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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Koloniale Gisenbahnpolitik
Rudolf Wagner i vonn

eit dem verflossenen Sommer, als ich ein dieser Stelle die Grund¬
lagen und Hauptgesichtspunkte für unsre koloniale Eisenbahn¬
politik zu skizzieren versuchte, ist in unserm politischen Leben
eine tiefgehende Wandlung eingetreten, die es ermöglicht, unsre
kolonialen Bestrebungen von einem höhern Standpunkte zu ve¬
rachten. Vergegenwärtigt man sich den vorjährigen Tiefstand der kolonialen
Konjunktur, die durch die Reichstagsbcschlüsse vom 19. Mai gekennzeichnet war,
mis der verflossene Reichstag drei wichtige Kolonialvorlagen ohne jede sachliche
Begründung unter den Tisch fallen ließ, so hätte man einen solchen Um-
Woung nicht für möglich gehalten. Es ist immerhin anzunehmen, daß das
amalige Verhalten des Reichstags gegenüber den heute bewilligten Vorlagen
^ Reichskolonialamt, Entschädigung der sttdwestafrikanischen Ansiedler, Eisenbahn
^"deritzbucht-Kcetmannshvop -- der spätern Reaktion zugunsten der Kolonial¬
politik den Boden bereitet hat. Erst der 19. Mai hat deu nationalen Parteien,
hat der Negierung die Augen darüber geöffnet, daß unter der damaligen Volks¬
vertretung unsre Kolonialpolitik in den Sumpf geraten mußte. Es ist ein
Wahres Glück, daß uns in dieser schweren Zeit ein Mann beschert worden
der es verstand, unsern kolonialen Bestrebungen politisch den gebührenden
>^ah zu erkämpfe". Es soll dem neuen Leiter der Kolonialverwaltung un-
^rgessen bleiben, daß er es bei der Verfechtung der Interessen seines Wirkungs¬
kreises auf Biegen oder Brechen hat ankommen lassen, der Regierung, daß sie
^hin dabei deu Rücken gedeckt hat. Unvergessen soll es auch den nationalen
^erbauten sein, voran dein Flottenverein und dem Wahlverein alter Afrikaner,
""ß sie mutig die Lücke ausgefüllt haben, die leider die Deutsche Kolonial¬
gesellschaft gelassen hatte, als es galt, die Mehrheit des deutschen Volkes im
Sturm für den kolonialen Gedanken zu gewinnen und mobil zu machen. Der
beispiellose Erfolg dieser Werbetätigkeit, der durch Dernburgs klare Dar¬
legungen über die Bedeutung der Kolonien für die Nationalwirtschaft und die
Zukunft des deutschen Volkes das Rückgrat gegeben worden ist, ist zu bekannt,
daß mir näher darauf einzugehn brauchten.


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Koloniale Gisenbahnpolitik
Rudolf Wagner i vonn

