Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Zweites Vierteljahr.Die Haselnuß A Julius R. Haarhaus m Leipziger Märchen von (Fortsetzung) in paar Tage waren vergangen. Das Ehepaar hatte es dem Gaste Diese Bekanntmachung stimmte, obwohl sie vorausdatiert war und erst einige Hören Sie, Herr General, sagte der Alte, es war mir ja eine große Ehre, Der Fremde war vernünftig genug, sich den Gründen seines Wirtes nicht zu Die Haselnuß A Julius R. Haarhaus m Leipziger Märchen von (Fortsetzung) in paar Tage waren vergangen. Das Ehepaar hatte es dem Gaste Diese Bekanntmachung stimmte, obwohl sie vorausdatiert war und erst einige Hören Sie, Herr General, sagte der Alte, es war mir ja eine große Ehre, Der Fremde war vernünftig genug, sich den Gründen seines Wirtes nicht zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0208" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/302196"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341885_301987/figures/grenzboten_341885_301987_302196_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Haselnuß<lb/> A<note type="byline"> Julius R. Haarhaus</note> m Leipziger Märchen von<lb/> (Fortsetzung)</head><lb/> <p xml:id="ID_928"> in paar Tage waren vergangen. Das Ehepaar hatte es dem Gaste<lb/> so bequem gemacht, wie es die bescheidne Wohnung und die noch<lb/> bescheidnern Mittel erlaubten. Wenn die beiden alten Leutchen<lb/> des Morgens weggingen, schlössen sie den Fremden ein, und dieser<lb/> verhielt sich den ganzen Tag über so still wie möglich, damit die<lb/> Hausgenossen von seiner Anwesenheit nichts erführen. Er hatte in<lb/> der behaglich warmen Stube über nichts zu klagen als über die Langeweile und sehnte<lb/> immer die Stunde herbei, wo seine Wirte heimkehrten und ihn von den Ereignissen<lb/> des Tages in Kenntnis setzten. Eines Abends brachte Gerlach ein gedrucktes Blatt<lb/> mit, das er von einem befreundeten Buchdrucker erhalten hatte, und auf dem zu<lb/> lesen stand, daß der Obrist und Stadtkommandant Prendcl den Bürgern befehle,<lb/> innerhalb vierundzwanzig Stunden schriftlich zu melden, welche Generale, Stabs-<lb/> und andre Offiziere oder sonstige Employös, es sei von welcher Nation es wolle,<lb/> sich bei ihnen im Quartier befänden. Wer sich der geringsten Verschweigung<lb/> schuldig mache oder die zur Anzeige bestimmten vierundzwanzig Stunden versäume,<lb/> habe unnachsichtliche Bestrafung zu erwarten.</p><lb/> <p xml:id="ID_929"> Diese Bekanntmachung stimmte, obwohl sie vorausdatiert war und erst einige<lb/> Tage später in Kraft trat, sowohl den Fremden wie Meister Gerlach nachdenklich.<lb/> Prendel war Russe, und mit den Russen ließ sich nicht spaßen.</p><lb/> <p xml:id="ID_930"> Hören Sie, Herr General, sagte der Alte, es war mir ja eine große Ehre,<lb/> aber länger hier behalten kann ich Sie doch nicht. Tun Sie mir den einzigen<lb/> Gefallen und machen Sie, daß Sie wegkommen. Wenn Sie sich in Ihrer Uniform<lb/> nicht hinausgetrauen, will ich Sie gerne einen alten Anzug geben, den ziehen Sie<lb/> an, dann wird Sie kein Mensch anhalten. Gehen Sie nicht gutwillig, dann muß<lb/> ich Sie melden, so leid es mir tut. Aber das werden Sie einsehen, daß ich Ihret¬<lb/> wegen nicht den Hals riskieren mag.</p><lb/> <p xml:id="ID_931" next="#ID_932"> Der Fremde war vernünftig genug, sich den Gründen seines Wirtes nicht zu<lb/> verschließen und erklärte sich bereit, am nächsten Morgen sein Asyl zu verlassen.