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Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.

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Gin Himmelfahrtstag in Port-Royal

o liegt Port-Royal? Was ist davon noch zu sehen? Immer
wieder tauchten unter den Deutschen in meiner Pariser Pension
diese Fragen auf. Aber nicht viele wissen, wo sie diese ehrwürdige
Stätte suchen sollen, und wir gehörten zu denen ... die es eben
nicht wußten.

Da stellte es sich denn recht zu unserm Glück heraus, daß vor Jahren
zwei deutsche Damen bei einem Ausflüge in das Tal von Chevreuse zufällig
nach Port-Royal geraten waren und als wahre Menschenfreundinnen der
Pension für kommende Geschlechter eine Beschreibung ihrer Irrfahrten hinter¬
lassen hatten. Diese wurde gemeinsam studiert, und als wir vollends noch im
glücklichen Besitz einer erläuternden Kartenskizze waren, verdichteten sich unsre
Pläne zu schöner Wirklichkeit. Die Französinnen wurden von der Begeisterung
angesteckt, und damit sich möglichst viele beteiligen könnten, wurde das Himmel¬
fahrtsfest zum Tage unsers Vorhabens auserlesen. Wir beschlossen, die Wan¬
derung am entgegengesetzten Ende zu beginnen, anders als unsre liebenswürdigen
Pfadfinderinnen: von Trappes aus (zwischen Saint-Cyr und Rambouillet) wollte"
wir zuerst Port-Royal besuchen und dann durch das Tal von Chevreuse wandern,
um die Bahnlinie Limours-Paris zu gewinnen. Am Himmelfahrtstage tat uns
der Himmel nnn freilich nicht den Gefallen, schon frühmorgens zu zeigen, ob
er heute zu weinen oder zu lachen gedenke. Aber auanä-insiiik! hieß die
Losung. Die Pariser Kleinbürger hatten entschieden ebenso gedacht, denn auf
dem Bahnhof Montparnasse wimmelte es schon von aufgeregten Familienvätern
und vielgeplagten Müttern mit großen Eßpaketen. Dazwischen trippelten die
geputzten Kleinen, die Helden der Feiertage, mit Schiffchen und Schmetterlings¬
netzen. Nun, nach Port-Royal würden diese Kind- und Kegelkarawanen wohl
"icht ziehn!

Punkt nenn Uhr fuhren wir aus dem Bahnhof hinaus nach Chartres zu.
Unsre Fahrt dauerte nicht allzulange. Nach Versailles sahen wir zur Rechten
Saint-Cyr mit den großen Anstaltsgebäuden im Tale liegen, und dann kam
auch schon die Station Trappes, wo außer uns nur sehr wenig Ausflügler
den Zug verließen. Die kleine Ortschaft wurde höchst schnöde behandelt, denn
wir drehten ihr gleich den Rücken, gingen über die Bahngeleise und fanden
sofort die richtige Straße, die zwischen grünen Saatfeldern auf das Dorf
Montigny-le-Bretonncux zuführte. Bedenkliche Wolken jagten über uns dahin.


Grenzboten II 1907 40


Gin Himmelfahrtstag in Port-Royal

o liegt Port-Royal? Was ist davon noch zu sehen? Immer
wieder tauchten unter den Deutschen in meiner Pariser Pension
diese Fragen auf. Aber nicht viele wissen, wo sie diese ehrwürdige
Stätte suchen sollen, und wir gehörten zu denen ... die es eben
nicht wußten.

Da stellte es sich denn recht zu unserm Glück heraus, daß vor Jahren
zwei deutsche Damen bei einem Ausflüge in das Tal von Chevreuse zufällig
nach Port-Royal geraten waren und als wahre Menschenfreundinnen der
Pension für kommende Geschlechter eine Beschreibung ihrer Irrfahrten hinter¬
lassen hatten. Diese wurde gemeinsam studiert, und als wir vollends noch im
glücklichen Besitz einer erläuternden Kartenskizze waren, verdichteten sich unsre
Pläne zu schöner Wirklichkeit. Die Französinnen wurden von der Begeisterung
angesteckt, und damit sich möglichst viele beteiligen könnten, wurde das Himmel¬
fahrtsfest zum Tage unsers Vorhabens auserlesen. Wir beschlossen, die Wan¬
derung am entgegengesetzten Ende zu beginnen, anders als unsre liebenswürdigen
Pfadfinderinnen: von Trappes aus (zwischen Saint-Cyr und Rambouillet) wollte»
wir zuerst Port-Royal besuchen und dann durch das Tal von Chevreuse wandern,
um die Bahnlinie Limours-Paris zu gewinnen. Am Himmelfahrtstage tat uns
der Himmel nnn freilich nicht den Gefallen, schon frühmorgens zu zeigen, ob
er heute zu weinen oder zu lachen gedenke. Aber auanä-insiiik! hieß die
Losung. Die Pariser Kleinbürger hatten entschieden ebenso gedacht, denn auf
dem Bahnhof Montparnasse wimmelte es schon von aufgeregten Familienvätern
und vielgeplagten Müttern mit großen Eßpaketen. Dazwischen trippelten die
geputzten Kleinen, die Helden der Feiertage, mit Schiffchen und Schmetterlings¬
netzen. Nun, nach Port-Royal würden diese Kind- und Kegelkarawanen wohl
"icht ziehn!

