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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Der Handel der einzelnen Brasilstaaten

rasilien hat, einschließlich des Acreterritoriums, einen Flächeninhalt
von 8525054 Quadratkilometern, also ungefähr ebensoviel wie
das europäische Festland. Und ähnlich wie die einzelnen Länder
Europas in bezug auf Bodengestaltung, Klima und pflanzliche
Erscheinungsformen voneinander abweichen, so auch die Staaten
Brasiliens. Nur tritt hier an die Stelle der kalten Zone ein äquatorialer
Strich, zu dem das Hochland der Tropen und die Subtropen im Gegensatz
stehn. Weitere Gegensätze werden durch das Vorhandensein von besiedelten
und noch in ursprünglicher Wildheit daliegenden unbewohnten Gegenden ge¬
schaffen. Von den zwanzig Bundesstaaten, aus denen Brasilien besteht, sind
manche schon größtenteils einer gewissen Kultur und dem Weltverkehr erschlossen,
während andre in ihrem Hauptteil noch der Erschließung harren. Die einen
senden gewaltige Mengen wertvoller Ausfuhrprodukte auf die Weltmärkte, und
andre sind auf diesen noch kaum bekannt, weil sie wenig oder fast nichts exportieren.
Dabei ist bemerkenswert, daß der zwischenstaatliche Handel in Brasilien selbst ver¬
hältnismüßig schwach entwickelt ist. Die Küstenschiffahrt vermittelt den Verkehr
zwischen den Einzelstaaten. Die Eisenbahnlinien, deren Gesamtlänge erst 18000
Kilometer erreicht, verlaufen meist von den Küstenstädten nach dem Innern z",
ohne, von Ausnahmen abgesehen, die Einzelstaaten miteinander zu verbinden.
Wenn heute solche Verbindungen angestrebt werden, so muß man doch bemerken,
daß sie dem Binnenhandel keinen sonderlich lebhaften Verkehr verschaffen werden,
weil die Frachttarife und die Verkehrsspesen so hoch sind, daß nur wenige teurere
Produkte diese zu tragen vermögen. Der Wohlstand der einzelnen Gegenden
hängt darum vom Vorhandensein von Ausfuhrprodukten ab, und das Bild des
Außenhandels ist im allgemeinen zugleich das Bild der wirtschaftlichen Bedeu¬
tung und des Wohlstandes der Staaten.

Die folgende nach offiziellen Quellen aufgestellte Ausfuhrstatistik berück¬
sichtigt einige Brasilstaaten scheinbar gar nicht. Sie ist nämlich in Wirklichkeit
nach Ausfuhrhäfen geordnet und gibt also die Produktionswerte der Hinterländer
dieser Häfen an. Im Handel ist häufig der Ausdruck "Zone" für einen solchen
Hafen und sein Hinterland gebräuchlich. Statt Amazonas würde man zum
Beispiel unstreitig richtiger sagen Manäoszone, denn die angegebnen Ausfuhr¬
werte umfassen nicht nur die Produktion des Staates Amazonas, sondern auch die
des obern Rio Purüs und obern Rio Juruä, die zu dem gar uicht aufgeführten




Der Handel der einzelnen Brasilstaaten

rasilien hat, einschließlich des Acreterritoriums, einen Flächeninhalt
von 8525054 Quadratkilometern, also ungefähr ebensoviel wie
das europäische Festland. Und ähnlich wie die einzelnen Länder
Europas in bezug auf Bodengestaltung, Klima und pflanzliche
Erscheinungsformen voneinander abweichen, so auch die Staaten
Brasiliens. Nur tritt hier an die Stelle der kalten Zone ein äquatorialer
Strich, zu dem das Hochland der Tropen und die Subtropen im Gegensatz
stehn. Weitere Gegensätze werden durch das Vorhandensein von besiedelten
und noch in ursprünglicher Wildheit daliegenden unbewohnten Gegenden ge¬
schaffen. Von den zwanzig Bundesstaaten, aus denen Brasilien besteht, sind
manche schon größtenteils einer gewissen Kultur und dem Weltverkehr erschlossen,
während andre in ihrem Hauptteil noch der Erschließung harren. Die einen
senden gewaltige Mengen wertvoller Ausfuhrprodukte auf die Weltmärkte, und
andre sind auf diesen noch kaum bekannt, weil sie wenig oder fast nichts exportieren.
Dabei ist bemerkenswert, daß der zwischenstaatliche Handel in Brasilien selbst ver¬
hältnismüßig schwach entwickelt ist. Die Küstenschiffahrt vermittelt den Verkehr
zwischen den Einzelstaaten. Die Eisenbahnlinien, deren Gesamtlänge erst 18000
Kilometer erreicht, verlaufen meist von den Küstenstädten nach dem Innern z»,
ohne, von Ausnahmen abgesehen, die Einzelstaaten miteinander zu verbinden.
Wenn heute solche Verbindungen angestrebt werden, so muß man doch bemerken,
daß sie dem Binnenhandel keinen sonderlich lebhaften Verkehr verschaffen werden,
weil die Frachttarife und die Verkehrsspesen so hoch sind, daß nur wenige teurere
Produkte diese zu tragen vermögen. Der Wohlstand der einzelnen Gegenden
hängt darum vom Vorhandensein von Ausfuhrprodukten ab, und das Bild des
Außenhandels ist im allgemeinen zugleich das Bild der wirtschaftlichen Bedeu¬
tung und des Wohlstandes der Staaten.

