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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Der norddeutsche Lloyd

Millionen Deßjätinen angekauft; ein Drittel des Großgrundbesitzes sei
schon vernichtet. Das müsse drei unheilvolle Wirkungen haben. Es müsse
die sozialistische Strömung in den andern Staaten ermutigen. Es werde den
Bodenertrag vermindern, weil das Land aus der bessern in die schlechtere Be¬
wirtschaftung übergehe (wie ja auch Weber hervorgehoben hat), ohne Nutzen
für die Bauern, die die Kanfgelder nicht verzinsen könnten und von der
Scholle würden weichen müssen, wofern nicht ihre Schulden einfach erlassen,
also die Gutsbesitzer um ihr Eigentum gebracht werden. Und diese Minderung
des Nationaleinkommens müsse den ohnehin wankenden Staatsfinanzen einen
neuen Stoß versetzen. Der Briefschreiber bemerkt sehr richtig, von den wirt¬
schaftlichen Zuständen Rußlands, die doch das Wichtigste in der gegenwärtigen
Krisis seien, lese man wenig in der ausländischen Presse, weil diese sich scheue,
die Inhaber von Russcnwerten zu beunruhigen, die nach bekannter Kapitalistcn-
gepflogenheit vor solchen unangenehmen Wahrheiten die Augen fest geschlossen
Carl Ientsch zu halten liebten.




Der norddeutsche Lloyd
Veto Aaemmel von

RaviMI'S nsossss sse, vivsi'K non "se NMöWK

WW/ e "".H! se genug kann man sich ärgern über die Politik gewisser deutscher
Parteien, die noch immer nicht gelernt haben, das Vaterland über
die Partei zu stellen, die immer zuerst fragen: Was nutzt unsrer
l Partei?, die immer wieder auf den prinzipiellen Gegensatz der
! "Weltanschauungen" zurückkommen, wie einst die Konfessionen
auf ihr Dogma, und die in ihr eignes Spiegelbild so vernarrt sind, daß sie
nicht müde werden, sich selbst zu rühmen, und dann können sogar Zweifel an
einer großen Zukunft unsers Volkes aufsteigen, das in vierzig Jahren politisch
so wenig gelernt hat. Da ist es eine wahre Herzensstärkung, von diesem klein¬
lichen Trödel den Blick zu richten auf das, was neben dem Heldenmute unsrer
Armee einheitlich zusammengefaßte Kräfte geleistet haben, was deutscher Bürger¬
sinn zustande gebracht hat, was den deutschen Namen hinausgetragen hat in alle
Welt über See, noch ehe es ein Deutsches Reich, eine deutsche Flagge und eine
deutsche Flotte gab, und was jetzt ein Stolz der Nation und eine kraftvolle Stütze
ihrer vielbeneideten Weltstellung unter dem schwmzweißroten Banner ist, auf die
größte Reederei der Welt, die heute mit einer Flotte von 184 Dampfern auf
32 Linien die Erde umspannt, auf den norddeutsche" Lloyd in Bremen.

Es war am 17. Oktober 1899, daß ich einen der neuen großen Reichs-
Postdampfer des Lloyd, den König Albert, ein schwarzes, hochaufgebautes
Riesenschiff, das alle andern im Hafen liegenden Dampfer weit überragte, von


Der norddeutsche Lloyd

Millionen Deßjätinen angekauft; ein Drittel des Großgrundbesitzes sei
schon vernichtet. Das müsse drei unheilvolle Wirkungen haben. Es müsse
die sozialistische Strömung in den andern Staaten ermutigen. Es werde den
Bodenertrag vermindern, weil das Land aus der bessern in die schlechtere Be¬
wirtschaftung übergehe (wie ja auch Weber hervorgehoben hat), ohne Nutzen
für die Bauern, die die Kanfgelder nicht verzinsen könnten und von der
Scholle würden weichen müssen, wofern nicht ihre Schulden einfach erlassen,
also die Gutsbesitzer um ihr Eigentum gebracht werden. Und diese Minderung
des Nationaleinkommens müsse den ohnehin wankenden Staatsfinanzen einen
neuen Stoß versetzen. Der Briefschreiber bemerkt sehr richtig, von den wirt¬
schaftlichen Zuständen Rußlands, die doch das Wichtigste in der gegenwärtigen
Krisis seien, lese man wenig in der ausländischen Presse, weil diese sich scheue,
die Inhaber von Russcnwerten zu beunruhigen, die nach bekannter Kapitalistcn-
gepflogenheit vor solchen unangenehmen Wahrheiten die Augen fest geschlossen
Carl Ientsch zu halten liebten.