<lb/> Gerlach ließ es sich nicht nehmen, den Gastfreund noch einmal zu rasieren, und<lb/> war nicht wenig überrascht, als ihm dieser beim Abschied als Entgelt für die Be¬<lb/> wirtung die Haselnuß schenkte. Der Talisman, meinte der Gast, als Meister Immanuel<lb/> die Gabe rin süßsäuerlichen Lächeln einsteckte, würde ihm auf seiner Flucht mir<lb/> hinderlich sein, und da er augenblicklich weder über Geld noch Geldeswert verfüge,<lb/> möchte Gerlach die Nuß, die ihm sicherlich Glück bringen werde, als ein kleines<lb/> Andenken an ihn behalten. Das war für die alten Leutchen nun freilich eine gewaltige<lb/> Enttäuschung, denn sie hatten im stillen auf ein paar blanke Napoleondor gerechnet,<lb/> und so fiel der Abschied von ihrer Seite ein wenig kühl aus. Und als der Fremde<lb/> nun mit Gerlachs ältesten Kleidern angetan im ersten Morgendämmer die Treppe</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0208]
[Abbildung]
Die Haselnuß
A Julius R. Haarhaus m Leipziger Märchen von
(Fortsetzung)
in paar Tage waren vergangen. Das Ehepaar hatte es dem Gaste
so bequem gemacht, wie es die bescheidne Wohnung und die noch
bescheidnern Mittel erlaubten. Wenn die beiden alten Leutchen
des Morgens weggingen, schlössen sie den Fremden ein, und dieser
verhielt sich den ganzen Tag über so still wie möglich, damit die
Hausgenossen von seiner Anwesenheit nichts erführen. Er hatte in
der behaglich warmen Stube über nichts zu klagen als über die Langeweile und sehnte
immer die Stunde herbei, wo seine Wirte heimkehrten und ihn von den Ereignissen
des Tages in Kenntnis setzten. Eines Abends brachte Gerlach ein gedrucktes Blatt
mit, das er von einem befreundeten Buchdrucker erhalten hatte, und auf dem zu
lesen stand, daß der Obrist und Stadtkommandant Prendcl den Bürgern befehle,
innerhalb vierundzwanzig Stunden schriftlich zu melden, welche Generale, Stabs-
und andre Offiziere oder sonstige Employös, es sei von welcher Nation es wolle,
sich bei ihnen im Quartier befänden. Wer sich der geringsten Verschweigung
schuldig mache oder die zur Anzeige bestimmten vierundzwanzig Stunden versäume,
habe unnachsichtliche Bestrafung zu erwarten.
Diese Bekanntmachung stimmte, obwohl sie vorausdatiert war und erst einige
Tage später in Kraft trat, sowohl den Fremden wie Meister Gerlach nachdenklich.
Prendel war Russe, und mit den Russen ließ sich nicht spaßen.
Hören Sie, Herr General, sagte der Alte, es war mir ja eine große Ehre,
aber länger hier behalten kann ich Sie doch nicht. Tun Sie mir den einzigen
Gefallen und machen Sie, daß Sie wegkommen. Wenn Sie sich in Ihrer Uniform
nicht hinausgetrauen, will ich Sie gerne einen alten Anzug geben, den ziehen Sie
an, dann wird Sie kein Mensch anhalten. Gehen Sie nicht gutwillig, dann muß
ich Sie melden, so leid es mir tut. Aber das werden Sie einsehen, daß ich Ihret¬
wegen nicht den Hals riskieren mag.
Der Fremde war vernünftig genug, sich den Gründen seines Wirtes nicht zu
verschließen und erklärte sich bereit, am nächsten Morgen sein Asyl zu verlassen.
Gerlach ließ es sich nicht nehmen, den Gastfreund noch einmal zu rasieren, und
war nicht wenig überrascht, als ihm dieser beim Abschied als Entgelt für die Be¬
wirtung die Haselnuß schenkte. Der Talisman, meinte der Gast, als Meister Immanuel
die Gabe rin süßsäuerlichen Lächeln einsteckte, würde ihm auf seiner Flucht mir
hinderlich sein, und da er augenblicklich weder über Geld noch Geldeswert verfüge,
möchte Gerlach die Nuß, die ihm sicherlich Glück bringen werde, als ein kleines
Andenken an ihn behalten. Das war für die alten Leutchen nun freilich eine gewaltige
Enttäuschung, denn sie hatten im stillen auf ein paar blanke Napoleondor gerechnet,
und so fiel der Abschied von ihrer Seite ein wenig kühl aus. Und als der Fremde
nun mit Gerlachs ältesten Kleidern angetan im ersten Morgendämmer die Treppe
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