt man sich darum mit den vorhandnen und nicht vorhandnen<lb/> Krisen, die durch gewisse Vorgänge der letzten Zeit angezeigt zu werden scheinen.<lb/> Freilich deutet alles darauf hin, daß die Neugierigen ihre Ungeduld noch zügeln<lb/> müssen. Wenn man z. B. darauf gerechnet hat, daß der preußische Kultusminister<lb/> nach demi heftigen Zusammenstoß im Abgeordnetenhause sogleich das Feld räumen<lb/> Mrde, so werden die eifrigen Ministerstürzer wahrscheinlich zunächst enttäuscht<lb/> werden. Herr von Stube hat, wie wir schon erwähnt haben, in der letzten Zeit kein<lb/> Geheimnis daraus gemacht, daß er seinen Rücktritt vorbereitet. Es sind bestimmte<lb/> sachliche Gründe, die ihn bestimmen, diesen Schritt nicht zu übereilen, und es würde<lb/> allen preußischen Traditionen widersprechen, wenn bei solcher Sachlage die Ent¬<lb/> scheidung beschleunigt würde, um einer parlamentarischen Gegnerschaft zu Willen<lb/> zu sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_224" next="#ID_225"> Welches die Gründe sind, die Herrn von Stube einstweilen noch im Amte<lb/> festhalten, darüber ist von Leuten, die es wohl wissen können, manche Andeutung<lb/> gemacht worden, die Wahrscheinlichkeit für sich hat. Ob darunter auch die Be¬<lb/> hauptung zu rechnen ist, der Kultusminister wolle erst die Beendigung des pol¬<lb/> nischen Schulstreiks abwarten, wollen wir dahingestellt sein lassen. Zu wünschen<lb/> wäre freilich, daß das bisherige System der Bekämpfung des Schulstreiks fortgesetzt,<lb/> und daß es vermieden würde, durch einen Wechsel um der entscheidenden Stelle in<lb/> den Polen etwa Hoffnungen auf eine Änderung der bisherigen Praxis zu erwecken.<lb/> Herr von Stube hat im Laufe seiner Verwaltungstätigkeit die Polen genau kennen<lb/> gelernt; er ist in den Ostmarken Landrat gewesen. Was man auch sonst an den<lb/> Grundsätzen, nach denen er sein jetziges Amt verwaltet, aussetzen mag, das Zeugnis<lb/> kann ihm auch sein Feind nicht versagen, daß er in der Polenpolitik einen offnen<lb/> Blick und eine feste Hand gezeigt hat. Gerade der Schülerstreik hat wieder be¬<lb/> wiesen, wie leicht unsre Landsleute zu täuschen sind, wie die durchsichtigsten Manöver<lb/> und verhältnismäßig geringfügige Schwierigkeiten genügen, um die Neigung hervor¬<lb/> zurufen, die nationale Tatkraft durch Flaumachereien zu lahmen. Obwohl heutzu¬<lb/> tage jedermann wissen könnte, wie und zu welchem Zwecke der Schulstreik in Szene<lb/> gesetzt worden ist, wird doch immer noch das Märchen geglaubt, es handle sich um<lb/> einen spontanen Widerstand der polnischen Bevölkerung gegen plötzlich und unver¬<lb/> mittelt ihnen aufgedrängte, unzweckmäßige und ungerechte Maßregeln, die geeignet<lb/> seien, Deutschland in den Augen der ganzen zivilisierten Welt bloßzustellen, und die<lb/> notwendig zum Mißerfolg führen müßten. Wer so urteilt, vergißt sich die Frage<lb/> vorzulegen, warum die Polen die „barbarischen" Maßregeln der preußischen Re¬<lb/> gierung eine ganze Weile ruhig ertragen haben, und zwar nicht mit dem verhaltnen<lb/> Groll, der nur noch kein Mittel gefunden hat, einem verhaßten Zwange zu ent-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0053]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel. (
Das Ende des Schulstreiks. Das preußische Kultusministerium.
Stimmungsmache gegen den Fürsten Biilow. Die auswärtige Lage.)