Die folgende nach offiziellen Quellen aufgestellte Ausfuhrstatistik berück¬
sichtigt einige Brasilstaaten scheinbar gar nicht. Sie ist nämlich in Wirklichkeit
nach Ausfuhrhäfen geordnet und gibt also die Produktionswerte der Hinterländer
dieser Häfen an. Im Handel ist häufig der Ausdruck „Zone" für einen solchen
Hafen und sein Hinterland gebräuchlich. Statt Amazonas würde man zum
Beispiel unstreitig richtiger sagen Manäoszone, denn die angegebnen Ausfuhr¬
werte umfassen nicht nur die Produktion des Staates Amazonas, sondern auch die
des obern Rio Purüs und obern Rio Juruä, die zu dem gar uicht aufgeführten


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[0344] [Abbildung] Der Handel der einzelnen Brasilstaaten rasilien hat, einschließlich des Acreterritoriums, einen Flächeninhalt von 8525054 Quadratkilometern, also ungefähr ebensoviel wie das europäische Festland. Und ähnlich wie die einzelnen Länder Europas in bezug auf Bodengestaltung, Klima und pflanzliche Erscheinungsformen voneinander abweichen, so auch die Staaten Brasiliens. Nur tritt hier an die Stelle der kalten Zone ein äquatorialer Strich, zu dem das Hochland der Tropen und die Subtropen im Gegensatz stehn. Weitere Gegensätze werden durch das Vorhandensein von besiedelten und noch in ursprünglicher Wildheit daliegenden unbewohnten Gegenden ge¬ schaffen. Von den zwanzig Bundesstaaten, aus denen Brasilien besteht, sind manche schon größtenteils einer gewissen Kultur und dem Weltverkehr erschlossen, während andre in ihrem Hauptteil noch der Erschließung harren. Die einen senden gewaltige Mengen wertvoller Ausfuhrprodukte auf die Weltmärkte, und andre sind auf diesen noch kaum bekannt, weil sie wenig oder fast nichts exportieren. Dabei ist bemerkenswert, daß der zwischenstaatliche Handel in Brasilien selbst ver¬ hältnismüßig schwach entwickelt ist. Die Küstenschiffahrt vermittelt den Verkehr zwischen den Einzelstaaten. Die Eisenbahnlinien, deren Gesamtlänge erst 18000 Kilometer erreicht, verlaufen meist von den Küstenstädten nach dem Innern z», ohne, von Ausnahmen abgesehen, die Einzelstaaten miteinander zu verbinden. Wenn heute solche Verbindungen angestrebt werden, so muß man doch bemerken, daß sie dem Binnenhandel keinen sonderlich lebhaften Verkehr verschaffen werden, weil die Frachttarife und die Verkehrsspesen so hoch sind, daß nur wenige teurere Produkte diese zu tragen vermögen. Der Wohlstand der einzelnen Gegenden hängt darum vom Vorhandensein von Ausfuhrprodukten ab, und das Bild des Außenhandels ist im allgemeinen zugleich das Bild der wirtschaftlichen Bedeu¬ tung und des Wohlstandes der Staaten. Die folgende nach offiziellen Quellen aufgestellte Ausfuhrstatistik berück¬ sichtigt einige Brasilstaaten scheinbar gar nicht. Sie ist nämlich in Wirklichkeit nach Ausfuhrhäfen geordnet und gibt also die Produktionswerte der Hinterländer dieser Häfen an. Im Handel ist häufig der Ausdruck „Zone" für einen solchen Hafen und sein Hinterland gebräuchlich. Statt Amazonas würde man zum Beispiel unstreitig richtiger sagen Manäoszone, denn die angegebnen Ausfuhr¬ werte umfassen nicht nur die Produktion des Staates Amazonas, sondern auch die des obern Rio Purüs und obern Rio Juruä, die zu dem gar uicht aufgeführten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/344>, abgerufen am 05.02.2025.