Punkt nenn Uhr fuhren wir aus dem Bahnhof hinaus nach Chartres zu.
Unsre Fahrt dauerte nicht allzulange. Nach Versailles sahen wir zur Rechten
Saint-Cyr mit den großen Anstaltsgebäuden im Tale liegen, und dann kam
auch schon die Station Trappes, wo außer uns nur sehr wenig Ausflügler
den Zug verließen. Die kleine Ortschaft wurde höchst schnöde behandelt, denn
wir drehten ihr gleich den Rücken, gingen über die Bahngeleise und fanden
sofort die richtige Straße, die zwischen grünen Saatfeldern auf das Dorf
Montigny-le-Bretonncux zuführte. Bedenkliche Wolken jagten über uns dahin.


Grenzboten II 1907 40
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[0309] [Abbildung] Gin Himmelfahrtstag in Port-Royal o liegt Port-Royal? Was ist davon noch zu sehen? Immer wieder tauchten unter den Deutschen in meiner Pariser Pension diese Fragen auf. Aber nicht viele wissen, wo sie diese ehrwürdige Stätte suchen sollen, und wir gehörten zu denen ... die es eben nicht wußten. Da stellte es sich denn recht zu unserm Glück heraus, daß vor Jahren zwei deutsche Damen bei einem Ausflüge in das Tal von Chevreuse zufällig nach Port-Royal geraten waren und als wahre Menschenfreundinnen der Pension für kommende Geschlechter eine Beschreibung ihrer Irrfahrten hinter¬ lassen hatten. Diese wurde gemeinsam studiert, und als wir vollends noch im glücklichen Besitz einer erläuternden Kartenskizze waren, verdichteten sich unsre Pläne zu schöner Wirklichkeit. Die Französinnen wurden von der Begeisterung angesteckt, und damit sich möglichst viele beteiligen könnten, wurde das Himmel¬ fahrtsfest zum Tage unsers Vorhabens auserlesen. Wir beschlossen, die Wan¬ derung am entgegengesetzten Ende zu beginnen, anders als unsre liebenswürdigen Pfadfinderinnen: von Trappes aus (zwischen Saint-Cyr und Rambouillet) wollte» wir zuerst Port-Royal besuchen und dann durch das Tal von Chevreuse wandern, um die Bahnlinie Limours-Paris zu gewinnen. Am Himmelfahrtstage tat uns der Himmel nnn freilich nicht den Gefallen, schon frühmorgens zu zeigen, ob er heute zu weinen oder zu lachen gedenke. Aber auanä-insiiik! hieß die Losung. Die Pariser Kleinbürger hatten entschieden ebenso gedacht, denn auf dem Bahnhof Montparnasse wimmelte es schon von aufgeregten Familienvätern und vielgeplagten Müttern mit großen Eßpaketen. Dazwischen trippelten die geputzten Kleinen, die Helden der Feiertage, mit Schiffchen und Schmetterlings¬ netzen. Nun, nach Port-Royal würden diese Kind- und Kegelkarawanen wohl "icht ziehn! Punkt nenn Uhr fuhren wir aus dem Bahnhof hinaus nach Chartres zu. Unsre Fahrt dauerte nicht allzulange. Nach Versailles sahen wir zur Rechten Saint-Cyr mit den großen Anstaltsgebäuden im Tale liegen, und dann kam auch schon die Station Trappes, wo außer uns nur sehr wenig Ausflügler den Zug verließen. Die kleine Ortschaft wurde höchst schnöde behandelt, denn wir drehten ihr gleich den Rücken, gingen über die Bahngeleise und fanden sofort die richtige Straße, die zwischen grünen Saatfeldern auf das Dorf Montigny-le-Bretonncux zuführte. Bedenkliche Wolken jagten über uns dahin. Grenzboten II 1907 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301987/309>, abgerufen am 05.02.2025.