Seit der Reichstag in die Osterferien gegangen ist, ruht für eine Weile das
Getriebe der innern Politik. Das heißt, was man so „ruhen" nennt! Die Er¬
örterungen in den Zeitungen gehen natürlich weiter, und je weniger in Wahrheit
geschieht, desto mehr Betrachtungen werden darüber angestellt, was möglicherweise
geschehen könnte. Dazu fehlt es nicht an Stoff, weil heute die ganze politische
Berichterstattung von der Jagd nach dem sensationellen beherrscht wird, und
mancherlei sich ereignet hat, was in dieser Richtung ausgebeutet werden kann. Mit
Vorliebe beschäftigt man sich darum mit den vorhandnen und nicht vorhandnen
Krisen, die durch gewisse Vorgänge der letzten Zeit angezeigt zu werden scheinen.
Freilich deutet alles darauf hin, daß die Neugierigen ihre Ungeduld noch zügeln
müssen. Wenn man z. B. darauf gerechnet hat, daß der preußische Kultusminister
nach demi heftigen Zusammenstoß im Abgeordnetenhause sogleich das Feld räumen
Mrde, so werden die eifrigen Ministerstürzer wahrscheinlich zunächst enttäuscht
werden. Herr von Stube hat, wie wir schon erwähnt haben, in der letzten Zeit kein
Geheimnis daraus gemacht, daß er seinen Rücktritt vorbereitet. Es sind bestimmte
sachliche Gründe, die ihn bestimmen, diesen Schritt nicht zu übereilen, und es würde
allen preußischen Traditionen widersprechen, wenn bei solcher Sachlage die Ent¬
scheidung beschleunigt würde, um einer parlamentarischen Gegnerschaft zu Willen
zu sein.
Welches die Gründe sind, die Herrn von Stube einstweilen noch im Amte
festhalten, darüber ist von Leuten, die es wohl wissen können, manche Andeutung
gemacht worden, die Wahrscheinlichkeit für sich hat. Ob darunter auch die Be¬
hauptung zu rechnen ist, der Kultusminister wolle erst die Beendigung des pol¬
nischen Schulstreiks abwarten, wollen wir dahingestellt sein lassen. Zu wünschen
wäre freilich, daß das bisherige System der Bekämpfung des Schulstreiks fortgesetzt,
und daß es vermieden würde, durch einen Wechsel um der entscheidenden Stelle in
den Polen etwa Hoffnungen auf eine Änderung der bisherigen Praxis zu erwecken.
Herr von Stube hat im Laufe seiner Verwaltungstätigkeit die Polen genau kennen
gelernt; er ist in den Ostmarken Landrat gewesen. Was man auch sonst an den
Grundsätzen, nach denen er sein jetziges Amt verwaltet, aussetzen mag, das Zeugnis
kann ihm auch sein Feind nicht versagen, daß er in der Polenpolitik einen offnen
Blick und eine feste Hand gezeigt hat. Gerade der Schülerstreik hat wieder be¬
wiesen, wie leicht unsre Landsleute zu täuschen sind, wie die durchsichtigsten Manöver
und verhältnismäßig geringfügige Schwierigkeiten genügen, um die Neigung hervor¬
zurufen, die nationale Tatkraft durch Flaumachereien zu lahmen. Obwohl heutzu¬
tage jedermann wissen könnte, wie und zu welchem Zwecke der Schulstreik in Szene
gesetzt worden ist, wird doch immer noch das Märchen geglaubt, es handle sich um
einen spontanen Widerstand der polnischen Bevölkerung gegen plötzlich und unver¬
mittelt ihnen aufgedrängte, unzweckmäßige und ungerechte Maßregeln, die geeignet
seien, Deutschland in den Augen der ganzen zivilisierten Welt bloßzustellen, und die
notwendig zum Mißerfolg führen müßten. Wer so urteilt, vergißt sich die Frage
vorzulegen, warum die Polen die „barbarischen" Maßregeln der preußischen Re¬
gierung eine ganze Weile ruhig ertragen haben, und zwar nicht mit dem verhaltnen
Groll, der nur noch kein Mittel gefunden hat, einem verhaßten Zwange zu ent-
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