eit dem verflossenen Sommer, als ich ein dieser Stelle die Grund¬
lagen und Hauptgesichtspunkte für unsre koloniale Eisenbahn¬
politik zu skizzieren versuchte, ist in unserm politischen Leben
eine tiefgehende Wandlung eingetreten, die es ermöglicht, unsre
kolonialen Bestrebungen von einem höhern Standpunkte zu ve¬
rachten. Vergegenwärtigt man sich den vorjährigen Tiefstand der kolonialen
Konjunktur, die durch die Reichstagsbcschlüsse vom 19. Mai gekennzeichnet war,
mis der verflossene Reichstag drei wichtige Kolonialvorlagen ohne jede sachliche
Begründung unter den Tisch fallen ließ, so hätte man einen solchen Um-
Woung nicht für möglich gehalten. Es ist immerhin anzunehmen, daß das
amalige Verhalten des Reichstags gegenüber den heute bewilligten Vorlagen
^ Reichskolonialamt, Entschädigung der sttdwestafrikanischen Ansiedler, Eisenbahn
^"deritzbucht-Kcetmannshvop — der spätern Reaktion zugunsten der Kolonial¬
politik den Boden bereitet hat. Erst der 19. Mai hat deu nationalen Parteien,
hat der Negierung die Augen darüber geöffnet, daß unter der damaligen Volks¬
vertretung unsre Kolonialpolitik in den Sumpf geraten mußte. Es ist ein
Wahres Glück, daß uns in dieser schweren Zeit ein Mann beschert worden
der es verstand, unsern kolonialen Bestrebungen politisch den gebührenden
>^ah zu erkämpfe». Es soll dem neuen Leiter der Kolonialverwaltung un-
^rgessen bleiben, daß er es bei der Verfechtung der Interessen seines Wirkungs¬
kreises auf Biegen oder Brechen hat ankommen lassen, der Regierung, daß sie
^hin dabei deu Rücken gedeckt hat. Unvergessen soll es auch den nationalen
^erbauten sein, voran dein Flottenverein und dem Wahlverein alter Afrikaner,
""ß sie mutig die Lücke ausgefüllt haben, die leider die Deutsche Kolonial¬
gesellschaft gelassen hatte, als es galt, die Mehrheit des deutschen Volkes im
Sturm für den kolonialen Gedanken zu gewinnen und mobil zu machen. Der
beispiellose Erfolg dieser Werbetätigkeit, der durch Dernburgs klare Dar¬
legungen über die Bedeutung der Kolonien für die Nationalwirtschaft und die
Zukunft des deutschen Volkes das Rückgrat gegeben worden ist, ist zu bekannt,
daß mir näher darauf einzugehn brauchten.


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[0389] [Abbildung] Koloniale Gisenbahnpolitik Rudolf Wagner i vonn eit dem verflossenen Sommer, als ich ein dieser Stelle die Grund¬ lagen und Hauptgesichtspunkte für unsre koloniale Eisenbahn¬ politik zu skizzieren versuchte, ist in unserm politischen Leben eine tiefgehende Wandlung eingetreten, die es ermöglicht, unsre kolonialen Bestrebungen von einem höhern Standpunkte zu ve¬ rachten. Vergegenwärtigt man sich den vorjährigen Tiefstand der kolonialen Konjunktur, die durch die Reichstagsbcschlüsse vom 19. Mai gekennzeichnet war, mis der verflossene Reichstag drei wichtige Kolonialvorlagen ohne jede sachliche Begründung unter den Tisch fallen ließ, so hätte man einen solchen Um- Woung nicht für möglich gehalten. Es ist immerhin anzunehmen, daß das amalige Verhalten des Reichstags gegenüber den heute bewilligten Vorlagen ^ Reichskolonialamt, Entschädigung der sttdwestafrikanischen Ansiedler, Eisenbahn ^"deritzbucht-Kcetmannshvop — der spätern Reaktion zugunsten der Kolonial¬ politik den Boden bereitet hat. Erst der 19. Mai hat deu nationalen Parteien, hat der Negierung die Augen darüber geöffnet, daß unter der damaligen Volks¬ vertretung unsre Kolonialpolitik in den Sumpf geraten mußte. Es ist ein Wahres Glück, daß uns in dieser schweren Zeit ein Mann beschert worden der es verstand, unsern kolonialen Bestrebungen politisch den gebührenden >^ah zu erkämpfe». Es soll dem neuen Leiter der Kolonialverwaltung un- ^rgessen bleiben, daß er es bei der Verfechtung der Interessen seines Wirkungs¬ kreises auf Biegen oder Brechen hat ankommen lassen, der Regierung, daß sie ^hin dabei deu Rücken gedeckt hat. Unvergessen soll es auch den nationalen ^erbauten sein, voran dein Flottenverein und dem Wahlverein alter Afrikaner, ""ß sie mutig die Lücke ausgefüllt haben, die leider die Deutsche Kolonial¬ gesellschaft gelassen hatte, als es galt, die Mehrheit des deutschen Volkes im Sturm für den kolonialen Gedanken zu gewinnen und mobil zu machen. Der beispiellose Erfolg dieser Werbetätigkeit, der durch Dernburgs klare Dar¬ legungen über die Bedeutung der Kolonien für die Nationalwirtschaft und die Zukunft des deutschen Volkes das Rückgrat gegeben worden ist, ist zu bekannt, daß mir näher darauf einzugehn brauchten. Kreuzboten II 1K07 5>»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/389>, abgerufen am 05.02.2025.