Der norddeutsche Lloyd
Veto Aaemmel von

RaviMI'S nsossss sse, vivsi'K non «se NMöWK

WW/ e »«.H! se genug kann man sich ärgern über die Politik gewisser deutscher
Parteien, die noch immer nicht gelernt haben, das Vaterland über
die Partei zu stellen, die immer zuerst fragen: Was nutzt unsrer
l Partei?, die immer wieder auf den prinzipiellen Gegensatz der
! „Weltanschauungen" zurückkommen, wie einst die Konfessionen
auf ihr Dogma, und die in ihr eignes Spiegelbild so vernarrt sind, daß sie
nicht müde werden, sich selbst zu rühmen, und dann können sogar Zweifel an
einer großen Zukunft unsers Volkes aufsteigen, das in vierzig Jahren politisch
so wenig gelernt hat. Da ist es eine wahre Herzensstärkung, von diesem klein¬
lichen Trödel den Blick zu richten auf das, was neben dem Heldenmute unsrer
Armee einheitlich zusammengefaßte Kräfte geleistet haben, was deutscher Bürger¬
sinn zustande gebracht hat, was den deutschen Namen hinausgetragen hat in alle
Welt über See, noch ehe es ein Deutsches Reich, eine deutsche Flagge und eine
deutsche Flotte gab, und was jetzt ein Stolz der Nation und eine kraftvolle Stütze
ihrer vielbeneideten Weltstellung unter dem schwmzweißroten Banner ist, auf die
größte Reederei der Welt, die heute mit einer Flotte von 184 Dampfern auf
32 Linien die Erde umspannt, auf den norddeutsche» Lloyd in Bremen.

Es war am 17. Oktober 1899, daß ich einen der neuen großen Reichs-
Postdampfer des Lloyd, den König Albert, ein schwarzes, hochaufgebautes
Riesenschiff, das alle andern im Hafen liegenden Dampfer weit überragte, von


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[0406] Der norddeutsche Lloyd Millionen Deßjätinen angekauft; ein Drittel des Großgrundbesitzes sei schon vernichtet. Das müsse drei unheilvolle Wirkungen haben. Es müsse die sozialistische Strömung in den andern Staaten ermutigen. Es werde den Bodenertrag vermindern, weil das Land aus der bessern in die schlechtere Be¬ wirtschaftung übergehe (wie ja auch Weber hervorgehoben hat), ohne Nutzen für die Bauern, die die Kanfgelder nicht verzinsen könnten und von der Scholle würden weichen müssen, wofern nicht ihre Schulden einfach erlassen, also die Gutsbesitzer um ihr Eigentum gebracht werden. Und diese Minderung des Nationaleinkommens müsse den ohnehin wankenden Staatsfinanzen einen neuen Stoß versetzen. Der Briefschreiber bemerkt sehr richtig, von den wirt¬ schaftlichen Zuständen Rußlands, die doch das Wichtigste in der gegenwärtigen Krisis seien, lese man wenig in der ausländischen Presse, weil diese sich scheue, die Inhaber von Russcnwerten zu beunruhigen, die nach bekannter Kapitalistcn- gepflogenheit vor solchen unangenehmen Wahrheiten die Augen fest geschlossen Carl Ientsch zu halten liebten. Der norddeutsche Lloyd Veto Aaemmel von RaviMI'S nsossss sse, vivsi'K non «se NMöWK WW/ e »«.H! se genug kann man sich ärgern über die Politik gewisser deutscher Parteien, die noch immer nicht gelernt haben, das Vaterland über die Partei zu stellen, die immer zuerst fragen: Was nutzt unsrer l Partei?, die immer wieder auf den prinzipiellen Gegensatz der ! „Weltanschauungen" zurückkommen, wie einst die Konfessionen auf ihr Dogma, und die in ihr eignes Spiegelbild so vernarrt sind, daß sie nicht müde werden, sich selbst zu rühmen, und dann können sogar Zweifel an einer großen Zukunft unsers Volkes aufsteigen, das in vierzig Jahren politisch so wenig gelernt hat. Da ist es eine wahre Herzensstärkung, von diesem klein¬ lichen Trödel den Blick zu richten auf das, was neben dem Heldenmute unsrer Armee einheitlich zusammengefaßte Kräfte geleistet haben, was deutscher Bürger¬ sinn zustande gebracht hat, was den deutschen Namen hinausgetragen hat in alle Welt über See, noch ehe es ein Deutsches Reich, eine deutsche Flagge und eine deutsche Flotte gab, und was jetzt ein Stolz der Nation und eine kraftvolle Stütze ihrer vielbeneideten Weltstellung unter dem schwmzweißroten Banner ist, auf die größte Reederei der Welt, die heute mit einer Flotte von 184 Dampfern auf 32 Linien die Erde umspannt, auf den norddeutsche» Lloyd in Bremen. Es war am 17. Oktober 1899, daß ich einen der neuen großen Reichs- Postdampfer des Lloyd, den König Albert, ein schwarzes, hochaufgebautes Riesenschiff, das alle andern im Hafen liegenden Dampfer weit überragte, von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/406>, abgerufen am 05.02.2025.